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House of Gucci Filmstills

Universal Pictures International Austria GmbH

In „House of Gucci“ ist Lady Gaga ein rarer Lichtblick

Hätte hätte Fahrradkette: „House of Gucci“ hätte so ein toller Film werden können.

Von Martin Pieper

Ridley Scott, auch schon über 80 Jahre alt, haut heuer gleich zwei Filme raus, in eine weitgehend darniederliegende Kinolandschaft. Nach seinem missverstandenen Mittelalter-MeToo Film The Last Duel hat er Adam Driver die Ritterrüstung ausgezogen und ihn in recht scharfe 70er/80er Jahre Gucci Anzüge gesteckt. Der allgegenwärtige Adam Driver spielt Maurizio Gucci, einen der Erben des italienischen Modeimperiums. Maurizio ist zu Beginn des Films ein zögerlicher Hamlet in Cord-Hosen, dann recht plötzlich ein leidenschaftlicher Liebhaber und wenig später ein beinharter Geschäftsmann. Eine Wandlung, die man auch nach den 240 Minuten „House of Gucci“ nicht wirklich nachvollziehen kann.

Adam Driver wirkt wie im kostbaren Filmset abgestellt und von niemandem abgeholt, dafür darf er aber sein immer gleiches Brillenmodell aufbehalten, egal ob es 1978 oder 1996 ist. Über dieser Zeitspanne hinweg erzählt House of Gucci die dramatische Geschichte der reichen und zerstrittenen Familie Gucci, basierend auf dem gleichnamigen Reportage-Buch der Journalistin Sarah Gay Forden. Aber schon in den ersten Minuten des Films wird klar, dass es hier nicht um Realismus geht. Gegen das Italien von Ridley Scott ist Pixars Animationsfilm „Luka“ ein Werk des Neorealismus.

So „italienisch“, dass es weh tut

Das Aufgebot an großkalibrigen Schauspielern ist riesig. Neben Adam Driver und Lady Gaga dürfen einander unter anderem Al Pacino, Jared Leto, Salma Hayek oder Jeremy Irons lieben und hassen. Was alle eint ist der grotesk überzogene italienische Akzent, an dem vermutlich mehrere Dialect-Coaches getüftelt haben. Das führt zur bizarren Situation, dass amerikanische Schauspieler sich radebrechend auf Italo-Englisch unterhalten und man als Zuschauer*in verzweifelt versucht, dem Dialog zu folgen. Und wenn dann die in Mexico geborene Salma Hayek als kartenlegende Wahrsagerin mit wirrem Haar Lady Gaga gegenübersitzt und etwas von „ju have grrreat powerr“ erzählt, wird es vollends absurd.

House of Gucci Filmstills

Universal Pictures International Austria GmbH

Zum Haare raufen ist auch der Einsatz der durchaus schmissigen Popmusik, die mit großer Sicherheit das falsche Jahrzehnt einläutet. Wenn George Michaels „Faith“ zur 70er Jahre Hochzeit eingespielt wird, ist das nicht nur für Musik-Nerds ein kleiner Stich ins Herz, der lange schmerzt. Da hilft auch das fantastische Kostümdesign nicht weiter. Immerhin hat Allesandro Michele, der jesushafte aktuelle Chefdesigner von Gucci, die besten Teile aus dem Gucci Archiv entmottet. Regisseur Ridley Scott und seine Drehbuchschreiber schaffen es trotzdem nicht, über die jeweiligen modischen und popkulturellen Zeichen beim Zuschauer ein Gefühl für die große Zeitspanne zwischen Gucci-Hochzeit und Gucci-Mordanschlag zu vermitteln. Die 70er sind die 80er sind die 90er, eh alles wurscht, scheint uns Ridley Scott sagen zu wollen. Eine Schande für einen Film, der im Modezirkus sein Zuhause hat.

House of Gucci Filmstills

Universal Pictures International Austria GmbH

Für Mode interessiert sich „House of Gucci“ übrigens wenig. Das muss kein Fehler sein, die Geschichte von Kino und Modeindustrie ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Ridley Scott ist aber auch sonst nicht viel zu dem herrlich opernhaften Stoff eingefallen was über die handwerklich ordentliche Bebilderung von Reichtum hinausgeht. Selbst für „wealth porn“ gibt das House of Gucci allerdings nicht allzu viel her. Dazu ist man zu sehr abgelenkt von Jared Letos Alters-Make-Up samt „Glatzenperücke“ und seinem manieristischem Schauspiel-Getue. Das verdirbt einem leider die Freude an den schönen Palazzi und großzügigen New Yorker Lofts, in denen sich der Großteil des Dramas abspielt.

A Star is Born

Würde sich „House of Gucci“ nicht selbst so wichtig nehmen, könnte man guten Gewissens die Frage stellen: "Ist „House of Gucci" so schlecht, dass er schon wieder gut ist?“ Für Leute, die mit „Sex in the City 2“ oder „Showgirls“ etwas anfangen können, hat der Film schon Einiges anzubieten – wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau als die beiden oben genannten Meisterwerke des Camp.

Für den Rest gibt es immerhin Lady Gaga als schauspielerische Großmacht zu entdecken. Man könnte ja sagen, dass ihr Auftritt in „A Star is Born“ sehr viel mit ihrer eigenen Musikerinnen-Karriere zu tun hat, dass sie sich dort quasi selbst gespielt hat. Damit kommt man nach dem House of Gucci nicht mehr durch. Lady Gaga ist das Herz dieses Films. Patrizia Gucci, die nicht ganz standesgemäß eingeheiratete Ehefrau, wird von Lady Gaga großartig gespielt. Sie schafft es, diese Frau nicht zur platten Karikatur des italienischen Vamps mit großem Busen und großer Ambition werden zu lassen, und das trotz des verordneten Akzents und der zu wenigen guten Dialogzeilen. Schade auch, dass der Film im Laufe seiner überlangen Spielzeit diese Figur aus dem Auge verliert, nur um ihr am Schluss noch einen kleinen mörderischen Auftritt zu gönnen. Eine weitere vertane Chance.

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