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Menerva Hammad

DarSalma

Menerva Hammad muss es sich nicht erlauben lassen, Feministin zu sein - auch von anderen Feminist*innen nicht

Hotelmama. So heißt Menerva Hammads Blog, wo der Name aber noch lange nicht das einzige Programm ist. Die Mutter von zwei Töchtern ist ganz ausdrücklich nicht nur das, sondern Journalistin, Autorin, bekennende Muslima, angehende Sexualpädagogin und Feministin. Dabei will sie sich von niemandem erzählen lassen, das passe nicht zusammen.

Von Aischa Sane

Feminismus für wen?

Menerva lacht viel und gerne, kommentiert vieles mit einem charmanten Mix aus typischem Wiener Schmäh und ägyptischer Freundlichkeit. Ständig geht ihr eine sarkastische Bemerkung oder ein witziges Wortspiel über die Lippen, ohne dass es im Gespräch jemals unangenehm wird. Wenn ihr etwas auf die Nerven geht, sagt sie das aber geradeheraus. Das muss sie nicht hinter einem Lachen verstecken. Was zum Beispiel nervt: Menschen erlauben sich aufgrund ihres muslimischen Glaubens Schlussfolgerungen über ihr Leben. Nicht selten. Und da wählt sie klare Worte:

„Ein Feminismus, der Menschen die aktiv sind ausschließt, ist halt einfach für mich keiner.“

Sie möchte Feminismus für alle machen - vor allem für muslimische Women of Colour, denen aufgrund ihrer religiösen Überzeugung das Potenzial zur Emanzipation abgesagt wird. Diese Bevormundung kennt auch Menerva allzu gut. 2014 war sie im Burkini auf dem Cover der biber Zeitschrift zu sehen. Damit war sie die erste Burkini-Träger*in, die je auf der ersten Seite einer österreichischen Zeitschrift zu sehen war. Das war damals befremdlich und das ist es heute anscheinend noch immer: Die Selbstverständlichkeit mit der Menerva ihren Hijab trägt, verwundert. „Wir haben in einem Land wie in Österreich zum Beispiel nicht einmal die Freiheit, unserem Kopftuch selbst eine Bedeutung zu geben. Wir müssen darauf warten, dass das wer anderer uns erklärt.“

Die Wienerin, die mit ihren Kindern und ihrem Mann in Abu Dhabi lebt, macht’s aber trotzdem. Sie erklärt ihr Kopftuch nicht, wenn sie keinen Bock darauf hat. Stattdessen bringt sie auf den Plattformen, die sie nutzt, alles andere zusammen: Sie schreibt seit sechs Jahren darüber, dass es nicht immer nur Spaß macht, zweifache Mutter zu sein, auch wenn sie ihre Töchter liebt. Sie bietet Schreibworkshops für FLINTA Personen an und lässt sich dabei für ihre Arbeit bezahlen, unbeirrt davon, dass das Einige nicht nachvollziehen können. Und sie redet über weibliche Sexualität, thematisiert ihre eigenen Erfahrungen, aber bietet als angehende Sexualpädagogin auch Beratungen an. Vor allem für muslimischen Frauen, weil’s sonst fast niemand macht.

#RamadanBeiMir und #ItsCalledHijab

Menerva Hammad

DarSalma

Menerva hat sich eine „feine, kleine“ Community auf Instagram geschaffen. Dort heißt sie kakaotschifrau, weil sie lieber Kakao als Kaffee trinkt. Und wenn sie Lust hat, dann spricht sie mit ihren 12,1k Follower*innen gerne über den Islam. Mit den Hashtags #RamadanBeiMir und #ItsCalledHijab hat sie zwei Serien geschaffen, die ihrer Community eine Möglichkeit bieten soll, miteinander Austausch zu kommen. Dabei beleuchtete sie zwei signifikante Aspekte ihres Glaubens: den Fastenmonat Ramadan und das Kopftuch.

Mit #ItsCalledHijab untersucht Menerva nicht nur ihr eigenes Verhältnis zu dem Kopftuch, sondern vor allem das anderer Frauen. Es geht um solche, die es nach einem langen Kampf tragen können, aber auch um jene, die es abgelegt haben. Gleichzeitig schreibt Menerva über Frauen, die zum Islam übergetreten sind, erzählt aber auch von solchen, die den Glauben verlassen haben. Duality. Und darum soll’s auch gehen: „Ich will, dass ein Dialog zwischen Frauen entsteht, die normalerweise niemals miteinander sprechen würden.“ Menerva veröffentlicht diese Stories nicht einfach nur: Sie hofft, dass ihre Community sich Gedanken macht, darüber diskutiert und zusammenfindet. Und das tut sie.

Regretting Motherhood?

Als ihr Blog hotelmama vor sechs Jahren online ging, gab es über eine andere Sache auf jeden Fall keine Diskussion: die Freuden des Mutterseins. Auf Instagram hatten das alle perfekt drauf mit den Kindern. Etwas wie Verzweiflung oder gar Depressionen gab es nicht. Online existierten nur Mütter, die keine Fehler machten und den stressigen Alltag mit Kindern easy bewältigten.

Aber Menerva war überfordert und depressiv. Das in der Öffentlichkeit zu thematisieren, gehörte aber absolut nicht zum guten Ton. Man würde ihr nachsagen, sie bereue es, Kinder zu haben. Heute lässt diese Diskussion etwas mehr Nuance zu, nach mehreren Jahren, in denen Menerva vollkommen unverblümt aus ihrem Alltag berichtete. Für sie ist heute klar: Ihr eigenes Wohlergehen hat höchste Priorität, denn wenn sie nicht glücklich ist, sind es ihre Töchter auch nicht. Deshalb gesteht sie es sich ein, wenn es mal zu viel wird und nimmt Hilfe an. Und nimmt sich auch mal eine Auszeit. Ist das noch verpönt?

Jede Community ist anders verkorkst

Tabus brechen, das scheint Menerva sich zur Aufgabe gemacht zu haben. Sie wird mit Erstaunen und Verwirrung aus unterschiedlichsten Ecken konfrontiert, weil sie so offen mit dem Thema Sex umgeht. Aber der Umgang mit weiblicher Sexualität passt ihr nun mal gar nicht:

„Gefühle wie Scham und Schuld werden uns ja quasi gegeben mit der Muttermilch.“

Gerade in ihrer eigenen Community fällt ihr das auf, aber durch den Austausch mit anderen Frauen unterschiedlichster Hintergründe kommt sie zu folgender Schlussfolgerung: „Jede Community ist anders verkorkst.“ Das kann sie nicht so stehen lassen. Als angehende Sexualpädagogin bietet sie Beratungen an und macht das Tabu rund um weibliche Sexualität auf Instagram zum Thema. Obwohl sie diese Auseinandersetzung spannend und wichtig findet, ist sie überrascht davon, wie viel Anklang sie findet: „Ich habe nicht damit gerechnet, dass so viele Frauen sich angesprochen fühlen werden.“

Zu guter Letzt: Innerer Frieden

Ihren eigenen Töchtern möchte Menerva in erster Linie eines mitgeben: Inneren Frieden. Denn damit hat man alles. Und sie selbst findet ihn, indem sie keinen Deut darauf gibt, welche Narrative andere ihr zuschreiben möchten. Und wenn’s ihr doch mal zu nahe geht, dann erinnert sie sich an Folgendes:

„Meine Welt ist schonmal untergegangen und ich habe sie wieder aufgebaut. So in die Richtung.“

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