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„Wenn ich wiederkomme“

Der italienische Autor Marco Balzano gibt in seinem Roman „Wenn ich wiederkomme“ einer rumänischen Arbeitsmigrantin und ihrem Umfeld in der Heimat eine Stimme. Fiktion wie aus dem Leben gegriffen. Bei La Fonte, dem italienischen Literaturfestival in Wien, liest Marco Balzano aus seinem Buch.

Von Eva Umbauer

„An jenem Morgen fuhr Angelica nicht in die Uni, sie setzte sich zum Lernen in die Küche. Gegen Mittag brachte uns Oma einen Teller überbackenes Gemüse. Meine Schwester und ich setzten uns einander gegenüber an den Tisch und aßen still. Ohne Papa blieb der Fernseher aus.“

Porträt des Autors

Gery Krischke/Diogenes Verlag

Am 26.2.2022 liest Marco Balzano beim Literaturfestival „La Fonte“ aus „Wenn ich wiederkomme“ im Odeon Theater. Aus der deutschen Übersetzung liest Dirk Stermann.

Jetzt ist auch noch der Vater fort. Er hat einen Job als Lastwagenfahrer angenommen. Zwischen Polen und Russland wird er Waren hin- und herfahren. Die Mutter von Manuel und seiner Schwester Angelica ist sowieso nicht hier, kommt nur selten, denn sie arbeit in Italien, zur Zeit in Mailand. Sie betreut hilfsbedürftige alte Menschen in ihren Häusern oder Wohnungen. Sie heißt Daniela und ist 24-Stunden-Pflegerin. Ihr Verdienst im Ausland sichert das Auskommen ihrer Familie in Rumänien.

„So, voller Staub und Spinnweben, war die Mansarde ein prima Sinnbild für geplatzte Träume und, natürlich, Familien. Dass Papa sich nun aus dem Staub gemacht hatte, kam auch nicht ganz aus heiterem Himmel, es war nur der Grabstein auf einer Ehe, die schon seit Jahren am Ende war, lange bevor Moma tat, was Dutzende Mütter aus Radeni und den umliegenden Dörfern vor ihr getan hatten.“

Wo bist du? - Weit weg!

Dadurch dass Daniela im EU-Ausland Geld verdient, kann sich ihre Familie in Rumänien ein wenig etwas leisten, auch hübsche Kleidung oder sogar angesagte elektronische Gadgets oder auch ein Studentenheimzimmer für Angelica, sodass diese nicht immer hin- und herfahren muss, aber welchen Preis zahlen sie für alles? Die Entfremdung?

Manuel hart schon gelernt, seine Wäsche selbst zu waschen, das ist das wenigste. Derweil grübelt seine Mutter Daniela in Mailand vor sich hin und quält sich mit immer wiederkehrenden Gedanken.

„Manchmal nahm ich die Straßenbahn und blieb bis zur Endstation sitzen, wo die Fahrer Pause machen. Oder ich ging in eine Kurzwarenhandlung und kaufte Garn und etwas Stoff und setzte mich auf eine Bank vor den Schaukeln, um zu nähen. Bis zum Abend saß ich da, wenn die Laternen angingen und die Lichter Schatten warfen. In den Grünanlagen sah ich Gruppen von Frauen, doch selbst wenn es Rumäninnen waren, ging ich nicht zu ihnen, ich schaute in die Bäume und trat nach Steinchen. Ich fühlte mich hässlich und war der festen Überzeugung, Filip habe eine andere gefunden...“

Buch Cover

diogenes

„Wenn ich wiederkomme“ von Marco Balzano ist bei Diogenes erschienen und wurde von Peter Klöss ins Deutsche übersetzt.

Fiktion, aber total real

„Wenn ich wiederkomme“ ist ein Roman, aber er liest sich wie eine wahre Geschichte. Wer schon einmal genauer mit der komplexen Thematik der 24-Stunden-Betreung konfrontiert wurde, wird bestätigen, genauso wie es Marco Balzano schreibt, ist es. Er setzt dieses Thema mit „Wenn ich wiederkomme“ ganz groß um und gibt den betroffenen Menschen, bei denen es sich vor allem um Frauen handelt, eine Stimme, genauso wie ihrem zurückgelassenen persönlichen Umfeld.

„Wenn ich wiederkomme“ ist die berührende Geschichte der rumänischen Arbeitsmigrantin Daniela und ihrer Angehörigen und Freund*innen. Fiktion wie direkt aus dem Leben gegriffen, einem Leben, von dem viele gar nichts wissen, dabei handelt es sich um Menschen, die zu den wahren Held*innen unserer Zeit gehören.

„Manchmal konnte ich meinen Blick von diesen Frauen, die im Kreis standen und sich unterhielten, nicht mehr abwenden. Ich sagte mir, stell dir mal vor, die würden streiken. Nicht einen ganzen Tag, nur eine Stunde. Alles stände still. (...) Vielleicht würden wir dann nicht länger so unsichtbar sein, verborgen in den Häusern.“

Als Manuel etwas zustößt, muss sich Daniela entscheiden: Bleibe ich weiter in Italien, oder kehre ich zurück nach Rumänien?

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