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Logic Video zu 1-800-273-8255

Logic / Youtube

Suizid-Prävention durch Musik

Ein Song, der Leben rettet? Was erstmal pathetisch klingt, ist seit Kurzem wissenschaftlicher Fakt. Laut einer im Dezember erschienenen Studie der MedUni Wien hat ein Lied des US-Rappers Logic tatsächlich Menschen vom Suizid abgehalten.

von Xaver Stockinger

„1-800-273-8255“, so lautet der Titel eines Lieds des US-Rappers Logic, das 2017 wochenlang auf den vorderen Plätzen der US-Charts rangierte. Und genauso lautet auch die Telefonnummer der Nationalen Hotline für Suizidprävention in den USA. Der Song handelt von einem jungen, schwarzen, homosexuellen Mann, der sich aufgrund von Diskriminierungen das Leben nehmen möchte. Er greift jedoch zum Telefon und wählt eben jene Nummer der Hilfs-Hotline. Dort wird ihm Hoffnung vermittelt, woraufhin er seine Meinung ändert und weiterleben möchte.

„Es handelt sich dabei um eine klassische Krisenbewältigungsgeschichte“, erklärt Dr. Thomas Niederkrotenthaler von der Abteilung für Sozial- und Präventivmedizin an der Medizinischen Universität Wien. Dort forscht man schon seit Längerem im Bereich der Suizidprävention und hat in einer aktuellen Studie untersucht, ob jener Song, der nach seinem Release enorme mediale Reichweiten erzielte, Auswirkungen auf das Suizidverhalten in der US-Bevölkerung hatte.

Die Studie ist im British Medical Journal erschienen und kann hier nachgelesen werden.

Thomas Niederkrotenthaler und sein Team blickten dazu auf jene Zeitperioden, in denen das Lied die meiste mediale Aufmerksamkeit auf sich zog und überprüften, ob es in diesen Phasen zu Veränderungen bei der Anzahl von Lifeline-Anrufen und bei der Anzahl von Suiziden kam. Das Ergebnis: In den Perioden nach dem Song-Release, sowie nach Auftritten von Logic bei den MTV Video Music Awards 2017 und bei den Grammys 2018 wurden 9.915 (6,9 %) zusätzliche Anrufe bei der US-Hilfs-Hotline verzeichnet. Gleichzeitig nahm die Zahl der Suizide in den USA um 245 (5,5%) ab. „Wir können also sagen, dass der Logic-Song mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Senkung der Suizidalität in der US-Bevölkerung geführt hat.“, erklärt Studienleiter Thomas Niederkrotenthaler.

Der Papageno-Effekt als life-saver

Den Grund dafür sehen die Studien-Autor*innen im sogenannten Papageno-Effekt. Dieser beschreibt den Umstand, dass durch einen gewissen medialen Umgang mit dem Thema Suizid – etwa durch die Erzählung von Bewältigungsgeschichten – Suizide verhindert werden können. „Bewältigungsgeschichten vermitteln Hoffnung. Sie können Menschen, die gerade Suizid-Gedanken haben, wieder Mut machen und ihre Suizidalität senken“, erklärt Thomas Niederkrotenthaler. Benannt ist der Effekt nach dem Vogelfänger Papageno aus Mozarts Oper „Die Zauberflöte“. Der will sich – liebeskummergeplagt – sein Leben nehmen. Durch den Rat dreier Knaben lässt er jedoch von seinem Vorhaben ab bewältigt seine suizidale Krise. Damit steht der Papageno-Effekt im diametralen Gegensatz zum weitaus bekannteren Werther-Effekt, bei dem es nach dem Suizid meist prominenter Personen zu Nachahmungen in der Bevölkerung kommt. Als sich etwa der Schauspieler Robin Williams im Jahr 2014 das Leben nahm, kam es in den drei Monaten nach seinem Tod in den USA zu 1800 Suiziden mehr als sonst.

Künstler*innen können in Krisen helfen

„Aus suizidpräventiver Sicht wäre es wünschenswert, dass Bewältigungsgeschichten viel häufiger Platz in den Medien finden“, erklärt Thomas Niederkrotenthaler. Derartige Geschichten würden nur selten genug Reichweite erzielen, um das Verhalten in der Gesamtbevölkerung zu beeinflussen. Kunstschaffende und Musiker*innen, die über große mediale Reichweiten verfügen, sieht der Mediziner daher in der Pflicht, mit dem Thema Suizid verantwortungsvoll umzugehen und Bewältigungsgeschichten öfters medial zu platzieren. Die Studie zum Logic-Song habe belegt, dass eine kreative Zusammenarbeit zwischen der medienwirksamen Unterhaltungsbranche und der Suizidprävention effektiv sein kann.

Logic, der selbst schon öfters mit Suizid-Gedanken gerungen hat, wollte mit seinem Song Menschen in ähnlichen Situationen Hoffnung geben. „Ich habe den Titel aufgenommen, als mir bewusst wurde, dass meine Musik eine echte Wirkung auf das Leben vieler Leute hat. Ich wollte ihnen helfen. Dass das gelungen ist, haut mich wirklich um.“

Bist du in einer verzweifelten Lebenssituation und brauchst Hilfe? Sprich mit anderen Menschen darüber. In Österreich erreichst du die Telefonseelsorge rund um die Uhr unter der Nummer 142.

Außerdem bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige. Unter www.suizid-praevention.gv.at finden sich weitere Kontaktdaten von Hilfseinrichtungen in Österreich. Insbesondere für Jugendliche gibt es die Website www.bittelebe.at.

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