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Skipisten in Yanqing, China in trockener Landschaft

APA/AFP/Leo RAMIREZ

Peking 2022: Die (un)nachhaltigsten Winterspiele aller Zeiten?

Die chinesische Regierung hat angekündigt, die Olympischen Winterspiele 2022 zu den nachhaltigsten Spielen der Geschichte zu machen, scheitert aber schon an den klimatischen Bedingungen.

Von Simon Welebil

Nachhaltigkeit ist ein breiter und dehnbarer Begriff, weshalb er auch so gerne von unterschiedlichen Seiten verwendet wird. Wenn das Organisationskomitee der Olympischen Winterspiele in Peking von Nachhaltigkeit spricht und ihn in einem Sustainability Plan vorlegt, dann meint es damit einerseits eine umweltfreundliche und ressourcenschonende Durchführung der Spiele, andererseits aber auch eine ökonomische Entwicklung der Region und das Vorhaben, die Bevölkerung zu einem gesunden Lebensstil und Wintersport zu animieren.

Die ersten Winterspiele mit 100% Kunstschnee

Doch bereits beim ersten Punkt tauchen große Probleme auf. Denn Peking und den anderen beiden chinesischen Orten, an denen die Olympischen Winterspiele stattfinden, Yanqing und Zhangjiakou, fehlt die entscheidende Zutat für Wintersport: Schnee.

„Das ist der 1. Standort, wo es überhaupt keinen natürlichen Schnee gibt. Von daher ist es besonders unnachhaltig“, sagt die Geografin und Hydrologin Carmen de Jong von der Uni Straßburg. 100% des benötigten Schnees müsse künstlich produziert werden, und zwar nicht nur für Pisten und Loipen, sondern auch für Sturzräume und Zufahrten.

Gleichzeitig ist das Gebiet eines der trockensten in ganz China. Das Wasser für die Beschneiung muss kilometerweit in die Berge transportiert werden und weil neben der Trockenheit auch viel Wind herrsche, benötigt man etwa die doppelte oder dreifache Menge an Wasser für die Beschneiung als in den Alpen. Schon jetzt leide die Gegend bereits unter extremen Wasserproblemen, „in Zukunft wird es zu direkter Konkurrenz zwischen Trinkwasser, Bewässerungswasser (für die Landwirtschaft, Anm.) und Schneiwasser kommen“, so de Jong.

Überdachter Eiskanal in Yanqing, China

APA/AFP/Leo RAMIREZ

Der überdachte Eiskanal in Yanqing

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Die Probleme mit dem Beschneiung waren dem Internationalen Olympischen Komitee schon vor der Vergabe der Spiele bekannt und werden auch in der Evaluation der Bewerbungen angeführt. Ein anderer problematischer Aspekt der Bewerbung wird darin allerdings falsch dargestellt. Die neu errichteten Skipisten und der Eiskanal in Yanqing liegen mitten im Naturschutzgebiet Songshan und nicht daran angrenzend, wie in der Evaluierung steht. Anstatt die Pisten woandershin zu verlegen, wurden einfach die Grenzen des Schutzgebietes anders gezogen. Die Landschaft, die durch die Errichtung der Sportanlagen total umgestaltet worden ist, wird der Erosion preisgegeben.

Aus all diesen Gründen bezeichnet Carmen de Jong die Spiele in Peking sogar als die unnachhaltigsten Winterspiele aller Zeiten, und das ist eine Aussage - wurden doch auch schon für die Vorgängerspiele im koreanischen Pyeongchang und im russischen Sotschi die meisten Sportstätten aus dem Boden gestampft. Da nutzen auch all die Beteuerung der Veranstalter nichts, nur nachhaltigen Strom zu verwenden und den ganzen CO2-Ausstoß der Spiele zu kompensieren, was ohnehin niemand kontrollieren könne.

Das große Problem dabei ist, dass die Zahlen fehlen. Es fehlen Zahlen zum CO2-Ausstoß während des Baus, während der Spiele und wie genau die kompensiert werden, wo der Strom herkommt und welche Firmen die erneuerbaren Energien produzieren. (Carmen de Jong)

Big Air-Schanzenanlage in Peking

APA/AFP/Noel Celis

Die Big Air-Anlage im Shougang Park in Peking direkt neben den Kühltürmen eines ehemaligen Stahlwerkes.

Nachnutzung von Sportstätten und Infrastruktur

Ein wenig anders sieht es aus, wenn man sich ansieht, welche Sportstätten in Peking bereits vorhanden sind. Das Olympia-Stadion der Sommerspiele von 2008, das berühmte Vogelnest, wird jetzt wiederverwendet, genauso wie die vielen Sporthallen. Statt Schwimmen, Turnen oder Basketball dienen sie jetzt als Sportstätten für Eishockey, Eiskunstlauf oder Curling. Robert Steiger, Geograph an der Uni Innsbruck, der sich viel mit nachhaltiger Tourismusentwicklung beschäftigt, macht Nachhaltigkeit auch an guter Nachnutzung von Sportanlagen fest. Wenn die gewährleistet sei, könne man auch den Bau neuer Sportstätten wie die Ski- und Langlaufanlagen argumentieren. Investitionsruinen, wie wir sie etwa von den Olympischen Winterspielen in Turin 2006 oder den Sommerspielen in Athen 2004 sollen in China keine entstehen: „China versucht mit diesen Spielen sehr stark, die Bevölkerung zum Wintersport zu bringen, vor allem zum Skifahren und zum nordischen Skisport. Deshalb werden auch sehr viele neue Skigebiete und Schneespielplätze errichtet. Inwiefern das funktionieren wird, werden wir erst in den nächsten Jahren sehen.“

Die Olympischen Winterspiel in Peking könnten jedenfalls eine Initialzündung für den Wintersport in China sein, so Steiger. Steiger, der sich mit einem internationalen Forschungsteam erst kürzlich angesehen hat, wie die Klimakrise in Zukunft die Ausrichtung Olympischer Winterspiele bedroht, sieht auch mit höheren Temperaturen das Potential für eine lange Nutzung der Skigebiete. China scheint wegen des kontinentalen Klimas und der tiefen Temperaturen im Winter recht resilient gegen die Klimakrise zu sein, was Schnee - und damit ist Kunstschnee gemeint - betrifft: „Wenn man genügend beschneien kann, dann ist ein großer Teil der chinesischen Skigebiete auch noch Mitte, zum Teil auch noch Ende des Jahrhunderts schneesicher.“ Für viele Skigebiete in den Alpen könne man das nicht mehr sagen.

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