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Mann trägt große Oscar-Statue auf der Schulter

dpa

12 Nominierungen für „The Power of the Dog“

„The Power of the Dog“ ist mit 12 Nominierungen der Oscarliebling des Jahres, dahinter gleich Denis Villeneuves Sci-Fi-Saga „Dune“. Goße Freude über die Nominierung von Kirsten Stewart („Spencer“) und Andrew Garfield („Tick Tick Boom“). Keine Nominierung für Lady Gaga und den österreichischen Film „Große Freiheit“.

Von Pia Reiser

Zehn Filme gehen bei der Oscarverleihung am 27. März 2022 ins Rennen um die Königskategorie „Best Picture“. Die größte Überraschung ist hier wohl die Nominierung für den kleinen Sundance-Hit „Coda“ über eine Tochter, deren Eltern taub sind. Ebenfalls heraussticht „Drive my car“, der Film von Ryusuke Hamaguchi war im Grunde auf allen 2021-Bestenlisten zu finden, aber dass die Oscars hier über die USA hinausblicken, passiert nicht allzu oft, nennen wir es mal den Parasite-Effekt. Auch überraschend, dass Guilhermo del Toros unerbittlich düsterer Film Noir „Nightmare Alley“ hier zu finden ist und auch Adam McKays Satire „Don’t Look Up“.

Szenenbild "Don't Look Up"

Netflix

„Don’t Look Up“

Die restlichen in der Kategorie „Best Picture“ wurden im Grunde in den letzten Tagen von allen bereits vorhergesagt: „Belfast“, „Dune“, „King Richard“, „The Power of the Dog“ und „West Side Story“. Wie immer gilt auch hier die Faustregel, dass nur die Filme aus der „Best Picture“-Kategorie, die auch in der Kategorie „Best Achievement in Directing“ zu finden sind, wohl ausgezeichnet werden. Als „Best Director“ sind nominiert: Kenneth Branagh („Belfast“), Ryusuke Hamaguchi („Drive my Car“), Paul Thomas Anderson („Licorice Pizza“), Jane Campion („The Power of the Dog“) und Steven Spielberg („West Side Story“). Campion und Spielberg waren schon einmal Oscar-Konkurrenten, damals nahm Spielberg für „Schindler’s List“ den Preis mit nach Hause, diesmal scheint Jane Campion als Favoritin ins Rennen zu gehen, da alle vier Hauptdarsteller*innen (Kodi Smit-McPhee, Kirsten Dunst, Jesse Plemons und Benedict Cumberbatch) des exzellenten Dramas „The Power of the Dog“ nominiert sind. Insgesamt 12 Nominierungen gibt es für diesen Film. Knapp dahinter, mit 10 Nominierungen, folgt schon Denis Villeneuves Weltraumballade „Dune“ - nur eben ohne einzige Schauspiel-Nominierung, das macht auch dann den Sieg in den „Best Picture"/"Best Directing“-Kategorien eher unwahrscheinlich.

The Power of the Dog

Netflix

„The Power of the Dog“

Als eher unwahrscheinlich hätte ich es allerdings auch eingeschätzt, den Filmtitel „Being the Ricardos“ zu hören, als die Nominierungen verlesen worden sind, der Film über Sitcom-Vorreiterin und Komödiantin Lucille Ball. Der Film von Aaron Sorkin war kein großer Erfolg und die Kritiken mehr als lau, doch JK Simmons, Nicole Kidman und Javier Bardem sind in den Schauspielkategorien nominiert. Das Ehepaar Bardem/Cruz kann heute feiern, denn Penelope Cruz ist für ihre Rolle in „Parallel Mothers“ nominiert - außerdem noch Jessica Chastain („The Eyes of Tammy Faye“ - ebenfalls eine Entscheidung nach dem Motto „Der Film war nicht gut, aber nominieren wir die tolle Hauptdarstellerin“), Olivia Coleman („The Lost Daughter“) und - juhu - Kristen Stewart für „Spencer“, und das, obwohl sie bei den Screen-Actors-Guild-Nominierungen leer ausgegangen ist.

Kristen Stewart als Diana im gelben Kostüm, schaut traurig. Eine Szene aus "Spencer".

Polyfilm

„Spencer“

Nächstes großes Juhu von meiner Stelle gibt es für die Nominierung von Andrew Garfield für seine Darstellung von Jonathan Larson im Spitzenmusical „Tick Tick Boom“, aber ich nehme an, Benedict Cumberbatch kann hier schon Platz machen im Regal für seinen ersten Oscar. Ebenfalls nominiert in der Kategorie „Best Actor“ sind Ciaran Hinds („Belfast“), Denzel Washington („The Tragedy of Macbeth“) und Will Smith („King Richard“). „King Richard“ erzählt die Geschichte von Richard Williams, dem Trainer und Vater von Serena und Venus Williams. Also nicht ganz klassisches Oscarkino, das auch noch in den Kategorien „Best Original Screenplay“, „Best Editing“, „Best Song“ nominiert ist - und Aunjanue Ellis in „Best Actress in a supporting Role“ für ihre Rolle der Mutter und Trainerin der Williams-Schwestern.

In der Kategorie „Best Supporting Actress“ finden sich neben Ellis und Dunst auch noch Judi Dench („Belfast“), Jessie Buckley („The Lost Daughter“) und Ariana de Bose („West Side Story“). Müsste ich jetzt grade eine Tipp abgeben, ich würde auf Ariana de Bose tippen, die in Steven Spielbergs „West Side Story“ die Rolle der Anita spielt - eine Rolle, für die Rita Morena bereits 1962 in der ersten Filmadaption der West Side Story einen Oscar bekommen hat. Moreno spielt auch in der neuen Fassung eine Rolle und ich glaube, die Academy hat ein goßes Herz für so ein „Full Circle“-Narrativ. Außerdem ist de Bose wirklich großartig, ein Tanz-und Singkapazunder. „West Side Story“ ist - wie „Belfast“ - in sieben Kategorien nominiert und steht ein bisschen für durchaus klassischeres Oscarkino.

Die - autobiografisch eingefärbte Geschichte einer Kindheit in Belfast und ein seit Jahrzehnten gefeiertes Musical von einem seit Jahrzehnten gefeierten Regisseur, das auch die Geschichte New Yorks ein wenig miterzählt. (Paradoxerweise startet Ende dieses Jahres dann „The Fablemans“, die persönlich gefärbte Geschichte einer Kindheit in New York von Steven Spielberg in den Kinos).

Filmstill aus "West Side Story" von Steven Spielberg

Disney

Ariana de Bose in „West Side Story“

Eine norwegische Rom Com, der Coming of Age-Film „The Worst Person in the World“ ist in der Kategorie „Best International Feature“ und „Best Original Screenplay“ nominiert. „Große Freiheit“ von Sebastian Meise findet sich nicht unter den nominierten Filmen in der Kategorie „Best International Feature“, neben „The Worst Person in the World“, finden sich hier „Flee“, „Drive my Car“, „Lunana: A Yak in the Classroom“ und mein Albtraumfilm „The Hand of God“.

Aus der von vielen erträumten Nominierung für Lady Gaga in „House of Gucci“ ist es nichts geworden, ebenso nichts aus mehr Oscarliebe für „Spider-Man: No Way Home“, der große 2021er Blockbuster ist nur in der Kategorie „Best Visual Effects“ nominiert.

Die Bekanntgabe der Nominierten war heute auffällig bodenständig, keine Zwangsglamourbeglückung wie sonst oft. Als Motto wurde movielovers unite ausgegeben und aus dem Elfenbeinturm der Academy of Motion Pictures Arts & Sciences hat man sich quasi rausbegeben und hin zu den movielovers und Säulen der Gesellschaft, und so wurden einige Nominierungen von Krankenhauspersonal, Feuerwehrleuten und Student*innen vorgelesen. Über Diversität kann man inzwischen bei den Oscars Witze machen, Tracee Ellis Ross meinte, sie und Co-Host Leslie Jordan stehen für Diversität, sie sei mit Moderna und er mit Pfizer geimpft.

Auffällig ist, dass nur drei der zehn nominierten Filme in der Kategorie „Best Picture“ im Jetzt spielen - letztes Jahr hatte man mit „Nomadland“ und „Promising Young Woman“ zwei großartige Filme, die sich mit sehr aktuellen Zuständen beschäftigten. „The Power of the Dog“ ist in seiner dezenten Inszenierung und einem Plot, der sich so schleichend und fies entwickelt, dass es auch sein kann, dass einem die Erkenntnis darüber, was hier passiert ist, erst nach dem Film einholt, einerseits kein klassischer Oscarfilm, durch die Starbesetzung und die Verwendung von Elementen aus klassischem Hollywoodkino wiederum doch.

Eine Dekonstruktion des Cowboys mit einem superen Cumberbatch, ein Hinterfragen von Genderbildern, die langsame Zerstörung einer fragilen Balance, das alles erzählt in hypnotischem Sog. Auch schön die beiden Gegenpole der Filme mit den meisten Nominierungen. Der eine spielt in der Vergangenheit voller Staub, Dreck, Schlamm, alles spielt sich im Grunde auf einer Farm ab. Ein Klavier wird schon als Wunder betrachtet. Und dann das Sci-Fi-Spektakel in der Zukunft, im All, auf mehreren Planeten, hoch technologisiert. Ein großer Cast versus ein Vier-Personen-Stück. Ein tosender Hans-Zimmer-Soundtrack versus das zittrig-nervöse Cellogezupfe von Johnny Greenwood. Und mittendrin Cumberbatch, der unheimlich den Radetzkymarsch pfeift. Wäre auch eine gute Showeinlage für die Oscarverleihung am 27. März, die dieses Mal wieder mit einem Host stattfinden wird.

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