Alte Streitigkeiten

Todor hat beobachtet, dass die Zukunft eine Geisel der Vergangenheit zu sein scheint. Eines davon ließe sich aber zumindest noch ändern.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Bulgarien blockiert den EU-Beitritt des Nachbarlandes Nordmazedonien. Der Grund dafür sind Streitigkeiten über die gemeinsame Geschichte und das kulturelle Erbe. Dieser Streit reicht bis ins Mittelalter. Die Bulgaren behaupten, dass der mazedonische Staat ein künstliches Konstrukt Stalins ist. Währenddessen sind die Nordmazedonier auf ihren Staat aus dem 10. Jahrhundert stolz. In Bulgarien verkauft man überall T-Shirts, wo Nordmazedonien als Teil Bulgariens abgebildet wird, in Nordmazedonien hingegen baut man riesige Denkmäler von antiken mazedonischen Kriegern. Menschen auf beiden Seiten der Grenze verstehen einander ohne Dolmetscher, trotzdem reden junge Leute meistens Englisch miteinander.

Diese Methode ist nicht neu – schon 2016 blockierte Kroatien die Beitrittsverhandlungen Serbiens. Wieder ging es um Geschichtslehrbücher. Ich habe einen Freund, der in Wien als Sohn einer kroatischen Mutter und eines serbischen Vater geboren wurde. Er hat immer stolz behauptet, dass er zwei Fremdsprachen spricht – Serbisch und Kroatisch. Wenn es aber um diese Streitigkeiten geht, spricht er am liebsten auf Deutsch, denn das bloße Erwähnen des Serbischen und des Kroatischen bringe ihm nur Schwierigkeiten.

Solche Streitereien gibt es aber nicht nur auf dem Balkan. Ich kenne einen Iren, der glaubt, dass jeder, der behauptet er sei Brite, sein Todfeind sei. Wenn ich ihn frage, warum er Briten so sehr hasst, erzählt er Geschichten über längst vergangene Zeiten. Bildreich berichtet er, wie die Briten die Lämmer und den Weizen seiner Vorfahren gestohlen haben. Währenddessen mäht er traurig, um zu zeigen, wie grausam das alles war.

Unsere Zukunft scheint eine Geisel der Vergangenheit zu sein. Die Vergangenheit lässt sich nicht ändern, mit der Zukunft können wir es aber wohl versuchen.