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Charles Cave

White Lies: „As I Try Not To Fall Apart“

Das Londoner Trio White Lies und ihr sechstes Album „As I Try Not To Fall Apart“: Harry McVeigh, Charles Cave und Jack Lawrence-Brown kehren damit zurück zu ihren beiden ersten Alben, schlagen aber auch neue Wege ein.

Von Eva Umbauer

Ein gut gelaunter Harry McVeigh präsentiert sich im FM4-Interview. Er scharrt sozusagen wie ein Pferd voller Energie mit den Hufen, ist startbereit, die neuen Songs in die Welt hinauszutragen. Der Sänger der White Lies ist richtig gut bei Stimme und die neuen Songs haben es auch in sich, rocken zum Teil ordentlich. Harry McVeigh hat in den zwei Jahren seit dem Beginn der Pandemie zu Hause in London ein wenig Metal gehört, aber auch Stunde um Stunde am Klavier verbracht oder gar Schach gespielt. Von allem findet sich dann auch am neuen Album der White Lies etwas.

„As I Try Not To Fall Apart“ ist ein Albumtitel mit dem sich wohl viele identifizieren können. Das Schachspiel, das Metalhören oder die Zeit am Piano haben Harry McVeigh wohl davor bewahrt, nicht auseinanderzufallen. Er spielte viel Bach und Beethoven, Stoff, der ziemlich komplex ist, er verlangt Konzentration, da bleibt einem keine Zeit zum Nachdenken über schlimme Dinge. Einigen Freunden der White Lies ging es relativ schlecht, als sie Corona bekamen, aber zum Glück haben es alle letztlich unbeschadet überstanden.

„Am I Really Going To Die?“ nennen White Lies gleich den Albumopener, und dem letzten Song auf der Platte geben sie den Titel „There Is No Cure For It“. Die White Lies haben immer schon dunkle Themen in ihrer Musik gehabt, das macht die Band auch aus, gepaart mit dieser gewissen Euphorie, die die Songs der White Lies letztlich ausstrahlen. Das so erfolgreiche erste Album der Band aus Ealing im Westen von London hieß ja schließlich „To Lose My Life“.

Wenn die Band in zehn Jahren zurückblickt wird sie, laut Harry McVeigh, sicher Dinge entdecken im Album „As I Try Not To Fall Apart“, die der Pandemie zuzuschreiben sind, die Harry McVeigh, Charles Cave und Jack Lawrence-Brown jetzt hingegen gar nicht so Pandemie-bezogen sehen. So kommt der Grund dafür, Songs „Am I Really Going To Die?“ und „There Is No Cure For It“ zu nennen, ja eigentlich von einem Film. „Ivans XTC“ vom britischen Regisseur Bernard Rose, erschienen Anfang der 00er Jahre, ist ein faszinierendes Drama über das Sterben eines Menschen, basierend auf Leo Tolstojs Novelle „Der Tod des Iwan Iljitsch“.

Charles Cave sah den Film „Iwans XTC“ und schrieb daraufhin die Lyrics zu den Songs „Am I Really Going To Die“ und „There Is No Cure For It“. Bassist Charles Cave schreibt nach wie vor bei den White Lies die Texte und Harry McVeigh interpretiert sie meisterhaft, auch wenn er nicht immer genau weiß, wovon sie nun handeln. „They can be pretty wild and you never know where they come from, it just comes from all these different places and worms its way into his mind“, lacht Harry McVeigh. Von wegen Würmer: Im Song „Ragworm“ kaufen Kinder am Strand Würmer für Angelhaken und gehen damit Fischen, aber auch von einer Mutter ist die Rede, die Gerichte kocht wie sonst keine zweite. Der Track hat eine tolle Gitarre und etwas Sinfonisches an sich, und Harry McVeigh singt „These are dark times“.

Bei „I Don´t Want To Go To Mars“ geht es „lustiger“ zu. Es ist ein Stück, das durchaus etwas „silly“ ist, meint Harry McVeigh im Interview. So „silly“, also töricht oder albern, ist dieser Track aber gar nicht. Die White Lies zeigen sich hier von einer gesellschaftskritischen Seite. Sie zeigen Branson, Bezos und Musk den Stinkefinger. Es wird kein glamouröser Trip auf den Mars, wenn es tatsächlich einmal so weit sein soll, etwa weil die Menschen wegen dem Klimawandel nicht mehr auf der Erde leben können und deshalb auf den Mars auswandern müssen. Aber wir werden dort mit nichts ankommen, ist Harry McVeigh sicher, und müssen dort mühsam von vorne anfangen. Nein, die White Lies wollen gewiss nicht auf den Mars.

„Blue Drift“ ist ein Song über Depressionen, über die düsteren Gefühle, die einen überfallen: „Rain will fall“, und der Hund ist auch nie wieder zurückgekehrt. „This is my dog that never came home“, singt Harry McVeigh in diesem recht typischen White-Lies-Song.

Album Cover

PIAS

As I Try Not To Fall Apart“ von White Lies ist bei PIAS erschienen.

Am 7.Mai 2022 spielen White Lies in der Ottakringer Brauerei in Wien.

Es gibt aber auch eher Untypisches auf dem sechsten Album der White Lies, nämlich weißen Funk im Stil von David Bowie und seinem 1975er Album „Young Americans“, mit dem sich Bowie auf dem US-Musikmarkt behaupten wollte und mit dem er den Rock-Sound seiner bisherigen Platten verließ und stattdessen in Philadelphia mit US-Funk- und Soul-Musikern aufnahm. „Fame“ war einer der Songs aus diesem Bowie-Album. „Am I Really Going To Die“ heißt dieser White-Lies-Song mit dem fantastischen Bass. Er erinnert auch etwas an Franz Ferdinand.

Warmherziger geht es bei „Step Outside“ zu, einem ziemlich ungewöhnlichen Stück bei dem die White Lies von Stevie Wonder inspiriert waren. Es handelt sich um einen Track mit einem tollen Drum-Groove, der etwas Sommerliches an sich hat. Der Song geht auch ein wenig in Richtung Bee Gees und ihr „Staying Alive“-Album aus den 1970er Jahren. „Step Outside“ bringt einen dazu, die Straße runterzuspazieren und ein wenig mit den Hüften zu wackeln. Nice. Vorher reden wir aber noch über Metal.

Eigentlich ist ja Charles Cave der Metal Head bei den White Lies, aber auch Harry McVeigh steht darauf - er liebt die Musik obskurerer Metalbands genauso wie die frühen Metallica, Slayer oder Pantera. Bei Pantera schätzt er, wie sie es schaffen, mit einer einzigen Gitarre so viel zu machen, wenn die Gitarre ein Solo spielt, denn meist lassen Bands da die Rhythmus-Gitarre dazuspielen, nicht so Pantera. Kennt Harry die Version von Tori Amos von „Rain Of Blood“ von Slayer? Nein, aber er wird sie anhören.

Harry McVeighs allerliebste Metal-Band ist vielleicht die US-Band Mastodon, weil sie einen Touch Prog-Rock an sich hat. Auf den Prog(ressive) Rock der Siebziger stehen Harry und Charles auch sehr. Darum mögen sie auch Type-O-Negative von Peter Steele, die es durch den Tod ihres Frontmannes nicht mehr gibt. Die New Yorker Band, so meint Harry McVeigh, hatte einen sehr eigenen Humor und nahm sich nicht immer ernst. Ein Song am neuen Album der White Lies erinnert dann auch ein wenig an den Sound von Type-O-Negative, nämlich „Roll December“, ein fast sieben Minuten langes Stück mit tollem Drive.

„As I Try Not To Fall Apart“ von den White Lies liegt irgendwo zwischen Interpol, Metal, Progrock und 80s-Pop a la A-ha. Es wurde vom Briten Ed Buller (Psychedelic Furs, Suede, Pulp, etc) produziert und dem New Yorker Claudius Mittendorfer (Muse, Secret Machines, Weezer, etc) abgemischt.

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