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Mitski: „Im Herzen war ich immer schon ein Goth“

Nach ihrem internationalen Indie-Durchbruch 2018 hat Mitski erstmal eine Pause von der Musik gebraucht. Nun ist die japanisch-amerikanische Künstlerin mit ihrem sechsten Studioalbum „Laurel Hell“ zurück, auf dem sie uns in dunkle Gefilde einlädt.

Von Michaela Pichler

„Let’s step carefully into the dark“, fordert eine ruhige Stimme auf, darunter wabert schon ein bassiger Synth-Sound, der sich später noch in dramatischen Harmonien türmen wird. So klingt „Valentine, Texas“, der Opener-Track von „Laurel Hell“, in dem Mitski ihre Arme weit ausbreitet und uns mitnimmt auf einen dunklen Trip. „Ich glaube nicht, dass ich besonders zur Dunkelheit hingezogen werde - die meisten Leute sind so, es kommt aber immer drauf an, wie sehr man es sich erlaubt, dieses Dunkle zu erkunden.“, erzählt die Songwriterin in einem Presse-Interview.

Mitski "Laurel Hell" Cover

Mitski / Dead Oceans

Mitskis sechstes Studioalbum „Laurel Hell“ ist via Dead Oceans erschienen. Im Frühling kommt die Songwriterin auch nach Europa auf Tour. Das Konzert im WUK in Wien ist allerdings schon ausverkauft.

Das Entdecken und Ausloten der dunklen Abgründe in einem Menschen war immer schon Hauptbestandteil von Mitskis Musik. Über Einsamkeit, Herzschmerz und Ablehnung hat die Wahl-New-Yorkerin die bittersüßesten Popsongs geschrieben. Mit dieser Formel wurde auch ihr letztes Album „Be The Cowboy“ ein internationaler Indie-Erfolg - inklusive Hit-Singles wie „Nobody“, ein Song, der einem die längste und beste Zeit als Ohrwurm durch die Gehörgänge spukt. Mitski landet auf Bestenlisten, in den Charts und auf Bühnen in Europa, Australien und den USA. Bis es schließlich zu viel wird und sie sich eine Auszeit vom Musikmachen auf unbestimmte Zeit nimmt. Auch diese Erfahrung bringt Mitski an düstere Orte, Bedauern und Unsicherheiten kommen hoch: „Ich habe eine Pause von dieser Arbeit gemacht, der ich so lange nachgegangen war. Ich habe meinen Traum verwirklicht und doch war es nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Abgesehen davor war ich immer schon ein Goth-Kid, obwohl ich nie wusste, wie man sich als Goth anzieht. Ich wusste nie, wo ich diese Klamotten herbekomme. (lacht)“

Acceptable in the 80s

Tief im Herzen war Mitski also immer schon ein Goth. Dass sich der wahrgewordene Traum vom Musiker*innenleben, der Erfolg und jahrelanges Tourleben in der Realität dann doch anders anfühlen, hält sie aber nicht vom Tanzen ab. Auf ihrem neuen Album „Laurel Hell“ greift Mitski deshalb umso öfter zum Synthesizer, inspiriert von einem ganzen Jahrzehnt. „Wir haben es während der Pandemie abgemischt, als sich alles total hoffnungslos angefühlt hat - nichts hat sich geändert, jeder Tag war gleich. Und wir brauchten einfach etwas zum Tanzen! Etwas, das sich wieder hoffnungsvoll und aufregend anfühlt. Und wir dachten, okay, welches Jahrzehnt war so? Die 80s natürlich!“

Die 1980er Jahre als nostalgischer Zufluchtsort, an dem auch schwierige Emotionen ihren Platz finden sollen. Egal ob Liebeskummer, Reue oder Trauer - Mitski heißt sie alle willkommen in ihrer dunklen Disco. Mal klingt das nach niederschmetterndem New-Wave, dann wieder nach großer Pop-Geste. Für den Sound hat sich Mitski wieder auf Altbewährtes verlassen und gemeinsame Sache mit Musikfreund und Producer-Partner in Crime Patrick Hyland gemacht. Der war auch schon auf den früheren Mitski-Alben als Produzent und Musiker mit von der Partie. Was das Songwriting angeht, hat die 31-jährige Solokünstlerin für einen Track aber auch die gewohnte Comfort-Zone verlassen.

Zum ersten Mal in ihrer Karriere schreibt Mitski einen Song gemeinsam mit einem Co-Writer: An „The Only Heartbreaker“ hat Dan Wilson mitgeschraubt, der als Co-Writer von Adeles „Someone Like You“ bereits in den Pop-Olymp eingegangen ist. Soundtechnisch lässt darin Kate Bush grüßen, während sich Mitski Gedanken über das Ende einer Beziehung macht. Sie inszeniert sich als Sündenbock – als die Person, die immer an allem Schuld ist, die immer die Fehler macht. Und da wären wir auch schon wieder bei diesen dunklen Orten in einer Menschenseele, die man normalerweise mühsam zu verstecken versucht. Manchmal kommt die hässliche Fratze aber dann eben doch raus. Mitski ist zum Glück schon bereit, um sich den inneren Dämonen zu stellen.

Ein Album zu machen, Musik aufzunehmen, ist für mich ein unglaublich verletzlicher Prozess, bei dem ich mir erlauben muss, schwach und hässlich sein zu dürfen.

Hinfallen, Aufstehen, Tanzen

Dieses Hinschauen auf die unschönen Spots in einem macht Mitskis Songwriting so markant. In ihren neuen Songs feiert sie auf große Weise das Ende von zwischenmenschlichen Beziehungen, von Träumen und von Zielen, die man vielleicht zu lange verfolgt hat. Mitski lässt los, atmet durch, regt sich zwischenzeitlich doch darüber auf, dass das alles eben auch furchtbar anstrengend ist, macht ein kleines Tänzchen, um die Situation dann am Schluss doch „einfach“ zu akzeptieren.

Angepriesen wurde ihr sechstes Studioalbum als Platte über Transformation. Das Endergebnis „Laurel Hell“ ist der Beweis, dass Lieder vom Scheitern nicht nur melodramatisch klingen können, sondern gleichzeitig auch noch tanzbar sein dürfen.

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