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Pressefoto "Die Discounter"

Pyjama Pictures GmbH/Manju Sawhney

„Die Discounter“: Comedy im Mikrokosmos Supermarkt

Die neue Amazon-Prime-Serie „Die Discounter“ bringt „The Office“ in den Supermarkt. Eine Mockumentary zwischen Tiefkühlregal, Lieferanteneingang und zweiter Kassa.

von Xaver Stockinger

„Feinkost Kolinski“, so der Name jenes schäbigen Supermarkts irgendwo in der norddeutschen Vorstadt-Einöde, der den Hauptschauplatz der neuen deutschen Comedy-Serie „Die Discounter“ bildet. Die Buchstaben fallen von den Wänden, die Überwachungskameras sind bloß Attrappen aus Klopapierrollen und auch die Arbeitsmoral mancher Angestellter ist nicht ganz frei von Makeln: „Fick den Supermarkt, wo du nur kannst“, so die goldene Regel einiger der dort Beschäftigten. Zwischen den Regalen wird geklaut, gevögelt und sehr viel prokrastiniert – für Comedy kein schlechtes Ausgangs-Setting.

Im Mittelpunkt der Serie stehen eben jene Mitarbeiter*innen des Discounters: ein Panoptikum herrlich überspitzter Figuren. Von der spaßbefreiten Streberin, die die Waren kontrolliert über das James-Dean-Lookalike-Großmaul an der Kassa bis zum schüchternen Sicherheitsmann, der eher an einen Embryo als an einen Security erinnert. Nicht zu vergessen: Der Filialleiter, der als völlig inkompetenter Chef an der Spitze dieser bizarren Belegschaft steht. Identifikationsangebot gibt’s also genug.

Erzählt wird „Die Discounter“ im Mockumentary-Format: Ein scheinbar unsichtbares Kamerateam hält in wackeligen Bildern das Geschehene samt Interviews fest – wie eine Doku eben, bloß ist alles Parodie. Neu ist dieses Konzept gar nicht: Erfolgreiche Serien wie „The Office“ und ihr deutscher Ableger „Stromberg“ etwa folgen demselben Prinzip: Weirder Chef mit weirden Angestellten, die für Lacher - meist aus der Kategorie Fremdschämen - sorgen. Wer auf diesen Humor steht und sich für die eine oder andere Pointe aus der Ficki-Ficki-Witzkiste nicht zu schade ist, der wird auch bei „Die Discounter“ fündig werden.

Lasst die Jungen ran!

Bemerkenswert ist, dass „Die Discounter“ das Werk von drei 22-Jährigen ist, die völlig unerfahren das komplette Drehbuch und die Regie gemacht haben: die Zwillinge Emil und Oskar Belton sowie Bruno Alexander. Der Produzent der Serie, Christian Ulmen – selbst aus Fremdschamparaden wie „Mein neuer Freund“ und „Jerks“ bekannt - hat das Talent der drei Jungspunde erkannt und ihnen bei „Die Discounter“ völlig freie Hand gelassen - Carte Blanche im Supermarkt quasi. Stellenweise spürt man die Unerfahrenheit der Macher. Manches wirkt zusammengeschustert, gewisse Szenen haben eher Youtube-Niveau. Paradoxerweise ist das aber auch die große Stärke der Serie: „Die Discounter“ lebt von Improvisation und einer „Einfach-mal-drehen“-Mentalität.

Pressefoto "Die Discounter"

Pyjama Pictures GmbH/Manju Sawhney

Der Cast, ein Traum

Dass dieser improvisatorische Zugang nicht in die Hose geht, liegt zu einem großen Teil an der sehr sehr gut gewählten Besetzung. Darunter etwa die Rapperin Nura, die sonst eher auf Hip-Hop-Bühnen zuhause ist. Ihre Rolle als rotzfreche Kassiererin, die sich gerne mal zwei Euro Trinkgeld aus der Kassa einsteckt und im Kühlraum ab und an Sex mit Lieferanten hat, spielt sie wahnsinnig glaubhaft. Sensationell gut ist auch Merlin Sandmeyer, bis 2019 Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater. Er spielt das rehäugige Security-Lulu derart fein und detailreich (sogar das Zucken seiner Augenlider ist präzise eingesetztes Mittel), dass in dem Riesenklamauk auch Momente rührender Tiefe entstehen. Marc Hosemann als Filialleiter brilliert mit norddeutscher Direktheit und steht seinen berühmten Vorgesetzten-Pendants – etwa Steve Carell aus „The Office“ - um absolut nichts nach.

Die Discounter: Zehn Folgen à 15 Minuten, seit 17. Dezember 2021 auf Amazon Prime.

Trotz dieser teils großartigen schauspielerischen Leistungen ist die Serie insgesamt so unperfekt wie der schäbige Supermarkt, in dem sie spielt, in dem die Mäuse unter den Regalen krabbeln und Ablaufdaten auf Produkten einfach überklebt werden. Wer diese Unperfektheit aber nicht als störenden Mangel, sondern als erfrischenden Charme liest, dem wird der kleine Discounter mit all seinen Weirdos sehr bald ans Herz wachsen.

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