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Grüner Kopfsalat in Großaufnahme

CC0 / Pixabay

Die grüne Hölle

Todors Freund R. erlebte eine Geschichte von moderner Sklavenarbeit in Österreich.

(für R.)

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Für Einige ist das kommende Weihnachtsfest ein Grund für frohes Lächeln. Für Andere hingegen bringt es nur physisches Leid. Als ich auf einem Fließband Karotten aussortiert habe, habe ich Weihnachten von ganzem Herzen gehasst.

Denn genau zu Weihnachten brauchen die Menschen in Österreich besonders viele Karotten, um Schweinsbraten und Gänse zu spicken und Karottenkuchen zu backen. An meinen Augen vorbei und durch meine Hände sind so viele Karotten gegangen, dass ich irgendwann geglaubt habe, dass etwas, wenn es nicht orange ist, einfach nicht existiert.

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Ich habe das R erzählt. Er arbeitete zu der Zeit als Salatpflücker. Als ich ihm sagte, dass die ganze Welt für mich orange war, war er zufrieden. Er meinte, er dachte er würde verrückt, denn alles, was es sah, sah für ihn wie ein Kopfsalat aus. Genauso wie bei Charlie Chaplins Goldgräber, dem ein Mensch vor lauter Hunger wie ein riesiges Huhn erschien. Für R waren alle Bäume und Büsche große Salate. Er entwickelte eine akute Salatophobie und konnte nichts Grünes mehr sehen. Allerdings konnte er nicht so einfach bei diesem verdammten Salatfeld kündigen.

Sein Leben gehörte dem Salat. Er hatte von der Arbeit mehrere Bandscheibenvorfälle bekommen. Bücken war für R der reinste Horror. Er kündigte und wollte gerichtlich gegen den Salatbauer vorgehen, der seine Gesundheit ruiniert hatte. Unerwartet stellten sich seine serbische Landsmänner und -frauen aus seinem Dorf gegen ihn. Sie arbeiteten bei demselben Bauer und die Arbeitgeber hatten ihnen gesagt, dass sie alle entlassen werden würden, falls R seine Klage nicht zurückziehe. R wurde gedroht, dass die Bandscheibenvorfälle ihm wie Nichts vorkommen würden im Gegenzug zu das, was man mit ihm machen würde.

Er zog seine Klage zurück. Die Menschen aus seinem Dorf pflücken weiterhin Salate wie Sklaven auf österreischischen Felder. Falls sie über Weihnachten einige Tage Urlaub bekommen sollten, werden sie feststellen, dass R mittlerweile gestorben ist. Ich hoffe, dass es auf der anderen Seite nichts Grünes gibt, dass ihn an einem Kopfsalat erinnern könnte.

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