FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

OG Keemo in einem Hausgang

Roberto Brundo

Best New Music

„Mann Beisst Hund“: Straßenrap-Kopfkino von OG Keemo

Der in einer Hochhaussiedlung in Mainz aufgewachsene OG Keemo präsentiert mit seinem neuen Album „Mann Beisst Hund“ ein wortgewaltiges Straßenrap-Konzeptalbum. Anhand von 3 Charakteren werden Themen wie zerbrochene Freundschaften, moralische Fehlentscheidungen oder Erwachsenwerden atmosphärisch miteinander verwoben.

Von DJ Phekt

Ganze eineinhalb Jahre hat OG Keemo gemeinsam mit dem Produzenten Funkvater Frank an seinem zweiten Album „Mann Beisst Hund“ gearbeitet. Der Entstehungsprozess dieser Konzeptplatte war so intensiv und anstrengend, dass zwischendurch eine Atempause zum Kraft tanken und Abstand nehmen nötig war.

Ein ungewöhnlicher Zugang, in der gegenwärtig schnelllebigen Zeit kuratierter Playlists und kurzer Aufmerksamkeitsspannen. OG Keemo „verlangt“ von seinem Publikum, in dieses Album einzutauchen, idealerweise in einem Hördurchgang, um der Geschichte der drei Charaktere Malik, Keemo und Yasha folgen zu können.

Storys aus dem echten Leben

Vögel und Hunde spielen nicht nur in den Skits und im Titel des Albums eine wichtige Rolle. In Interviews zur Platte meidet OG Keemo konkrete Erklärungen zu einzelnen Details der Songs. Die Hörer*innen sollen sich selbst ein Bild machen und die Story wie ein Buch oder einen Film wirken lassen.

Was man ohne zu spoilern verraten kann ist die Tatsache, dass alle drei Charaktere, um die es in „Mann Beisst Hund“ geht, etwas mit dem echten Leben von OG Keemo zu tun haben. Jede erzählte Story ist tatsächlich passiert. Nicht alles ist autobiografisch, manche Stories basieren auf Erlebnissen von Menschen aus seinem Umfeld.

Sprachgewaltig schlüpft der Rapper in die unterschiedlichen Rollen und lässt dabei manchmal offen, aus welcher Perspektive er konkret erzählt. Ist es der Kleinkriminelle Malik, der da spricht? Oder doch Keemo selbst?

Reflektierter Straßenrap

Noch nie zuvor hat deutschsprachiger Straßenrap so reflektiert geklungen. Die Meta-Ebene, die OG Keemo einfließen lässt, gibt den Handlungen der Personen eine neue Dimension. Hier werden Gewalt oder Verbrechen nicht nur glorifiziert, man erfährt unmittelbar auch die traumatischen emotionalen Konsequenzen jeder Handlung. Es geht um zerbrochene Freundschaften, Enttäuschungen, Erwachsenwerden, Gruppenzwang, Depressionen und moralische Fehlentscheidungen und deren Auswirkungen auf die eigene Existenz.

Im echten Leben hat OG Keemo seinem Hochhaus-Block in Mainz irgendwann den Rücken gekehrt und ist zu seiner Mutter nach Mannheim gezogen. Da war er Anfang 20 und hätte genauso gut tot oder im Gefängnis sitzen können, so wie manche seiner Freunde damals. Zum Glück hat er sich für Rap entschieden. Schon mit seinem Debüt-Album „Geist“ hat er geschickt Geschichten von der Straße mit reflektierten gesellschaftspolitischen Analysen vermischt, erzählt aus der Perspektive eines jungen afro-deutschen Künstlers, der so unfreiwillig kurzzeitig zum deutschen „Black Lives Matter“-Erklärer wurde. Eine Rolle, die er so nicht wollte. Genauso wenig mag er den oft wohlwollend gemeinten Vergleich mit dem US-Rapper Kendrick Lamar in Zusammenhang mit seiner Musik.

Ein Album wie ein Hörspiel

Bis auf wenige Ausnahmen wurde „Mann Beisst Hund“ komplett von Funkvater Frank vertont. Die Beats sind mal „kalt“, düster und „hart“ programmiert, dann wieder von knisternden, organischen Loops (z.B. das Sample bei „Töle“ das man vom Souls of Mischief-Klassiker „93 ’til infinity“ kennt) oder zur jeweiligen Geschichte passenden Sound-Effekten geprägt.

Einer der stärksten Songs des Albums ist „Vögel“. Der erzählende Protagonist reflektiert über sein Leben und diverse Entscheidungen, während er in einen Fahrstuhl nach oben steigt. Zum Ende des Songs springt er vom Hochhaus und man hört das Flattern seiner Kleidung im Wind, bevor der Song abrupt aufhört. Ein beklemmender Moment. Nicht der einzige der Platte.

„Ziller“ wurde ausnahmsweise nicht von Funkvater Frank, sondern von Minhtendo produziert. Den kennt OG Keemo noch aus der Zeit, als er als Support-Act von RIN auf Tour war, quasi die erweiterte musikalische Familie aus Bietigheim-Bissingen. Die einzigen Feature-Gäste, deren Stimmen auf „Mann Beisst Hund“ zu hören sind, sind Kwam.E, Gianni Suave und Sumpa.

OG Keemo ist ein beeindruckendes deutschsprachiges „Rap-Hörspiel“ gelungen, das mit großer Wahrscheinlichkeit in den Best-Of-Listen am Ende des Jahres landen wird. Erschienen ist die Platte via Chimperator.

Am 2.4.2022 wird OG Keemo - vorausgesetzt, dass es die Umstände erlauben - sein neues Album im Rahmen einer Tour im Wiener Flex live präsentieren.

mehr Musik:

Aktuell: