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Fahnen alls Mitgliedstaaten vor dem EU Parlament

dpa/Lars Halbauer

Erich Moechel

Wie es mit der EU-Regulierung digitaler Dienste weitergeht

Der größte Widerstand gegen die Beschlüsse des Parlaments zur Kontrolle des internationalen Datenhandels ist aus Frankreich zu erwarten, das aktuell den Ratsvorsitz stellt.

Von Erich Moechel

Nach der Plenarabstimmung im EU-Parlament über die Regulierung digitaler Dienste werden nun die einzeln abgestimmten Änderungsanträge zu einer konsolidierten Version des Textes verarbeitet. Damit startet das Parlament in den Trilog mit Kommission und Ministerrat.

Die französische Ratspräsidentschaft hat eine zügige Abwicklung des Trilogs mit Beginn noch im Jänner angekündigt. Von Frankreich wird allerdings der größte Widerstand gegen eine ganze Reihe von Passagen erwartet, die das Parlament beschlossen hat. Dabei geht es um Auflagen für das Tracking der Benutzer durch die Internetkonzerne.

Dokumente zur EU-Regulierung digitaler Dienste

EU-Parlament

Für den Trilog, eine Art Schnellsiedeverfahren zum Abschluss von komplexen EU-Regelungen, werden bereits erste Daten kolportiert, nämlich der 31. Jänner, der 22. Februar und zwei Sitzungen im April. Von den Abläufen her könnte sich das sogar ausgehen. Die Beamten des EU-Parlaments haben mittlerweile schon eine vorläufige konsolidierte Version der Regulation erstellt. Sämtliche Änderungsanträge in alle Sprachen der Mitgliedsstaaten übersetzt finden sich auf dieser Übersichtsseite des EU-Parlaments.

Welche wichtigen Anträge angenommen wurden

Die Website der französischen Ratspräsidentschaft hat einen Tracker eines französischen Datenhändlers eingebunden, der auch an Google Daten weitergibt.

Eine von der Linken Fraktion eingebrachter Antrag, auf Tracking, individuellen Benutzerprofilen und unkontrollierter Datenweitergabe basierende Werbung zu verbieten, fand eingangs keine Mehrheit. So gut wie jedes europäische Unternehmen, dessen Umsätze direkt an Werbung im Internet gekoppelt sind, musste sich nämlich mit diesem von den großen US-Internetkonzernen und der damit verbundenen Werbewirtschaft diktierten Bedingungen einlassen. Die wichtigsten Änderungsanträge der „Koalition für Tracking-Freie Werbung“, eines losen Bündnisses von EU-Parlamentariern aus verschiedenen Fraktionen wurden dann allerdings angenommen. Die Amendments 498, 499 und 500 - von insgesamt etwa 700 Änderungsanträgen - räumen mit den übelsten Begleiterscheinungen personalisierter Werbung auf.

So dürfen User künftig nicht mehr erneut zur Akzeptanz von auf Tracking basierender Werbung genötigt werden, sofern sie das auf einer Website bereits abgelehnt haben. Ebenso sind entsprechende Einstellungen der Browser, die bisher einfach ignoriert wurden, von den Werbeunternehmen zu akzeptieren. Auch der Einsatz von sogenannten „Dark Patterns“, die ein Opt-Out der Benutzer erschweren, soll nach Willen des Parlaments nicht mehr erlaubt sein. Gemeint sind damit alle möglichen Tricks und irreführenden Angaben, um die Benutzer zur Einwilligung zu Datenweitergaben zu nötigen.

Dokumente zur EU-Regulierung digitaler Dienste

EU-Parlament

Änderungsantrag 499 schreibt etwa vor, dass die Benutzer einer Website von deren Betreibern auch informiert werden müssen, wie ihre personenbezogenen Daten monetarisiert werden. Die Ablehnung von Tracking muss genauso einfach möglich wie die Zustimmung zu diesen Methoden sein. Der nächste Änderungsantrag (500), der ebenfalls eine Mehrheit fand, verbietet gezielte Werbung, die sich an Kinder richtet. Eine Pflicht für die Betreiber, das Alter der Benutzer festzustellen, wurde vom EU-Parlament hingegen mehrheitlich abgelehnt. Die Tracking-Free Ads Coalition besteht aus Parlamentariern dreier Fraktionen, aus Österreich ist die EU-Abgeordnete Evelyn Regner (SPE) dabei.

Warum es Frankreich eilig hat

Seit vier Jahren blockiert der EU-Ministerrat die E-Privacy-Verordnung, die allen Tricksereien einen Riegel vorschieben würde.

Die Eile der französischen Ratspräsidentschaft, die Trilog-Verhandlungen möglichst schnell zu beginnen, hat mit der Ratspräsidentschaft selbst zu tun. Die läuft bekanntlich über sechs Monate und diese Zeitspanne plant die französische Regierung zu nutzen, um möglichst viele ihrer Vorstellungen in der Verordnung zu verankern. Auf der Website der Ratspräsidentschaft ist ein Tracker eingebunden, der zu einem französischen Datenhändler namens „AT Internet“ führt, einem Konzern, der in Europa im Wesentlichen dasselbe Geschäft mit denselben Methoden wie die großen Datenhandelskonzerne der amerikanischen Internetwerbewirtschaft praktiziert.

Mit Criteo verfügt Frankreich noch über ein weiteres, noch größeres Datenhandelsunternehmen, das ebenfalls nur darauf wartet, in die Domäne der führenden US-Internetkonzerne einzudringen. Solche Widerstände im Ministerrat gegen Einschränkungen sind auch aus anderen EU-Staaten zu erwarten, in denen namhafte Internetkonzerne niedergelassen sind, wie etwa in Schweden, wo der Streaming-Anbieter Spotify residiert. Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang natürlich Irland, wo beinahe alle führenden Internetkonzerne aus den USA niedergelassen sind.

Dokumente zur EU-Regulierung digitaler Dienste

Amnesty International

„Amnesty International hat seit langem auf die Gefahren von Überwachungswerbung hingewiesen, die heutige Abstimmung ist ein wichtiger Schritt dazu, die Rechte der Benutzer zu schützen“, heißt es auf der Website von Amnesty International, die allerdings fünf Tracker der Internetgiganten Facebook und Google eingebunden hat.

Ende-zu-Ende-Verschlüsselung im Text verankert

Insgesamt signalisiert dieses bemerkenswerte Abstimmungsergebnis des Europäischen Parlaments schon eine Richtungsänderung. Gerade einmal ein Jahr, nachdem die damalige deutsche Bundesregierung während ihrer eigenen Ratspräsidentschaft eine Mehrheit im Ministerrat für eine Resolution gegen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (E2E) gefunden hatte, hat das Parlament nun dafür gestimmt, E2E-Verschlüsselung gleich zweimal in der Verordnung für digitale Dienste zu verankern. Im Änderungsantrag 141 zum Artikel 7 der Regulierung heißt es dazu lapidar: „Die Mitgliedsstaaten sollen Diensteanbieter nicht daran hindern, Ende-zu-Ende-verschlüsselte Dienste anzubieten“.

Dieselbe Aussage findet sich auch in den Änderungsanträgen 25 und 517 und wird dort noch durch eine Begründung ergänzt. „Der effektive Einsatz von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist essentiell für das Vertrauen und die Sicherheit im Internet, weil nicht-autorisierter Zugang durch Drittparteien dadurch unterbunden wird.“ Für autorisierten Zugang durch Drittparteien, wie ihn Kommissarin Ylva Johansson im Rahmen der geplanten „Chat-Kontrolle“ für die Strafverfolger plant, gilt auf technischer Ebene im Wesentlichen Ähnliches. Diese Maßnahme würde die Kommunikationssicherheit aller Benutzer kompromittieren.

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