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Cari Cari

Andreas Jakwerth

„Wir sind ja mehr so Steppenbewohner“

Cari Cari haben es unter die Top 5 Acts im Rennen um den FM4 Award beim Amadeus 2022 geschafft. Der Tarantino-Schmäh läuft immer noch.

Von Lisa Schneider

„I breathe down every day
I am lost, no place to stay
I walked the desert far too long
And I wonder where I belong“

Das ist der Stoff, aus dem Träume, Albträume und Western gemacht sind, es ist der Stoff der Jugend, der Sinnsuche und gleichzeitig der des American Dream. Es ist der Stoff der Band Cari Cari.

„Dear Mr. Tarantino“ heißt das oben zitierte Lied, es eröffnet die erste EP des Duos, sie heißt „Ameripippindunkler“ und erscheint 2014. Und auch, wenn der große Regisseur im Text gar nicht vorkommt, haben sie sich damit selbst eine Art signature story geschrieben. Alle lieben gute Geschichten.

Nominiert für den FM4 Award beim Amadeus 2022:

Ob es sie mittlerweile schon anödet, der Hinweis auf die Tarantino-Ästhetik, frage ich Cari Cari kürzlich, als sie im ORF RadioKulturhaus für ihre FM4 Radiosession gemeinsam mit dem Radiosymphonieorchester proben. „Wir sind selbst schuld“, lachen die zwei, „wir haben den Song ja damals direkt als Statement in Richtung Tarantino geschrieben, auf dass er vielleicht auf uns aufmerksam wird und wir mal Filmmusik für ihn schreiben können.“ Es muss sie auch gar nicht nerven. Nicht nur mit der Musik, sondern darüber hinaus ein Gesamtpaket zu entwerfen, ein Bild im Kopf, das hängen bleibt, ist eine für junge Bands nicht zu unterschätzende Möglichkeit.

Die weitere besteht darin, einen Sound zu erzeugen, den man hierzulande sonst vergeblich sucht. In diversen Artikeln über die Anfangsjahre von Cari Cari - rund um besagte EP-Veröffentlichung 2014 - stehen Dinge wie „bevor jemand in Österreich überhaupt von den beiden wusste“. Es ist Alexander Köck und Stephanie Widmer, die in diesen Jahren zwischen Melbourne, Hamburg und London unterwegs waren, nämlich gelungen, einen Song („White Line Fever“) im Soundtrack der US-Serie „Shameless“ zu platzieren. Den heimischen Durchbruch, wenn man so will, brachte die Single „Nothing’s Older Than Yesterday“, veröffentlicht 2017.

Im selben Jahr gewinnen Cari Cari im Rahmen des Waves Vienna Festival den damals neu ins Leben gerufenen XA Export Award. Der wird seitdem jährlich an den spannendsten Newcomer-Act der österreichischen Musikszene vergeben, verbunden unter anderem mit Toursupport im Ausland. Cari Cari haben zwar zuvor schon etwa in Australien getourt, Auftritte auf den großen, europäischen Showcase-Festivals haben sich für die Band dann aber 2018 und 2019 ergeben. 2018 erscheint begleitend dazu auch das Debütalbum „Anaana“.

Cari Cari spielen am Eurosonic Norderslaag in Groningen, wo die meisten europäischen Musikspürnasen nach den besten Nachwuchstalenten suchen. Sie spielen am ähnlich gearteten Great Escape Festival in Brighton, England, am Reeperbahnfestival in Hamburg, am Sziget Festival in Ungarn und dann schließlich, zur quasi Krönung, am Primavera Festival in Barcelona.

Barcelona, Parc del Forum, wo sich jährlich Anfang Juni die Zuckerspitze der weltweiten Musikwelt trifft, dort spielen Cari Cari neben Acts wie The Arctic Monkeys und Nick Cave (ein Song, den Alexander Köck gerne selbst geschrieben hätte: „Red Right Hand“). Gut, sie spielen auf einer Zwischenbühne direkt am Meer, aber waren da anfangs 40 Menschen im Publikum, waren es zu Ende des Gigs gute 5.000. Der italienische Rolling Stone hat diesen Auftritt als „die Festivalentdeckung des Sommers“ bezeichnet. Cari Cari schreiben eben Lieder, bei denen man ihm Vorbeischlendern und ohne voriges Wissen um die Band sofort hört, dass das nicht die hundertzwanzigste neue Gitarrenband ist.

Aber was macht die Musik von Cari Cari jetzt eigentlich so gut? Man kann das gut und gern am Lied „Mapache“ erklären, es ist eine Art Archetyp im Cari-Cari-Oeuvre, und es braucht nicht viel.

Da ist der Schlachtruf, da ist die Assoziationskette und die rattert unabhängig davon los, ob man den Begriff versteht oder nicht. Da wären wir wieder bei den allseits beliebten, guten Geschichten und beim Kopfkino.

Es ist ganz offenbar eine heiße Verfolgungsjagd, Kriegsgeschrei und Peitsche, alles hier ist Liebe, Hiebe und Intrige, am Ende wird mit dem Wolf getanzt. Gitarre und Schlagzeug rennen in lasziv-zorniger Atmosphäre um die Wette, knackig kurze Instrumentalpassagen borgen den Blues und Rock’n’Roll der 60er und 70er Jahre, und sie arbeiten mit einer Retro-Ästhetik, die dem polierten Popgeschehen der 10er Jahre entgegengesetzt ist.

Das Wort „zeitlos“ passt hier ganz gut. Das ist Musik, die Menschen gefällt, die früher gerne The White Stripes oder The Raveonettes gehört haben. Für die nach dem Niedergang des Indierock vor ein paar Jahren wenig Bemerkenswertes dabei war, für die, die es erdig und ungeschliffen und im Prinzip ganz schlicht mögen.

Cari Cari und FM4 - auch das ist schon eine lang anhaltende Freundschaftsgeschichte: mit „Summer Sun“ waren sie 2018 erstmals an der Spitze der FM4 Charts vertreten. Sie haben noch in den alten Studios im Funkhaus eine Soundpark Session gespielt, sie sind im Rahmen ihrer Private Sessions zu euch nach Hause gefahren, sie haben zum FM4 Geburtstag sehr prominent Beastie Boys gecovert, sie haben im Rahmen der FM4 Summer Sessions live auf einem Boot am für uns und für euch gespielt.

Die Kulmination all dessen war natürlich die schon erwähnte FM4 Radiosession, aufgenommen letzten Dezember im Radiokulturhaus, gemeinsam mit dem ORF Radiosymphonieorchester. Auch da hat sich ein Kreis geschlossen: Im ersten FM4 Interview haben sich Cari Cari selbst als „autodikaktische Dilettanten“ bezeichnet. Mit ähnlich selbstlosen Worten bedanken sie sich im Anschluss an die Livesession bei Dirigent Gottfried Rabl. Der schüttelt schmunzelnd den Kopf und sagt: „Es gibt das Faktum des „gebildeten Dilettanten“ von früher, aus dem 19. Jahrhundert. Das waren Leute, die keine professionellen, aber unglaublich gute Musiker waren. Also, wenn Dilettantismus, dann in diesem Sinne: gekonnteste Musikalität!“

Kurz vor der FM4 Radiosession haben Cari Cari schon mit einem anderen Orchester aufgenommen: Die Live-Platte „Cari Cari & Film Orchestra Babelsberg“ ist Ende 2021 erschienen.

Schon zum zweiten Mal sind Cari Cari jetzt unter den Top 5 Acts im Rennen um den FM4 Award beim Amadeus, das letzte Mal war das 2019.

Einmal noch Tarantino: „I want to top expectations. I want to blow you away.“

Wer soll den FM4 Award beim Amadeus 2022 gewinnen?

Am 29. April werden im Wiener Volkstheater die Amadeus Austrian Music Awards vergeben. Im Finale zur Wahl zum FM4 Award stehen Bibiza, Buntspecht, Cari Cari, Eli Preiss und Granada. Hier geht’s zur Abstimmung!

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