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Boba Fett - Ein echter Kopfgeldjäger geht nicht unter

Die Figur Boba Fett wird von seinen Fans seit Dekaden als ein intergalaktischer Man of Mystery verehrt. Vor kurzem ist die neue Star-Wars-Serie „The Book of Boba Fett“ gestartet.

Von Natalie Brunner

In „The Empire Strikes Back“ taucht Boba Fett nur wenige Minuten auf, hat so gut wie keinen Dialog, aber seine stylische Rüstung, kombiniert mit seinem kalten, amoralischen Handeln hat gereicht, um seinen Ruhm zu zementieren oder - vielleicht passender - in Karbonit zu frieren.

Boba Fett war in dem Star-Wars-Film „Attack of The Clones“ als nerviges Kind zu sehen, als der an Sohnes statt angenommene Klon des Sturmtruppen-DNA-Spenders Django Fett. Das war schon eine äußerst unbefriedigende Origin Story, aber da die Welt sich mehr oder weniger einig ist, die drei Star Wars Prequels aus den 2000ern zu ignorieren, schmerzt dieser Auftritt nicht so sehr wie die Art, wie Boba Fett uns jetzt präsentiert wird. Am 29. Dezember war der erste Teil der neuen Star-Wars-Serie „The Book of Boba Fett“ auf dem Streamingportal Disney+ zu sehen.

Bereits nach der ersten Folge von „The Book of Boba Fett“ ist eine Tendenz spürbar: Je mehr man über den Charakter erfährt, desto unspannender und auch auf banale Weise unsympathischer wird er. Brutal und mit vielen Cringe-Momenten scheinen die Macher*innen der Serie in der ersten Folge viel von dem, was sie bei „The Mandalorian“ richtig gemacht haben, zu vergessen. Oder, was erfreulicher wäre, sie ignorieren es bewusst, um uns nach einem mäßigen Serienstart mit ungeahnten Wendungen und einem anderen Erzählduktus zu überraschen. Vielleicht gab es deshalb auch keine Vorabscreener für die Presse wie sonst üblich.

Mein Problem mit Boba Fett beginnt mit dem Hauptdarsteller Temuera Morrison in der Titelrolle. Er hat in den 2000er Prequels Django Fett gespielt. Er schafft es, weder bei seinem Auftauchen in „The Mandalorian“ noch in der ersten Folge von „The Book of Boba“ irgendwie geheimnisvoll, gefährlich oder bedrohlich zu sein.

Mit seiner durch die Verbrennungen in der Wüste von Tatooine gegerbten Haut erinnert er mich mehr an einen Wiener Hausmeister, der im Gänsehäufl in der Sonne eingeschlafen ist, als an einen skrupellosen Söldner um die 60 Erdenjahre, der sämtliche Wendkreise der Hölle durchschritten hat und im Epizentrum des Schmerzes, dem Magen des Sarlacc, wo er schon halb verdaut wurde, Moral entdeckt hat.

Ein Riesenproblem mit der Glaubwürdigkeit der Figur habe ich aufgrund der perfekten, massiven, blendend weißen Zähne des Hauptdarstellers. Solche Zähne gibt es nur in Hollywood oder als fertige Komplettlösung beim Zahnarzt. Jedes Mal, wenn Boba Fett spricht, blitzt da etwas auf, das so rein und strahlend ist, dass der ganze Dreck und das Elend, durch die Boba Fett geschleift wird, wie ein deplatziertes Setting eines Werbespots für Zahnpasta wirken, oder es mich an die Zähne meines Urgroßvaters im Wasserglas am Nachtisch erinnert.

In den Kämpfen und Action-Szenen wirkt Boba Fett ungeschickt und behäbig, man ist peinlich berührt zu sehen, wie der ältere Herr in seinem Pyjama, den er trägt, nachdem ihm die Rüstung gestohlen wurde, durch die Wüste getreten und geprügelt wird. Als betrunkener Sturmtrupper wurde er in einem anderen Review mit Entsetzen beschrieben.

In der ersten Episode von „The Book of Boba Fett“ bewegt sich die Handlung auf mehreren Zeitebenen. In der Gegenwart versucht Boba Fett mit seinem weiblichen Sidekick Fennec Shand, seine Kontrolle über das ehemalige Revier von Jabba the Hutt zu festigen.

Wenn er schläft, durchlebt er wieder traumatische Stationen aus seinem verpfuschten Klonleben. Es gibt Rückblenden, die seine Geschichte nach seinem vermeintlichen Ende im Sarlacc-Magen in „Die Rückkehr der Jedi“ aufklären.

Ein weiteres Problem ist, dass die Verspieltheit und die Liebe zum Detail, die „The Mandalorian“ so gut machen, fehlen. Bei „The Mandalorian“ hatte ich bei jeder Folge das Gefühl, ein mit viel Liebe von Fans für Fans gemachtes Geschenk zu sehen. Die erste Folge von „Boba Fett“ kommt daher wie trashige Pflichterfüllung mit Italowestern-Referenzen, mit Kreaturen und Monstern, deren Entwürfe eigentlich keine Star-Wars-Design-Qualitätskontrolle passieren dürften. Die grünen wildschweinartigen Palastwachen von Jabba the Hutt , die Gamorrean Guards, sehen schlechter aus, als sie es vor 38 Jahren in „Return of the Jedi“ getan haben. Ich muss an Faschingskostüme denken. Das gegen Ende der Folge auftauchende Monster sieht aus, als wäre es nach der Zeichnung eines Kindergartenkinds entstanden.

Es ist mir nicht klar, wie das passieren konnte. Das gleiche Team wie bei „The Mandalorian“ hat hier gearbeitet. Geschrieben hat Jon Favreau, Dave Filoni produziert. Robert Rodriguez war der Regisseur dieser ersten Folge mit dem Titel „Stranger in a Strange Land“, und nichts stimmt. In Reviews wird die Serie „die verzweifelte Seite von Star Wars“ genannt. Mussten sie einen Vertrag erfüllen und wollten eigentlich nicht, weil sie lieber die dritte Staffel von „The Mandalorian“, ursprünglich angekündigt für Januar 2022, gemacht haben oder hätten?

Der Funke der Hoffnung, dass „The Book of Boba Fett“ sich zu mehr entwickelt als Füllmaterial bis zur nächsten Season von „The Mandalorian“, wird noch schwach bis nächsten Mittwoch glühen, wenn die nächste Folge veröffentlicht wird.

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