„Things Are Great“: Band Of Horses finden zurück zum Sound ihrer Anfangstage
von Eva Umbauer
Ben Bridwell wirkt beim FM4-Interview via Zoom ein klein wenig zerknautscht. Es ist vormittags bei ihm in Charleston, South Carolina im Süden der USA und die Kinder waren hier. Ben Bridwell teilt sich das Sorgerecht für die vier Töchter mit seiner Exfrau. Als wir das letzte Mal miteinander redeten, war gerade „Why Are You OK?“ erschienen. Das war im Jahr 2016 und Ben Bridwell sprach über seine Frau und die Kinder und wie gut alles laufe.
Der Albumtitel „Why Are You OK“ hatte mit einer der Töchter zu tun, sie hatte am Handy der Mutter herumgetippt und irrtümlich eine Message an ihre Lehrerin geschickt: Das Wörterbuch vom Handy formulierte aus den Herumtippseleien den Satz „Why are you OK?“. Schon war ein Albumtitel gefunden.
Irgendwann war dann nichts mehr OK bei Ben Bridwell, seine Beziehung wurde zu einem Albtraum. Die neuen Songs sind voll mit Erzählungen über das Scheitern der Beziehung, aber wie gute autobiografische Songs eben sind - sie bleiben nicht rein persönlich, sondern werden universell, etwa der Song „In Need Of Repair“.
Ben Bridwell brauchte eine Art Reparatur, Heilung. „Sitting in my usual chair...“, singt er in „In Need Of Repair“. Den Sessel gibt es nicht mehr, der Hund hat ihn zerfressen. Lucille ruht gemütlich am Sofa im Hintergrund, während Ben Bridwell mit FM4 zoomt. Lucille ist ein großer Hund, nicht mehr ganz jung, ein Pyrenäenschäferhund-Mix. Sie trägt zum Wohlbefinden von Ben Bridwell bei, genauso wie die Töchter - und die Musik, fast zwei Jahrzehnte nach der Gründung von Band Of Horses in Seattle, Washington.
Der Song „The Funeral“ am 2006 erschienenen Debütalbum von Band Of Horses, „Everything All The Time“, wurde rasch ein Underground-Hit und machte die Band via TV-Präsenz in einem Auto-Werbespot bekannt. Der Song war dann auch im Trailer zur britisch-amerikanischen Filmkomödie „Penelope“ mit Christina Ricci zu hören, sowie in der Premiere der neunten Staffel von „CSI“. Gitarrenpop irgendwo zwischen Indie-Folk, Alternative-Country und Southern Rock, der mitten in das Herz zielte.

Stevie and Sarah Gee
Dabei hatte Ben Bridwell erst gar nicht gewusst, dass er auch selbst als Musiker tätig sein könnte. Er wollte ursprünglich zum Radio und hatte ein eigenes Plattenlabel, auf dem er Bands veröffentlichte. Bei einer dieser Gruppen, Carissa’s Wierd, sprang er dann als Schlagzeuger ein, der Profi-Musiker Ben Bridwell war geboren. Seine Stimme ein wenig wie die von Neil Young, seine Gitarre wunderbar „sloppy“, wie er sagt, also „salopp“, oder auch „nachlässig“ oder „schlampig“. Das hatte etwas ganz Besonderes.
Er sollte bei den Songs von Band Of Horses wieder mehr selbst Gitarre spielen, anstatt das anderen zu überlassen, die es vielleicht besser können, aber weniger zur Identität von Band Of Horses beitragen, riet ein gewisser Wolfie Zimmermann seinem Kumpel Ben, als das neue Album entstand. Wolfie ist ein lokaler Musiker/Producer in Charleston, South Carolina. Es war der Vater von Ben Bridwell, der Ben auf Wolfie aufmerksam machte. Die beiden erschufen schließlich „Things Are Great“ miteinander.
Eigentlich hatte Ben Bridwell ziemlich schnell nach dem letzten Album schon am nächsten gearbeitet, mit Jason Lytle von der US-Band Grandaddy, und mit Dave Fridmann, der Bands wie Mercury Rev oder Flaming Lips produziert hat. Später begannen Ben und Wolfie praktisch von neuem, verwarfen Bisheriges oder änderten es. Den finalen Mix der Songs erledigte schließlich der US-Produzent Dave Sardy, der diesen gewissen großen Pop/Rock-Touch hineinbringt in die bittersüßen neuen Songs von Band Of Horses. Dave Sardy spielte selbst einmal in einer Band und half bei der Seattle-Band Helmet als Gitarrist aus.
Mit dem neuen Album von Band Of Horses war es auch an der Zeit für Ben Bridwell, etwas zurückzuschauen. Als er ein Teenager war, verließ Ben sein Elternhaus in South Carolina und ging nach Tucson, Arizona, wo er auf Mat Brook und Jenn Champion traf, beide waren ebenfalls Teenager und hatten eine Band namens Carissa’s Wierd. Gemeinsam zogen sie nach Seattle. Nach dem Aus von Carissa’s Wierd gründeten Ben und Mat in Seattle Band Of Horses und wurden vom legendären Sub-Pop-Plattenlabel, das der Musikwelt einst den Grunge gebracht hatte, unter Vertrag genommen. Seither hat sich das Line-Up der Band immer wieder geändert, auch für das neue Album.
Einer der neuen Songs, „Ice Night We’re Having“, handelt von Ben Bridwells Anfangstagen in Seattle, wo nun nicht mehr Grunge herrschte, sondern eine ganze Schar neuer, melodiöser, von Folk und Kammerpop inspirierter Bands die Stadt fest im Griff hatte. „Living in a car, sleeping on the ground, cash is short“, heißt es in „Ice Night We’re Having“.
In einem anderen Song, „Aftermath“, einer Art Zwilling zu „In Need Of Repair“, ist von Panikattacken die Rede. „I lost myself in the aftermath“ singt Ben Bridwell. Der Song „Crutch“ hingegen handelt von Wespen. „A lot of wasps on the wall“, heißt es im Text. Die Kinder von Ben Bridwell hatten Angst vor Wespen, die im Haus ein Nest hatten, aber wenn man die Tiere nicht provozierte, griffen sie auch nicht an, also durften sie bleiben, erzählt Ben Bridwell im FM4-Interview.
Es schien, Ben Bridwell war gerade ein wenig verfolgt von allerlei wilden Tieren. Nach dem Aus seiner Beziehung verbrachte er Zeit in einem an einem See gelegenen Ferienhaus eines Freundes in South Carolina. Er schrieb dort gerade den Song „Crutch“, als kein Wasser mehr aus der Leitung kam. Also holte er mit einem Eimer Wasser aus dem See, um den Spülkasten der Toilette zu befüllen, aber der See war gerade voller kleiner Wasserschlangen, die Ben mit dem Eimer in das Haus trug. Im Song „Crutch“ geht es unter anderem um allerlei „addictions“.

Stevie and Sarah Gee
„Things are great“ von Band of Horses ist am 04.03.2022 bei BMG erschienen.
Der Albumtitel, „Things Are Great“, klingt ein wenig so, als ob sich Ben in den letzten Jahren selbst Mut zugesprochen hätte. Hat er auch, und eine Therapie hat auch geholfen. Aber eigentlich kommt der Titel „Things Are Great“ von einem Roadtrip, den die Band of Horses im Jahr 2007 zusammen mit dem Schriftsteller Pat McGuire und dem Fotografen Brantley Gutierrez für eine Coverstory des US-Magazins Filter an der Küste von Zentral-Kalifornien unternommen haben.
In diesem Roadtrip geht es um die Missgeschicke, die sie gemeinsam in der Stadt Coalinga erlebten. Die Geschichte führte zu einer dauerhaften Freundschaft von Ben Bridwell mit McGuire und Gutierrez, die beim Song „Coalinga“ nun Musik beisteuerten und auf dem Stück sogar Gitarre spielen. Eine Zeile aus dem Feature im Magazin wurde letztlich zum Albumtitel: „Things Are Great“.
Das sechste Album von Band Of Horses ist eine epische Gitarrenpop-Platte mit einem gewissen Punk-Rock-Spirit geworden. Letzteres ist gut zu hören bei „Lights“, aber es gibt auch von Blues Inspiriertes, nämlich den Song „Hard Times“. Bridwell hat zuletzt auch ein wenig mit Beats herumexperimentiert, das hören wir bei „You Are Nice To Me“ ein wenig, und vielleicht mehr davon dann beim nächsten Album seiner Band Of Horses. Jetzt genießen wir erst einmal „Things Are Great“, das wie aus einem Guss gefertigt ist. Ben Bridwell sitzt wieder fest im Sattel, die Pferdchen galoppieren wieder.
Publiziert am 07.03.2022