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Erich Moechel

Immer mehr Nachrichten via Kurzwelle für die Ukraine

Die aktuellen Frequenzen von BBC, ORF und Polskie Radio für die Ukraine: Warum 40.000 Volt gebraucht werden, um die Sendungen über monströse Antennen in Richtung Ukraine on the Air zu bringen. Reminiszenzen an den Kalten Krieg.

Von Erich Moechel

Während in der Ukraine Sendeanlagen unter Beschuss stehen, haben die BBC, der ORF und Polskie Radirekt Sendungen in das Kriegsgebiet aufgenommen. Polskie Radio nutzt dafür seine große, alte Langwellenstation, der ORF strahlt seit 1. März mit 300 Kilowatt Leistung dreimal täglich Nachrichtenbulletins auf Kurzwelle Richtung Ukraine. Ganz Ähnliches macht die BBC.

Diese Programme können mit einfachen Radios empfangen werden, aufgrund der gewaltigen Sendeleistungen sind Störungen kaum möglich. Da Funk via Kurzwelle völlig anders funktioniert als heute gebräuchliche Funktechniken, wird hier erklärt, wie die Signale aus dem Kurzwellenpark Moosbrunn über die Ionosphäre in die Ukraine kommen. Und warum es dazu Spannungen von 40.000 Volt, monströse Antennen und die Ionosphäre braucht.

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Wie dieses stammen alle Bilder in diesem Artikel von der ORF-Sendertochter ORS, die sämtliche Ausstrahlungen über den Antennenpark Moosbrunn durchführt. Das ist die logarithmisch-periodische Richtantenne, deren Elemente so dimensioniert sind, dass damit auf allen Rundfunkbändern von 6 bis 21 MHz gesendet werden kann. Für die Ukraine werden die Frequenzen 6.155 KHz (tagsüber) und 5.940 (Abend) genutzt, die Sendezeiten sind an die OE1-Journale angelehnt. In Österreich selbst sind die Sendungen für die Ukraine hingegen kaum bis nicht zu hören (siehe unten). Die BBC sendet derzeit Zweistundenbulletins von 15 bis 17 Uhr (15.735 kHz) und 21 bis 23 Uhr auf 5.875 kHz für die Ukraine.

Ein Steilstrahler für die Ukraine

FM4 Radio hat hier einen aktuellen Überblick über die Kommunikationskanäle in und rund um den Ukrainekrieg zusammengestellt.

Die News werden von der OE1-Redaktion produziert und vom Zentrum Küniglberg nach Moosbrunn überspielt, die gesamten Anlagen dort werden ferngesteuert. „Für das Zielgebiet Ukraine haben wir diese Logperiodic im Einsatz, denn die strahlt steiler als die Vorhangantennen“ sagte Ernst Vranka, Frequenzmanager und Stationsleiter des Antennenparks, der von ORF-Sendertochter ORS betrieben wird. Da diese Richtantenne nicht nur drehbar, sondern auch der Abstrahlwinkel einstellbar ist, kann damit regelrecht gezielt werden. Man funkt eine vorher berechnete Zone in der Ionosphäre an, von der die Kurzwellensignale dann genau auf das Zielgebiet Ukraine reflektiert werden.

Da die Ukraine für Kurzwellenverhältnisse sehr nahe ist, sollte es ein relativ steiler Erhebungswinkel sein. Damit ist die gesamte Sendeleistung auf das Staatsgebiet der Ukraine und ihre Umgebung konzentriert, das verspricht hohe Signalstärken beim Empfang und macht die Sendungen damit unempfindlich gegen Störsender. In Österreich selbst sind die Sendungen für die Ukraine hingegen wegen der starken Richtwirkung der Antenne kaum bis nicht aufzunehmen. „An sich könnten unsere Sender 500 KW leisten, wir fahren sie aber nur mit 300, um die Senderöhren zu schonen“, sagte Ernst Spitzbart, technischer Leiter des Antennenparks.

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Dieses 300 Tonnen schwere Gerät fährt auf Schienen und ist um 180° drehbar, die beiden Trägertürme sind fast 100 Meter hoch. „Mit dieser Antenne würden wir weit über die Ukraine drüberstrahlen“, sagte Ernst Vranka. Als Flachstrahler wird diese Vorhangantenne für weiter entfernte Zielgebiete, also den Interkontinentalverkehr eingesetzt. Moosbrunn wird nämlich seit Jahren vor allem als Relaisstation genutzt, die Sendekapazitäten werden an andere Rundfunkstationen meist halbstundenweise oder länger vermietet (siehe unten). Dadurch wurde und wird die Erhaltung dieses monumentalen Sendeparks während der letzten 20 Jahre finanziert.

Equipment aus dem Kalten Krieg

Seine überproportionale Dominanz in der Informationssphäre im Netz, TV und Radio hatte Moskau binnen der ersten drei Kriegstage schon verloren.

Wie die Antennen stammen auch die Sender noch aus dem Kalten Krieg und müssen ständig gewartet werden. Wenn diese von außen unscheinbaren grauen Riesenschränke auf Sendung gehen, bricht in ihrem Inneren nämlich ein elektromagnetisches Inferno los. Der Sender benötigt Spannungen von bis zu 40.000 Volt, Richtung Antenne fließt Wechselstrom von mehreren Tausend Ampere, der in diesem Fall mit 6 Millionen Hertz (=MHz) getaktet ist. Alle von solch brutalen Stromflüssen belasteten Komponenten müssen deshalb wassergekühlt werden. „Hier lässt sich nur noch berechnen, messen kann man nicht mehr, weil es für solche Dimensionen keine Messgeräte mehr gibt“, sagte Ernst Spitzbart und fügte hinzu: „Und hoffen, dass man sich nicht verrechnet hat.“

Wenn nämlich diese Signale über die großdimensionierte Speiseleitung an die Antenne kommen, muss die exakt auf die Frequenz abgestimmt sein. Ansonsten käme ein Teil dieser Leistung wieder zurück zum Sender, was fatale Folgen haben könnte. Wie alle anderen Komponenten in Moosbrunn sind die Sender seit 40 Jahren in Betrieb, Ersatzteile sind daher rar und werden laufend teurer. Moosbrunn ist eine der ganz wenigen Großsendeanlagen in Europa, die aus dem Kalten Krieg übriggeblieben sind. Die Deutsche Welle hatte hingegen ihre noch größere Anlage in Jülich 2010 abgewrackt und verschrottet. „Wir hatten uns in Jülich noch mit Ersatzteilen eindecken können, um unsere Sender weiter am Leben zu erhalten. Die Deutsche Welle hatte nämlich denselben Sendertyp von Thomson wie wir gefahren“, so Spitzbart weiter.

Empfangsbestätigung Kurzwelle Moechel

Erich Moechel

Im Kalten Krieg war Radio Kiew auf 5920 kHz - also knapp unterhalb einer ORF-Frequenz - neben Polskie Radio unter den Radioenthusiasten im Westen die beliebteste Ostblockstation. Aus Kiew wie auch aus Polen kamen eigene Programme, die sich im Wording von reinen Propagandasendern wie Radio Moskau oder Radio Frieden und Fortschritt wohltuend unterschieden. Heute sendet Polskie Radio über eine Langwellenstation, deren maximale Sendeleistung bis zu 1.000 Kilowatt beträgt, täglich von 10 bis 17 Uhr auf 225 Kilohertz in ukrainischer Sprache. Auch grenznahe UkW-Stationen übernehmen offenbar dieses Programm.

Reminiszenzen an den Kalten Krieg

Aktuell dazu in ORF.at

Die Aussagen von Außenminister Lawrow über die „angebliche Neutralität“ Österreichs vom Samstag hatten eine entschiedene Replik der Bundesregierung zur Folge.

Für die weitere Verbreitung der Deutschen Welle nach dem Ende von Jülich wurde (nicht nur) in Russland Sendezeit bei regionalen UKW-Senderketten angemietet, um die abgewrackte Kurzwelle zu ersetzen. Diese Ausstrahlungen in Russland sind seit Freitag nun Geschichte, als das neue russische Medienzensurgesetz in Kraft trat, das sogar das Wording von Nachrichten über den Ukrainekrieg vorschreibt. Am Samstag zogen ARD und ZDF deshalb ihre Korrespondenten aus Moskau ab. Die Töne, die Wladimir Putin und Sergei Lawrow jetzt anschlagen, sind praktisch ident mit den Wordings der Kommentare von Radio Moskau der 70er Jahre.

Auf die Nachrichten zur vollen Stunde, die einigermaßen neutral gehalten waren, folgte stets ein Kommentar, der die Position Moskaus mehr als deutlich machte. Und zu der gehört, dass Russland Nachrichtensendungen aus demokratischen Staaten für Länder, die als russisches Einflussgebiet angesehen werden, oder gar Sendungen für Russland selbst als „Einmischung in innere Angelegenheiten“ bewertet. Paradoxerweise gilt das besonders für Nachrichten, die wie jene von ORF und BBC über Kurzwelle ausgestrahlt werden. Die Armeen der Ukraine wie auch Russlands sind - wie alle Armeen - reichlich mit Kurzwellengeräten ausgestattet, die für die eigene Kommunikation benutzt werden. Und nirgendwo ist der Bedarf für verlässliche Nachrichten höher als in einem Kriegsgebiet. Wie schon im Kalten Krieg wird unter dem Publikum, das mit diesen Aussendungen erreicht wird, ein weit überproportional hoher Anteil an militärischen Zuhörern sein.

Antennen

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Diese Quadrantenantenne ist ein Rundstrahler, der ganz Europa gleichmäßig ausleuchten kann. Wie alle anderen Anlagen wird auch diese an Kunden wie die BBC, Adventist World Radio und andere vermietet. Nachts sind auf 6.155 derzeit Programme für Europa in chinesischer Sprache zu hören.

„Das Ende des Antennenmasts“

Am Höhepunkt des Kalten Kriegs wurden von Radio Österreich International (RÖI) noch täglich 80 Stunden Sendungen in drei Sprachen produziert, die auf verschiedenen Frequenzen ausgestrahlt wurden. In den Folgejahren wurden die Mittel und damit die Sendezeiten immer mehr reduziert, bis RÖI unter der Regierung Wolfgang Schüssel 2003 schließlich aufgelöst wurde. In dieser Situation ergriffen die Techniker der ORS die Initiative und begannen, Moosbrunn zu einer Relaisstation umzufunktionieren und Sendezeiten an andere Radiostationen zu vermieten.

Bis jetzt konnten die Kosten für die Instanderhaltung des Antennenparks von den Erlösen aus dem Relaisgeschäft einigermaßen abgedeckt werden, doch in absehbarer Zeit sei „das Ende des Antennenmasts erreicht“, sagte Vranka, der für die kaufmännischen Agenden zuständig ist. „Wir fahren ja seit Jahren auf Verschleiß“, sagte Spitzbart „nur die Senderöhren werden von einer Spezialfirma in den USA runderneuert, ansonsten warten und reparieren wir vom Sender bis zu den Antennen ja alles selbst.“ Doch nun gingen auch die Ersatzteile aus Jülich langsam zu Ende, die Beschaffung von neuen Komponenten werde teurer und sei aus den Erlösen immer schwieriger zu decken.

Epilog

Da Radiowellen keine Grenzen kennen, sind diese Sendungen nicht nur in der Ukraine, sondern auch im benachbarten Weißrussland ebenso gut zu empfangen und sie kommen auch noch in Moskau an. Das könnte mit ein Grund gewesen sein, warum der Diplomat Lawrow ausgerechnet gegenüber Österreich eine solche Tonart angeschlagen hat.

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