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Hyperschallwaffen

CSIS - Center for Strategic and International Studies

Erich Moechel

Erste Studie zur Abwehr von Hyperschallwaffen erschienen

Als aussichtreiche Gegenmittel gelten weniger klassische Raktenabwehrsysteme, sondern leistungsstarke Mikrowellensender und Sperrfeuer von „Flak-Systemen des 21. Jahrhunderts“.

Von Erich Moechel

Im Rüstungswettlauf um hyperschallschnelle Projektile war bis jetzt fast ausschließlich von Angriffswaffen die Rede. Nun hat das Center for Strategic and International Studies eine erste Studie veröffentlicht, die sich mit der Abwehr von Gefechtsköpfen befasst, die mit vielfacher Schallgeschwindigkeit auf ihr Ziel zurasen.

Dafür wurde es auch Zeit. Nach Russland und China verfügt nun auch Nordkorea zumindest über flugfähige Prototypen. Nicht so die USA, deren Tests im Vorjahr allesamt gescheitert waren, obwohl seit Jahren Milliardenbeträge für die Entwicklung ausgegeben wurden. Alleine im zweiten Halbjahr 2021 waren 700 Millionen Dollar für den Hyperschallbereich budgetiert.

Hyperschallwaffen

CSIS - Center for Strategic and International Studies

Diese Grafik des CSIS Missile Defense Projects zeigt die Flugbahnen der verschiedenen Typen von Angriffskörpern. Herkömmliche ballistische Raketen fliegen eine Parabel, nach ihrer Erfassung durch gegnerisches Radar ist ihre Bahn vollständig berechenbar. Für Hyperschallflugkörper gilt das nicht, weil diese die Radarѕ großteils unterfliegen und bis zum Einschlag manövrierbar bleiben.

Vier unterschiedliche Hyperschallsyteme

Sowohl dieser Test eines Hyperschall-Marschflugkörpers wie auch alle weiteren des Jahres 2021 in den USA waren fehlgeschlagen.

Die gesamte Komplexität dieser neuen Waffengattung zeigt sich in obiger Grafik, man hat es nämlich nicht mit einem, sondern gleich mit mehreren Typen neuer Angriffswaffen zu tun. Das Akronym MaRV steht für „Maneuvering Reentry Vehicle“, das ist ein Gefechtskopf (lila), der von einer Trägerrakete weit hinaus ins All transportiert wird und im Zielanflug manövrierfähig bleibt. FOBS wiederum steht für „Fractional Orbital Bobardment System“ und bezeichnet ein Gefechtsvehikel, das aus einer Erdumlaufbahn abgefeuert wird. China hatte einen solchen Gefechtskopf, der aus einer Erdumlaufbahn auf sein Ziel zuflog im Sommer 2021 getestet. Auch dieser Flugkörper konnte bis zum Einschlag Manöver fliegen.

Diese beiden Typen von sogenannten „Glidern“ sind beinahe während ihrer gesamte Flugzeit auf den Radarschirmen sichtbar, ob ihrer hohen Fallgeschwindigkeit fliegen sie ohne zusätzlichen Antrieb und bleiben trotzdem manövrierfähig, bis ins Ziel. Die beiden anderen Typen folgen einem gänzlich anderen Prinzip und bleiben dadurch die meiste Zeit unter dem Radar. Sowohl die Cruise Misseles (HCM, grün) wie die Gleiter (HGV rot) fliegen relativ flache Bahnen, die Beschleunigung erfolgt nicht nur durch freien Fall sondern durch Turbinentriebwerke, die erst bei etwa dreifacher Schallgeschwindigkeit anspringen. Dann aber entfalten sie eine gewaltige Schubkraft und katapultieren den Gefechtskopf auf Geschwindigkeiten von Mach 10 und mehr.

Rakete

GreyTrafalgar

Ganz oben ist eine herkömmliche Flugzeugturbine, die Luft ansaugt, verdichtet und zündet. In der Mitte ist ein Triebwerk („Ramjet“), das schon nach ähnlichen Prinzipien wie die „Scramjet“-Turbine (unten) funktioniert. Anders als herkömmliche Jet-Turbinen haben diese Antriebe keine beweglichen Teile, benötigt wird lediglich ein gewaltigen Luftstau vor dem Einlass, der den Sauerstoff in die Brennkammer presst. Alle derzeit von Russland und China verbauten Antriebe für Marschflugkörper sind Hybride aus Ram- und Scramjet₋Turbinen. Weiters wird nur ein kleiner Wasserstofftank benötigt. Wikimedia | CC BY-SA 3.0

Eine „Flak des 21. Jahrhunderts“

Ende 2020 hatte die russische Fregatte Admiral Gorschkow zum ersten Mal einen Marschflugkörper auf ein schwimmendes Ziel abgefeuert, der dort laut offiziellen Angaben mit 9.000 Km/h eingeschlagen war.

Solch unglaublich schnellen Flugkörpern ist mit den bis jetzt üblichen Methoden der Raketenabwehr kaum beikommen. Zuallererst braucht es dazu ein neues satellitenbasiertes System zur Frühentdeckung der Starts. Zur Abwehr ist für die Autoren der Untersuchung nur ein Gesamtsystem aus völlig unterschiedlichen Technologien in der Lage. Dafür kommen adaptierten Versionen existierender Raketenabwehrsysteme wie etwa THAAD gegen ballistische Raketen bzw die Patriot-Systeme für den Nahbereich in Frage. Deutlich mehr Erwartungen setzen die Autoren auf andere Abwehrmittel, Marschflugkörperndie sich Schwächen der Hyperschallvehikel zunutze machen.

So bräuchte es eine Art „Flak des 21. Jahrhunderts“, also eine Geschütz zur Fliegerabwehr, das Sperrfeuer schießt. Wenn ein keilförmiges Objekt, eingehüllt in eine heiße Plasmablase von mehr als 2.000 Grad mit zehnfacher Schallgeschwindigkeit durch eine Wolke aus Metallteilen rast, scheint ein Abschuss aussichtsreich. Auf solche Kollisionen ist die Metallkeramik-Legierung des Flugkörpers nicht ausgelegt. Dazu werden leistungsstarke Mikrowellensender und Richtantennen als weiteres aussichtsreiches Abwehrmittel angeführt, um die Steuerungselektronik auszuschalten. Diese ultraschnellen Flugvehikel schlittern und hüpfen quasi wie eine Waschrumpel auf betonharter Luft entlang, das heißt, die Steuerungselektronik ist ständig gefordert, den Kurs zu korrigieren. Ebenso würde mit diesem Mikrowellen-Jamming auch der Empfang von Signalen der Navigationssatelliten lahmgelegt.

Text

U.S. Government Accountability Office

Wie aus dieser Grafik des Government Accounting Office (GAO) - also des US-Rechnungshofs - hervorgeht, sind von 2015 bis 2024 insgesamt fast 15 Milliarden Dollar für Erforschung und Produktentwicklung im Hyperschallbereich vorgesehen. Die jüngsten Auftragsvergaben der US-Streitkräfte im Bereich Hyperschall.

Noch immer Grundlagenforschung

Um den Rückstand der USA bei hyperschallschnellen Marschflugkörpern gegenüber China aufzuholen, wurden zwei konkurrierende Projekte an Lockheed und Raytheon vergeben.

Der weitaus größte Brocken unter den im zweiten Halbjahr vergebenen Aufträgen im Hyperschall ging an die Zulieferfirma Dynetics. Die knapp 480 Millionen Dollar, die in Tranchen bis 2027 ausbezahlt werden, fließen in Materialforschung und Prototypen von Hitzeschutzsystemen für Hyperschall-Flugkörper. Dass zwei Drittel der Gelder noch immer in reine Grundlagenforschung investiert werden müssen, sagt sehr viel - und nichts Gutes - über die Position der USA im Rüstungswettlauf um diese Waffengattung aus. Mit Hitzeschutzsystemen steht und fällt die Funktionalität aller Hyperschallwaffen, ob es nun bodennahe Systeme wie Marschflugkörper oder Raumgleiter sind, die aus einer Erdumlaufbahn gestartet werden.

In die Abwehr von Hyperschallprojektilen flossen hingegen nur 40 Millionen an Raytheon und Lockheed Martin, diese beiden Firmen scheinen übrigens auch als Sponsoren der CSIS-Studie auf. Drei Jahre nach dem spektakulären Flug des russischen „Avantgard“-Gliders, der Ende 2018 mit Mach 27 auf der Kamtschatka eingeschlagen war, hat sich also kaum etwas verändert, außer dass die USA inzwischen auch hinter China und sogar Nordkorea zurückgefallen sind. Alle drei Versuche im Jahr 2021, den Marschflugkörper-Prototypen AGM-183A von Lockheed Martin abzufeuern, schlugen fehl. Einmal lag es am Auslösemechanismus, zweimal hatte die Zündung des Raketenmotors den Dienst verweigert. Ein Datum für neue Tests im Jahr 2022 ist bis jetzt nicht bekannt.

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