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Beach House Album "Once Twice Melody"

David Belisle

Best New Music

Beach House sind die AC/DC des Dream-Pop

Die Variation des Immergleichen als Erfolgsformel. Mit ihrem achten Album „Once Twice Melody“ nehmen uns Beach House aus Baltimore wieder mit auf eine Traumreise in den Jahresurlaub.

Von Christian Lehner

Wer beim Musikhören gern ein bisschen vor sich hindöst, ist bei dem Duo Beach House bestens aufgehoben. Seit über 15 Jahren liefern Victoria Legrand und Alex Scally aus Baltimore Traumstoff für die Ohren. Die Zutaten werden von Album zu Album leicht variiert, die Grundformel der rosa Wattebauschen ausstoßenden Traumfabrik bleibt aber gleich. Obwohl man sich der alternativen Musikszene zugehörig fühlt, fahren Beach House damit schöne Erfolge abseits ihrer treuen Stammkundschaft ein.

Mit Dream-Pop zu Streaming-Rekorden

So haben in der Vergangenheit ein gewisser Kendrick Lamar und ein bestimmter The Weeknd Beach House gebeten, ein bisschen von dem süßen Stoff sampeln zu dürfen. Das ist ein untrügerisches Zeichen dafür, dass hinter all dem vorgeschobenen Schein auch viel Sein in dieser Musik steckt. Und nackte Zahlen lügen nicht: Ein Stück wie der „Space Song“ aus dem Album „Depression Cherry“ (2015) notiert auf YouTube aktuell mit insgesamt 90 Millionen Views, bei Spotify stehen 340 Millionen Clicks auf der Habenseite.

„Hm, ja, der Song hat in den letzten Jahren ein Eigenleben entwickelt“, meint Victoria Legrand beim FM4-Video Chat dazu eher belustigt. Und zu ihrem musikalischen Partner Alex Scally gewandt: „Vielleicht sollten wir etwas machen mit dem Song, meinst du nicht?“

Beach House Album "Once Twice Melody"

Bella Union

„Once Twice Melody“ ist auf Bella Union erschienen. Hier geht es zum FM4-Interview-Podcast mit Beach House.

Seit der Bandgründung 2004 in Baltimore reifen Beach House-Songs nach demselben Prinzip. Da ist das stimmungsvolle Synth- oder Orgel-Intro, die Pille für die Stimmung. Dazu gesellt sich ein monotoner Beat eines alten Drum-Computers. Die einsetzende Gitarre zerlegt sedativ Akkorde. Nun gesellen sich noch mehr Synthie- und Orgelspuren dazu. Die Sonne geht auf oder unter. Der Sound schwillt an. Es steht etwas Großes bevor, aber es lässt sich Zeit. Schließlich erhebt sich die mal sonore, mal klare Stimme von Victoria Legrand über das Szenario und taucht sogleich tief in Schichten von Hall ein.

Das klingt auf dem Debütalbum „Beach House“ (2006) nach sympathischer Lo-Fi-Hüttenromantik in Neuengland, auf dem Durchbruchswerk „Teen Dream“ nach französischen Luftschlössern der Marke (Bel) Air und auf dem letzten Album „7“, mit seiner Gitarrenbetonung, nach Shoe-Gaze von der benebelten Insel, aber es klingt in erster Linie immer nach Beach House.

Der Titel „Once Twice Melody“ kann also als Mission-Statement gelesen werden. Und das Doppelalbum mit seinen 18 Songs als ein Überblickswerk über die bisherigen Variationen des immergleichen Themas. „Es ist das Verspielte, der Rhythmus, das gefällt mir an diesem Titel. Es geht um diesen wunderschönen und in Wahrheit sehr simplen Impuls des Kreativen. Du sitzt auf der Parkbank und plötzlich sind da überall Schmetterlinge. Zunächst lose Gedanken formen sich zu einer Idee “, so Legrand.

Beach House Album "Once Twice Melody"

David Belisle

Beach House 2022

Einen Reiz bezieht die Musik von Beach House aus ihrer uneindeutigen Stimmungslage. Ist das Melancholie, oder bereits Euphorie? Ennui oder Esprit? Ein Ja zu Liebe und Leben, oder Todessehnsucht? Ein Blick auf die Texte hilft nicht viel weiter. Oder doch. Es sind random Collagen aus dem Lehrbuch für Romantik, Geschmacksverstärker im Dienste der süßen Melodien, mehr Sound als Wort.

How sweet the sound
The swell of strings begins to rise
The stage is set
The painted stars they fill our eyes
This heart of mine
goes out of time - Song „Pink Funeral“

Und es bewegt sich doch! Mit dramatischer Geste setzen Beach House kleine Schritte und bewegen sich immer weiter in Richtung Unabhängigkeit. Für das neue Album haben sich die beiden in Baltimore ein Heimstudio eingerichtet. Alex Scally zupfte nicht nur an der Gitarre, er überwachte erstmals auch das Mischpult. Auch die Lo-Fi-Basteleien gehören der Vergangenheit an. Die Produktion ist top, Streicher durften Synthi-Spuren simulieren. Und weil man (auch Pandemie-bedingt) alle Zeit dieser Welt hatte, heckte man eine neue Release-Strategie aus.

Kreative Veröffentlichungsstrategie

„Once Twice Melody“ ist über einen Zeitraum von knapp drei Monaten digital in vier Kapiteln mit jeweils fünf bis sechs Songs erschienen. Seit heute Freitag gibt es das Doppelalbum als Vinyl, CD und Musikkassette.

Dazu Alex Scally: „Die Überlegung dahinter war: Wir machen so ein altmodisches Doppelalbum mit so vielen Songs in einer Zeit, in der die Aufmerksamkeitsspannen immer kürzer werden. Verbinden wir doch das Beste aus beiden Welten und geben den Fans die Möglichkeit, das Album nach und nach kennenzulernen. Außerdem konnten wir so noch an Stücken arbeiten, als bereits die ersten Songs erhältlich waren. Musik möglichst unmittelbar zu veröffentlichen, war schon immer unser Traum.“

Beach House Album "Once Twice Melody"

Shawn Brackbill

Beach House 2022

Der Song „Superstar“, mit seinem Abfall von Dur in Moll im ersten Vers, ist eine Hommage an den Film „Drive“ von Nicolas Winding Refn und ein bittersüßes Goodbye an die Dream-Pop-Kolleg*innen von Chromatics, die im Soundtrack vertreten sind, und die sich leider im vergangenen Jahr aufgelöst haben.

There’s a light going out tonight
Driving fast
Flashing lights
It’s too late now to say goodbye
The stars were there
in our eyes - Song „Superstar“

„Once Twice Melody“ ist wie der Jahresurlaub im bekannten Feriendomizil. Ein Höhepunkt der Gewohnheit. Das ist aber auch nicht das Schlechteste. Beach House sind große Meister des Dream-Pop-Gewerbes. Von ihren Hooks und Riffs kann die Konkurrenz bloß träumen. Insofern haben Beach House mehr mit AC/DC gemein, als ihnen vielleicht lieb ist.

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