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doppelfinger

Sophie Löw

fm4 soundpark act

doppelfinger ist unser FM4 Soundpark Act im März

Understatement und Gitarre: zwei gute Dinge, um damit Musik zu machen. Clemens Bäre aka doppelfinger ist unser FM4 Soundpark Act im März.

Von Lisa Schneider

Albumcover doppelfinger "by design"

Ink Music

Das Debütalbum „by design“ von doppelfinger erscheint am 18.3. via Ink Music.

Ihr habt vielleicht auch diesen einen Menschen in eurem Whats-App-Feed, der am liebsten zwei Dinge tut, um euch zu quälen: einerseits wäre da das durchgehende Nutzen von Großbuchstaben, gefolgt von der willkürlich gesetzten, beinah durchgängigen Flut an aneinandergereihten Frage- und Rufzeichen (Hände hoch, wem beim Anblick von: "!?!?!?!" der Puls nicht schneller wird). Man mag diese Menschen schon noch ein bisschen, spürt aber auch, dass sie einem mehr Energie rauben, als nötig wäre. Diese übervoll gepackten Chat-Verläufe erinnern an eh alles, was uns im großen, weiten Netz jeden Tag an Informationen, Werbungen oder aber auch Musik-Playlists entgegenspringt.

Es wäre schön, wenn jemand - ungeachtet dessen, ob er damit Erfolg hat, oder nicht - ein bisschen leiser ins Internet schreit. Der mittlerweile in Wien lebende Musiker Clemens Bäre veröffentlicht seine Lieder als doppelfinger, und er tut das erfrischend unaufgeregt.

Bleiben wir bei der Ruhe, der Zurückhaltung und dem, was man ohne all die religiösen Anhängsel auch als „Kontemplation“ bezeichnen könnte. Das sind ein paar der Dinge, die die Atmosphäre ausmachen, wenn Clemens Bäre einem gegenüber sitzt, ein junger (Mitte 20), fast ein bisschen scheuer Musiker, der nie vergisst, über sich selbst zu lachen.

2020 hat Clemens Bäre als doppelfinger seine erste Single veröffentlicht, sie heißt „trouble“. Er ist zuerst in Nieder- dann in Oberösterreich aufgewachsen, die ersten Lieder sind, frei nach Tradition, zuallererst Nachtkästchenschubladenlieder. Nach der so österreichisch-obligatorisch wie mühsamen Blockflötenausbildung hat Clemens Posaune gespielt, dann aber, im frühen Teenageralter, die Gitarre für sich entdeckt. Musik war zuhause immer ein Thema, aber ohne Verbindung zum Leistungsdruck. „Wenn ich mir alte Familienfotos anschaue, dann ist bestimmt auf jedem zweiten mein Papa zu sehen, bei irgendeinem Fest, wo er wieder seine Gitarre ausgepackt und gespielt und dazu gesungen hat - ob es die anderen wollten oder nicht“ lacht Clemens, dann dämmert die natürlich falsche Erkenntnis: „Oh Gott, ich hoffe, ich bin nicht mein Vater!“.

Dabei ist es offenbar ein toller Papa. Er liebt lange Autofahrten und Bruce Springsteen und auch, wenn Clemens der Boss-Phase mittlerweile entwachsen ist, kehrt er manchmal noch gerne zu den Hits zurück. Gemeinsam mit seiner guten Freundin, Musikerin OSKA, covert er neben Liedern von Father John Misty etwa auch „I’m On Fire“.

„Now I’ll just keep trying on my own“ singt Clemens also auf „trouble“, dem besagten, ersten Lied, das erst erscheint, als er schon in Wien lebt. „Es war so ein bisschen der Gedanke von: Ich kann eh nix verlieren, wenn ich jetzt einfach mal etwas rausbringe“. Im Gegenteil. Mittlerweile hat Clemens Bäre bei Ink Music unterzeichnet und wird auch davon abgesehen von einem engen Musikfreund*innenkreis unterstützt. Zum Release seiner ersten Single hat ihm etwa Jakob Herber von der Band FLUT geraten, er produziert sonst etwa auch für ANGER. Das grafische Design sowie seine Pressefotos hat Sophie Löw (CULK, Sophia Blenda) gestaltet, gemischt hat Sophie Lindinger (Leyya, My Ugly Clementine). Und ebenfalls mit dabei: Lukas Lauermann und sein Cello.

„Manchmal funktioniert ein Song nach der most basic Struktur, ganz einfach nur mit Gitarre und Stimme. Ich finde es so spannend, einen Song auf ganz heruntergebrochene Weise zu schreiben, ein Demo zu haben und dann zu fragen: Was braucht der Song noch? Weil der sagt dir eh meistens was er will und was nicht.“

FM4 Session

Clemens Bäre hat uns im Studio besucht und zwei Songs live gespielt: „a place to go“ und „quite alright“.

Der liebevolle Umgang mit der Kunst. Für Clemens Bäre ist ein Lied mehr als der Musiker, die Musikerin, ein Album mehr als die Summe der einzelnen Teile. Da muss er fast nochmal so schmunzeln wie bei Springsteen und Papa, als er zugibt: „Es ist ja eine typische Sache in der Folkmusik, Geschichten zu erzählen. Dylan hat was erlebt, und dann einen Song darüber geschrieben. Ich hab’ das, zumindest mit diesem Album, nicht gemacht. Ich hoffe - ich glaube! - es ist in Ordnung, wenn das Debütalbum noch eher mehr um den Menschen kreist, der es geschrieben hat.“ Mit großen Augen fügt er schnell hinzu: „Es war mir wichtig, mich mit diesem Album richtig grausig selbst zu durchleuchten, mich selbst zu kritisieren, festzuhalten, wie negativ ich oft in Bezug auf mich selbst - und generell auf alles - bin.“ Ein Album übers Ego, das keins ist. Wie war das? Erfrischend. Oder, wie Clemens Bäre am Song „how to hide“ singt: „I feel bad about every line I write.“

Im FM4 Gästezimmer stellt uns doppelfinger seine Lieblingslieder vor: Musik von Aldous Harding bis Randy Newman.

Clemens Bäre schreibt minimalistisch arrangierte Lieder, die all denen gefallen müssten, die sonst gern bei Oskar Haag, bei Adrienne Lenker und all ihren hervorragenden Projekten oder bei den ruhigeren Saiten von Phoebe Bridgers zuhören. Er selbst fügt als nicht unbedingt Vorbilder, aber große Inspirationsquellen gute Namen wie Aldous Harding, Adrienne Lenker oder - natürlich - Bob Dylan hinzu. Also alles Musiker*innen, die sich neben Leid, Liebe und der Unromantik des Alltags durchaus auch den Abgründen ihrer Seelenlandschaft widmen. „Auch, wenn das traurige Songs sind, ist im Endeffekt trotzem eine Emotion wichtig, die es nicht schwer macht, es nicht erdrückt“, sagt Clemens Bäre über sein erstes Album, es erscheint am 18. März und trägt den Titel „by design“.

„exposure“ heißt die instrumenale Eröffnungsnummer, und dann dürfen wir hineintauchen in den Kopf von jemandem, der sich selbst am strengsten beurteilt. Wieso, möchte man ihn manchmal fragen, wenn man leichtfüßig wunderbare Lieder wie „quite alright“, oder verwunschene Herbstmusikgedanken auf „seasonal affective disorder“ hört. Aber gerade das macht dieses Projekt doppelfinger einzig und aus, die Unaufdringlichkeit, die Ehrlichkeit, das endlich mal Nicht-Angeben.

Und obendrauf sogar auch ein bisschen Schmäh. Das Album schließt mit den Worten „oh I’ve learned / how to hide“, was die eingangs erwähnte Offenlegung ja wieder ein bisschen zunichte macht. Ein gutes Album ist ein physisches Produkt und unbedingtes Ziel einer jungen Musikkarriere, ist ein Kosmos, der in sich geschlossen ist. Ist wie ein gutes Buch: die Details sind für diejenigen versteckt, die sich auf die Suche machen wollen.

Am Ende unseres Gesprächs frage ich Clemens Bäre noch, wieso er sowohl seinen Künstlernamen doppelfinger wie auch alle Songtitel ohne großen Anfangsbuchstaben schreibt. Das ist natürlich nicht nur formal-schöne Spielerei oder gar hip, das ist Musik für Menschen, die sie satt haben, die Capitals und die Ausrufezeichen.

Wie gut das auch live funktioniert, kann man bald erleben: soeben hat doppelfinger seine Österreich-Termine bekanntgegeben:

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