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The Lumineers vor einer Bushaltestelle

Universal Music

Die US-Indie-Folk-Stars The Lumineers geben auf „Brightside“ Hoffnung

Das vierte Album der US-Indie-Folk-Stars heißt „Brightside“ und ist voller Hoffnung. Wesley Schultz und Jeremiah Fraites sind seit sechzehn Jahren The Lumineers. Ihr 2012er-Hit „Ho Hey“ legte den Grundstein für ihr weiteres imternationales Schaffen. Die neuen Songs der Lumineers sind ihre bisher spontansten.

Von Eva Umbauer

Eigentlich sind Wesley Schultz und Jeremiah Fraites ja Jersey Boys. Von New Jersey ist es nicht weit hinüber nach New York City, wo die beiden erst unter diversen Namen spielten - ihr erstes gemeinsames Bandprojekt nannten sie Free Beer -, bis ihnen die Stadt zu teuer wurde und sie beschlossen, in die Rocky Mountains zu ziehen, nach Denver Colorado. Dieser Ortswechsel brachte den beiden dann auch Glück. Von Open-Mic-Abenden zu einem ersten, von einem Management finanzierten, Minialbum. Es war nicht mehr lange hin zu „Ho Hey“ und der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte.

Diesen Hit „verbraten“ die Lumineers bei ihren Konzerten - welche pandemiebedingt in den letzten zwei Jahren nur selten waren - ziemlich rasch im Set, weil sonst, so Wesley Schultz, „alle“ im Publikum unruhig darauf warten und weniger Konzentration für andere, neue Songs haben.

Als Wesley ein Teenager war, mochte er den US-Musiker Jack Johnson. Bei einem dessen Konzerte wollten alle nur „Upside Down“ hören, warteten ungeduldig bis endlich dieser Song kam. Genau das wollen die Lumineers vermeiden, darum gibt es „Ho Hey“ bei ihren Auftritten immer recht rasch zu hören. Auch die neuen Songs warten darauf, auf die Bühne gebracht zu werden, haben sie doch zum Teil ziemlich wuchtige Drumbeats.

Multiinstrumentalist Jeremiah Fraites fühlt sich jetzt erstmals so richtig wohl, wenn er bei den Lumineers am Schlagzeug sitzt. Der Songwriting-Partner von Wesley Schultz ist ansonsten ein meisterhafter Pianist, was auch auf seinem Klavier-Instrumental-Album, das er letztes Jahr veröffentlichte, zu hören ist.

Albumcover von "Brightside" von The Lumineers. Darauf zu sehen eine ausgestreckte Hand und viel blauer Himmel

Decca / Universal Music

„Brightside“ von The Lumineers erscheint am 14.01.2022 bei Decca.

Auch von Wesley Schultz gab es letztes Jahr ein Solo-Album, ein Covers-Album mit Liedern, die er mit Jeremiah in den Anfangstagen in New York spielte - von Bob Dylan über Bruce Springsteen bis zu den Felice Brothers. Simone Felice von der US-Band The Felice Brothers produzierte auch wieder das neueste Album der Lumineers, nachdem er schon die vorherigen zwei produziert hatte. Er tat dies Anfang letzten Jahres zusammen mit David Baron in dessen Sun Mountain Studios im Ort Boiceville im Staat New York.

Alte Songs als Inspirationsquelle

Davor hatten sich Wesley Schultz und Jeremiah Fraites im Haus von Jeremiah in Denver, Colorado zurückgezogen, um dort im Kellerstudio von Jeremiah Demoversionen aufzunehmen. Draußen stand die Welt pandemiebedingt ziemlich still, aber drinnen konnten Wes und Jer loslassen, erfreuten sich an alten Songs anderer Bands, die zum Teil Inspirationsquelle wurden - von Songs von Queen bis zu den Talking Heads und ihrer „Road To Nowhere“ mit seinem ikonischen Gesangsbeginn. Überhaupt gingen es die Lumineers diesmal spontaner an, tüftelten weniger, sondern waren direkter, während ihre Songs in der Vergangenheit oft etwas mehr Zeit brauchten, um ihre große Kraft so richtig zu entfalten. Wes von den Lumineers nennt jene gerne „Slowburner“, während man bei den neuen Songs zum Teil sofort zum Mitsingen verleitet wird.

Einer dieser ziemlich spontanen neuen Songs ist der Titelsong vom Album „Brightside“. Er entstand in nur einem Tag und wartet mit großen Drums auf. Es geht um ein Paar, das nur sich selbst hat. Zum Teil wurde dieser Song von einem persönlichen Erlebnis von Wesley Schultz inspiriert. Seine Freundin gewann einmal eine Reise nach Mexiko. Wes war gerade von einer Tour mit der Band zurück, da fuhren die beiden zum Flughafen, um nach Mexiko zu fliegen. Aber sie kehrten wieder um und fuhren nach Hause. Wesley konnte sich einfach nicht dazu aufraffen, schon wieder ein Flugzeug zu besteigen.

Die beiden machten stattdessen einen Roadtrip, fuhren mit dem Auto in die Berge von Colorado. Sie hörten „Dark Side Of The Moon“, jenes große 70er-Jahre-Album der britischen Band Pink Floyd, und fühlten sich so nahe wie nie zuvor. Es war eine wunderbare Reise, viel besser als es die nach Mexiko wahrscheinlich geworden wäre.

„‚Brightside‘ is like a 15-year-old’s fever dream, an American love story in all its glory and heartbreak. The last couple left, on the run from something and all alone…“ - Wesley Schultz, The Lumineers

„Brightside“ war mit seiner Veröffentlichung letzten Herbst der erste Vorbote - samt tollem Video - zum neuen Album der Lumineers. Der nächste war „Big Shot“, ein packender Song über das Nachdenken über sich selbst. „So you wanna be a big shot, you wanna hold a big gun“, singt Wes Schultz in diesem Song, der einen 90er-Jahre-Vibe hat, genauso wie das Video dazu, in Anlehnung an die Storytelling-Videos, die Wes und Jer damals auf MTV angeschaut haben.

„We are all big shots in our own story… and, now, we’ve all been humbled over the last two years or so.“ - Wesley Schultz, The Lumineers

Auch der dritte Album-Vorbote, „AM Radio“ hat etwas Nostalgisches. Es handelt sich um eine sich wiegende Pop-Ballade - samt integriertem Applaus, so als ob es sich um einen Livemitschnitt handeln würde, eine Hommage an das Mittelwellenradio. Rundfunk auf Mittelwelle dient heute überwiegend der terrestrischen Ausstrahlung von Hörfunkprogrammen über das Sendegebiet der UKW-Sender hinaus. In den Anfangsjahren des Rundfunks in den 1920er Jahren war die Mittelwelle das grundsätzlich genutzte Medium.

Die Songs vom Album „Brightside“ sind die ersten neuen Songs der Lumineers seit mehr als zwei Jahren. Sie folgen auf das Konzeptalbum „III“. Sie sind neben ihrer Direktheit und Hymnenhaftigkeit auch recht freudvoll - ziehen einen in dieser weiterhin schwierigen Zeit keinesfalls runter. Sie sind aber gewiss nicht oberflächlich, sondern haben eine große Stärke. Stark sein mussten Wesley Schultz und Jeremiah Fraites schon früh. Dass die beiden überhaupt zusammenspielen, wurde aus einer Tragödie heraus geboren.

Tragödie am Anfang

Als Jeremiah Fraites fünfzehn Jahre alt war, verlor er seinen vier Jahre älteren Bruder. Joshua starb an einer Überdosis Heroin. Josh war der beste Freund von Wesley Schultz. Wes und Jer begannen miteinander Songs zu schreiben, um über den Verlust des Bruders und besten Freundes hinwegzukommen, sind dabei selbst auf eine Weise Brüder geworden.

„The grief was so intense“, erinnert sich Jeremiah Fraites, „and so immense and just relentless and just infinite. Putting yourself in a position to take that very very strong, high potent emotion and turn it into something beautiful, in some weird way, I guess, I’m thankful for that.“

Josh wäre wohl wieder stolz auf Wes und seinen kleinen Bruder Jer, könnte er die neuen Songs der Lumineers hören - „Where We Are“ mit seinem leisen Groove und der immer stärker anschwellenden Melodie, das leicht jazzige und ebenso leicht euphorische „Birthday“, das rockige „Never Really Mine“, die Piano-Ballade „Rollercoaster“, das ’80s inspirierte „Remington“ oder den potentiellen Hit „Reprise“, der jetzt schon nach einem Lumineers-Klassiker klingt. Alles wird gut, so scheint es, sagen die Lumineers mit ihrem neuen Album „Brightside“ - und wir glauben ihnen. Unbedingt.

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