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Black History Month

„Zu oft gehört“ - Alltagsrassismen im Check

Auf ihrem Instagram-Kanal „Zu oft gehört“ dokumentiert die Wienerin Barbara Abieyuwa Alltagsrassismen in Form von Fragen und Kommentaren. Für den Black History Month erklärt sie die Problematik hinter einiger dieser scheinbar harmlosen Aussagen.

Von Melissa Erhardt

Der Black History Month auf FM4

Ein BPoC-Schwerpunkt zieht sich den ganzen Februar lang durch das FM4 Programm: u.a. stellen wir afroösterreichische Artists und deren Lebenswelten vor, beleuchten die Ursprünge von Techno, House und Reggaeton, erzählen über Black Hair in der Popkultur, berichten über die Debatte zu kolonialen Objekten in Österreichs Museen und diskutieren über die Grenze zwischen cultural appropriation und appreciation.

In den letzten Jahren hat sich in Debatten rund um Rassismus und Diskriminierung ein Begriff besonders hervorgetan: die Mikroaggressionen. Darunter werden alltägliche verbale oder nonverbale Äußerungen verstanden, die bei der Zielperson als übergriffig wahrgenommen werden. Der Unterschied zu offenkundigem, unverhohlenem Rassismus ist aber der, dass Mikroaggressionen oft unabsichtlich ausgesendet werden, und zwar mit bestimmten Fragen und Kommentaren.

Solche Äußerungen sammelt die Wienerin Barbara Abieyuwa seit Sommer 2020 auf ihrer Plattform „Zu oft gehört“, um so ein Bewusstsein dafür zu schaffen. „Ich möchte Personen, die von Rassismus betroffen sind, einfach dazu bringen, nicht mehr ruhig zu sein und die Dinge über sich ergehen zu lassen. Dass sie, wenn sie mitbekommen und fühlen, dass etwas offensichtlich rassistisch und diskriminierend ist, in der Situation auch was machen. Weil oft ist es halt so, dass wir ruhig sind.“

Barbara Abieyuwa

Barbara Minitta_Photography

Auf ihrem Instagram-Kanal „Zu oft gehört“ dokumentiert Barbara Abieyuwa alltägliche Rassismen.

Woher kommst du eigentlich?

Barbara Abieyuwa: Die eigentliche Problematik hinter dieser Frage beginnt schon mal damit, dass man sie in den ersten fünf Minuten eines Gesprächs hört. Wenn man dann zum Beispiel sagt, „aus Wien“, wird einem das nicht geglaubt. Man nimmt an, weil ich eine Schwarz gelesene Person bin, muss ich aus Afrika kommen.

Vielen Personen ist das unangenehm, weil sie das Gegenüber noch nicht so gut kennen und nicht einfach ihre ganze Familiengeschichte auspacken und erklären möchten, welcher Elternteil aus diesem oder jenem Land kommt. Eine weiße Person würde man nicht fragen: „Ja, aber woher kommst du denn wirklich?“ Wenn die Person sagt, „ich bin aus St. Pölten“, dann reicht diese Antwort. Man fragt nicht nach, ob die Urgroßeltern jetzt aus Ungarn waren oder aus Tschechien oder von sonst wo.

Wenn man die Person schon etwas besser kennt, kann man auch fragen: „Und wo liegen denn eigentlich deine Wurzeln?“ Ich glaube, dann würden viele diese Frage anders beantworten, weil man sich dann wohler fühlt.

Du sprichst aber gut Deutsch

Barbara Abieyuwa: Da muss ich schmunzeln, weil ich dieses „Kompliment“ häufig höre. Das ist halt wieder so ein Verlauf, der annimmt: Ich muss das irgendwo gelernt haben. Ohne zu wissen, dass meine Muttersprache Deutsch ist. Zudem macht es dich wieder zum anderen. Dieses Othering ist ein großes Problem: Du wirst zum Anderen gemacht und in der Gesellschaft gar nicht gesehen.

Ich wär auch gern Schwarz

Barbara Abieyuwa: Ich persönlich sehe es einfach nicht als Kompliment. Die Person, die diese Aussage tätigt, sieht vielleicht: Ok, Schwarze Personen sind cool, die Musik ist cool, man vibt gern dazu, aber man sieht einfach nicht den Struggle dahinter, wie wir in der Gesellschaft benachteiligt werden und welche Machtverhältnisse in den unterschiedlichen Lebensbereichen vorhanden sind.

Nur als Beispiel: Angenommen du hast jetzt von der Schule aus und du stehst einfach am Westbahnhof herum - und dann kommt die Polizei zu dir und du musst dich ausweisen, nur, weil du mit deinen Schwarzen Freunden zusammenstehst. Oft ist es uns nicht bewusst, warum wir zum Beispiel den Job nicht bekommen haben oder etwas nicht geschafft haben. In unserer Gesellschaft ist dieses „Du kannst alles schaffen, du musst einfach nur hartnäckig sein und viel dafür tun“ sehr stark verankert. Du machst auch alles. Aber eigentlich bekommst du es nicht, weil du einfach nicht privilegiert bist oder eine andere Hautfarbe hast. Das ist halt der echte Druck in der Gesellschaft, oft nicht gesehen und gehört zu werden.

Hast du in die Steckdose gegriffen?

Barbara Abieyuwa: Ich finde den Satz echt schlimm. Für viele Menschen sind es einfach nur Haare, aber für Schwarze Menschen steckt einfach viel mehr dahinter. Ich kann mich erinnern, ich habe früher in einer Agentur gearbeitet, und da hab ich Braids getragen für ein bestimmtes Fotoshooting. Und ich bin mit ihnen in die Arbeit gekommen und mein Chef und ein Kollege waren total erstaunt, dass ich mit denen in die Agentur gekommen bin. Mein Chef hat gemeint, ich schau aus wie eine Boxerin, und der Kollege meinte, ich muss mir jetzt gar kein Botox mehr spritzen.

Viele Personen, vor allem Schwarze Frauen mit einem dunkleren Hautton, trauen sich gar nicht, mit ihren Naturhaaren in die Arbeit zu gehen, weil sie eine andere Struktur haben als ich. Ich habe eher lockiges Haar - das wird von der weißen Mehrheitsgesellschaft, vor allem im Fashion-Mode-Bereich, auch als Schönheitsideal gesehen. Deswegen müssen wir da achtgeben.

Ich habe mir als Kind auch oft anhören müssen, ich schaue aus, wie Tingeltangel Bob oder man hat mir einfach so in die Haare gefasst, ohne dass man mich fragt, ob man in meine Haare fassen darf. Das sind ja meine Haare. Ich fasse ja auch nicht weißen Frauen in die Haare und sage: Wow, die sind so glatt, oh mein Gott! Also ja, vielleicht kann man der Person ein Kompliment machen und sagen: Deine Haare sind richtig schön. Das wird vielleicht besser wahrgenommen. Aber ob ich in die Steckdose gegriffen habe, impliziert ja eigentlich, dass meine Haare zu Berge stehen.

Das wird man doch wohl noch sagen dürfen

Barbara Abieyuwa: Wir sind alle rassistisch sozialisiert und diese Aussage zeigt mir einfach, dass du in deinem Lernprozess noch nicht so weit bist, wahrzunehmen, dass die Aussage jetzt nicht in Ordnung war. Es wäre schön, eine diskriminierungsfreie Sprache zu haben, denn für viele Menschen ist das sehr schmerzhaft, wenn man Wörter sagt, die rassistisch und diskriminierend sind. Dahinter verbinden sich auch Geschichten, schmerzvolle Geschichten, die Großeltern getragen haben, Eltern getragen haben und eine Person selbst tragen muss.

Der Rassismus befindet sich in unserer Sprache, in unseren Denkmustern, in den Medien, in unseren Büchern. Deswegen wäre es wichtig, dass wir uns dem bewusst sind und langfristig dafür sorgen, dass wir eine diskriminierungsfreie Sprache haben, dass wir einen kritischen Blick auf die Dinge haben und auch schauen: Wenn Schwarze Personen oder People of Color in den Medien vorkommen, wie kommen sie vor? Sind es begrenzte Rollen? Sind es wieder diskriminierende, rassistische, stereotype Rollen? Ist es wieder ein Film, wo eine weiße Person uns retten muss? Oder ist es ein Film, der uns ein schönes Gefühl vermittelt? Wo eine Schwarze Person mal etwas geschafft hat, den Triumph hat? Oftmals sind es halt leider Rollenbilder wie die Schwarze Frau als Putzfrau oder die Schwarze Frau als alleinerziehende Frau mit drei Kindern, und der Mann ist nicht da. Genau das wollen ja viele Schwarze Menschen und People of Color nicht sehen. Ich möchte das auch nicht andauernd sehen, das Leid und die Trauer, sondern ich will auch Empowerment, Feel-Good-Stuff sehen.

Wir sind jetzt an einem Punkt angekommen sind, wo wir wissen: Rassismus gibt es. Und jetzt müssen wir einfach schauen, dass wir gemeinsam an allen Strängen ziehen, damit wir auch langfristig eine Lösung finden.

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