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Manuela Mandl springt mit dem Snowboard auf der Freeride World Tour

Freeride World Tour / Dom Daher

„Die Chance, als Sportlerin auf einem Cover zu landen, ist sehr gering“

Die Studie „Genderbalance in der Sportberichterstattung“ hat ein massives Ungleichgewicht zwischen Präsenz und Inszenierung von Sportlerinnen und Sportlern in österreichischen Medien jetzt erstmals belegt. Ansätze, um das zu beheben, sind vielfältig.

Von Simon Welebil

Schlägt man den Sportteil einer Zeitung auf oder sieht Sportnachrichten im Fernsehen, kann man schnell den Eindruck bekommen, dass es da fast nur um Sportler und kaum um Sportlerinnen geht. So ist es auch Anja Schmidt jahrelang ergangen, die mit ihrem Verein Exploristas Frauen durch Outdoorsport bestärken will. In Gesprächen mit Leuten aus dem Medienbereich aber auch aus der Wirtschaft ist dieser Eindruck aber stets kleingeredet worden. Schmidt wollte sich damit aber nicht zufriedengeben und hat deshalb eine Studie mitinitiiert, die von der Medienanalytikerin Maria Pernegger durchgeführt wurde. Über einen Zeitraum von 13 Monaten wurden sechs große Tageszeitungen mit relevantem Sportteil, von der Krone bis zur Tiroler Tageszeitung, die ORF-Sendungen „Sport am Sonntag“ und „Sport Aktuell“ und relevante Social Media Sportkanäle untersucht.

„Genderbalance in der Sportberichterstattung

Die komplette Studie von Maria Pernegger und der Agentur Media Affairs über Präsenz und Inszenierung von Sportlerinnen und Sportlern in österreichischen Medien gibt es auf der Website des Sportministeriums als Download.

Massives Ungleichgewicht in den Medien

Die Hard Facts der Medienstudie zeigen ein massives Ungleichgewicht in der Sichtbarkeit von Sportlerinnen und Sportlern. Im Printbereich sind 12% des Sportberichtanteils über Sportlerinnen, 88% über Sportler. Auf den Titelseiten der Sportberichterstattung zeigt sich das Missverhältnis noch deutlicher, sie sind mit 94% fast ausschließlich für Sportler reserviert. „Das heißt, die Chance, als Sportlerin auf einem Cover zu landen, ist sehr gering“, fasst es Anja Schmidt zusammen.

Ein bisschen besser sieht’s im Fernsehen aus, in Sport aktuell und Sport am Sonntag liegt der Anteil von Frauen an der Berichterstattung bei 18%, im Social Media Bereich der Social Media Sportkanäle deutlich schlechter, mit 7%. Die Corona-Pandemie hat den ohnehin schon niedrigen Frauenanteil noch weiter gedrückt, auf unter 5% in TV und Print und unter 2% auf Social Media im Juni und August 2020, auch weil nach dem Lockdown große Sportligen bei den Männern den Spielbetrieb wieder aufgenommen haben, während Frauen weiter pausieren mussten.

Anja Schmidt springt mit Ski über einen Felsen

Shades of Winter, C. Oberschneider

Anja Schmidt beim Freeriden

Nicht nur weniger, sondern auch: andere Berichterstattung

Die Studie zu Genderbalance in der Sportberichterstattung hat aber nicht nur betrachtet, wie oft Frauen vorkommen, sondern auch, wie sie vorkommen und dargestellt werden, und dabei auch Unterschiede zu Männern herausgefunden:

Es ist so, dass Profisportlerinnen achtmal häufiger sexualisiert dargestellt werden als Sportler, und dass Trivialisierung bei Sportlerinnen 13 mal eher passiert, so eine Verniedlichung wie die ‚Pistenflöhe‘ und die ‚flotte Franziska‘" (Anja Schmidt)

Auch die Art der Inszenierung ist anders. Männer sind eher in Actionszenen zu sehen, Frauen in Posen ohne Sportbezug. Die Berichte zu Sportlerinnen unterscheiden sich außerdem im Text-Bild-Verhältnis zu jenen von Sportlern. Männer haben einen höheren Anteil an Bildberichterstattung, wobei man wissen müsse, dass Bildberichterstattung für Sponsoren viel wertvoller ist, erklärt Schmidt.

Was das für Sportlerinnen bedeutet, weiß Snowboarderin Manuela Mandl, 2018 Weltmeisterin auf der Freeride World Tour und eines der Rolemodels von Exploristas. Sie nennt das Ungleichgewicht in der Berichterstattung einen Teufelskreis: „Jetzt gibt’s schon weniger Frauen, die Sport machen, weil es weniger Vorbilder gibt und weil es vielleicht historisch schwächer ist. Dann hab’ ich weniger Sponsoren und weniger Reichweite - dadurch habe ich umgekehrt wieder weniger Frauen die Sport machen, weil sie es nicht sehen und mitkriegen. So schließt sich der Kreis und es ist eine große Aufgabe, da eine Verbesserung zu bewirken.“

Manuela Mandls eigene Wirkungsstätte, die Freeride World Tour sei einerseits Vorbild, weil die Preisgelder für Männer und Frauen gleich hoch sind, doch auch hier gibt es noch Verbesserungsbedarf. Es gibt für Frauen zum Beispiel viel weniger Startplätze als für Männer und dementsprechend weniger Sichtbarkeit.

Von Diversität bis Quoten

Es gibt verschiedene Ansätze, wie man die ungleiche Situation der Berichterstattung verbessern könnte. Mehr Diversität ist etwa ein Ansatz, und zwar einerseits in den Redaktionen - die Studie zeigt nämlich, dass Sportjournalistinnen viel häufiger Beiträge mit Frauen machen als deren männliche Kollegen -, diese Diversität könnte man eventuell auch über Quoten herstellen. Diversität sollte aber auch bei der Auswahl der Sportarten zunehmen. Denn jene Sportarten, die in Österreichs Medien dominant sind, Fußball, Tennis und Motorsport, sind Sportlerinnen in der Berichterstattung total unterrepräsentiert. Einzig der Skisport bildet hier eine Ausnahme - und auch hier hat etwa Katharina Liensberger als Doppelweltmeisterin 2021 signifikant weniger Berichterstattung als Doppelweltmeister Vincent Kriechmayr. Die Sportarten, über die weniger berichtet wird, haben einen höheren Frauenanteil.

Anja Schmidt hat schon vor einiger Zeit Schritte gesetzt, um etwas zu verändern. Der Verein Exploristas, den sie zusammen mit Regina Wohlgenannt ins Leben gerufen hat, fußt auf drei Säulen: Sie wollen mehr Frauen und Mädchen für den Outdoor-Sport begeistern, zunächst mit all-Female Events im Bereich Freeride, Mountainbike + Klettern; sie wollen weibliche Rolemodels im Outdoor-Sport sichtbar machen und sich gegenseitig unterstützen und eben die Medienpräsenz von österreichischen Sportlerinnen erhöhen.

Warum ist uns Sichtbarkeit wichtig? Weil diese Sportlerinnen, die wir unterstützen, als inspirierende Vorbilder eben nur als Vorbild wirken können, wenn sie auch sichtbar sind. Da gibt es diesen schönen Spruch „You can’t be what you can’t see“ oder oder positiv formuliert „If she can see it she can be it“. (Anja Schmidt)

Die von Exploristas initiierte Studie ist jedenfalls breit rezipiert worden. Das Problembewusstsein sei in den Redaktionen durchaus vorhanden. Ihre Ergebnisse haben natürlich auch zu mancher Abwehrhaltung geführt, aber das sei nachvollziehbar, bei so eindeutigen Ergebnissen, meint Anja Schmidt. Sie ist jedenfalls optimistisch, dass sich in Zukunft etwas verändert, „vor allem, weil wir jetzt die Grundlagen haben. Es liegen die Zahlen am Tisch, daraus können sich eigentlich nur positive Entwicklungen ergeben.“

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