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Screenshot aus dem Computerspiel "ELEX II"

Piranha Bytes

Das Rollenspiel „ELEX II“ ist ein Relikt aus einer anderen Zeit

Es sind im Grunde Indie-Games, die sich jedoch als epische Rollenspiele in Szene setzen. Die Computerspiele der kleinen deutschen Entwicklerfirma Piranha Bytes, und damit auch das neue „ELEX II“, sind ein Überbleibsel aus einer 20 Jahre alten Formel. Verblüffenderweise hat sie bis heute überlebt.

Von Robert Glashüttner

Vor über 20 Jahren hat ein Computerspiel aus Deutschland technisch und inhaltlich begeistert. Es war ein weitläufiges 3D-Rollenspiel mit vielen zur damaligen Zeit aufwendig gestalteten Charakteren und Monstern, und mit durchgehender Sprachausgabe. Fürs Jahr 2001 war das eine ziemliche Pionierarbeit, und so ist das ruppige Action-Rollenspiel „Gothic“ schnell ein klingender Name geworden.

Seither sind über zwei Jahrzehnte hinweg einige Nachfolger entwickelt und veröffentlicht worden, die sich aber immer alle sehr klar zum Originalspiel zurückführen ließen. Das neueste unter ihnen ist das in einer Post-Apokalypse angesiedelte „ELEX II“. Als gewissermaßen unbelehrbarer „Gothic 2“-Fan habe ich es mir näher angesehen und mir die Frage gestellt, wie sehr eine Spieleformel aus 2001 aus der Zeit gefallen ist.

Große Post-Apokalypse, kleines Team

Eine ehemals blühende, hochtechnologisierte Welt, von der jetzt nur noch mit Pflanzen überwucherte Ruinen übrig sind. Die Menschen leben nach der Post-Apokalypse in gesellschaftlich und politisch einfach gestrickten Fraktionen. Und nun muss unsere Heldenfigur zwischen diesen Fraktionen vermitteln und eine weitere Bedrohung aufhalten. Ja, das klingt genau wie das Setting eines anderen Spiels, und zwar „Horizon Zero Dawn“, das – ebenso wie „ELEX“ – vor rund fünf Jahren erschienen ist. Jetzt haben beide Games Nachfolger spendiert bekommen, doch dieser Vergleich geht für „ELEX“ leider alles andere als gut aus.

Aber, aber: Obwohl es auf den ersten Blick verlockend ist, die beiden Spieleserien wegen ihren sehr ähnlichen Settings zu vergleichen, könnten ihre Entstehungsgeschichten nicht unterschiedlicher sein. Da ist ein erfolgreiches, stark gewachsenes Spielestudio aus den Niederlanden mit hunderten Mitarbeiter*innen, dort ein bis heute rund 30 Personen großes Team aus Nordrhein-Westfalen namens Piranha Bytes. Piranha Bytes wiederholen, überspitzt formuliert, seit 20 Jahren ihr originales „Gothic“ immer wieder: ein ruppiger Mann als Held in einer offenen Spielwelt, die sich sehr intuitiv spielt, die aber auch nach einem sehr einfachen Muster gestrickt ist. Das betrifft quasi alles: Story, Look, Dialoge, Missionen, Kampfsystem, und so weiter.

Screenshot aus dem Computerspiel "ELEX II"

Piranha Bytes

Über den Wolken? - Man bekommt zwar früh den sehr praktischen Jetpack, muss aber geduldig sein, um ihn entsprechend upgraden zu können, damit solche Höhenflüge möglich werden.

Ein riesiges Open-World-Rollenspiel von einem 30-Personen-Team: Das war schon 2001 äußerst erstaunlich und ist es 2022 immer noch. Doch natürlich haben sich rundherum die Standards technisch und spielerisch enorm weiterentwickelt, wohingegen Piranha Bytes stets nur bei den absolut notwendigen Veränderungen mitzieht bzw. mitziehen muss. „ELEX II“ neben „Horizon Forbidden West“ oder „Elden Ring“ zu stellen, wäre so, als ob man einen Einzelunternehmer mit einem Großkonzern vergleichen würde.

„ELEX II“, entwickelt von Piranha Bytes, ist im Vertrieb von THQ Nordic, für Windows, Xbox und Playstation erschienen.

Das Problem bei Piranha Bytes ist, dass es erst mal immer so wirkt als könne man ihr Produkt mit jenem der Großkonzerne vergleichen. Kann man natürlich nicht, nicht mal ansatzweise. Aber es fehlen die eindeutigen Signale, dass dies der Fall ist. Dieses Problem sieht man zum Beispiel an den Charakteren im Spiel: Vor allem die Gesichter und ihre Animationen sehen in „ELEX II“ so grottenschlecht aus, dass man sich jedes Mal fragt: Warum, zum Geier, entscheidet man sich nicht für einen anderen, einfacheren Look, für eine Stilisierung?

Screenshot aus dem Computerspiel "ELEX II"

Piranha Bytes

A blast from the past: Ja, solche Anblicke waren in Games vor 15-20 Jahre normal. Neu sind hier nur die besseren Texturen und die höhere Auflösung.

Dennoch: Die Games von Piranha Bytes, und so auch „ELEX II“ haben ihre Berechtigung, denn sie haben – trotz naheliegenderweise durchwachsener Kritiken – treue Fans. Tatsächlich habe auch ich keine schlechte Zeit beim Spielen. Ja, es ist absurd, dass dieses Spiel im Wesentlichen immer noch dasselbe ist wie vor 20 Jahren. Aber es bietet auch eine Form von Freiheit und Unmittelbarkeit, die andere Games nicht haben. Die simpel gestrickte Story, die doofen Dialoge, die ewigen Fetch-Quest-Missionen, die tollpatschigen Kämpfe und das Aufklauben von tausenden Gegenständen, die überall kontextfrei in der Gegend herumliegen – all das wirkt wie eine Karikatur und ist unter anderem deshalb lustig und unterhaltsam.

Ob so ein Game 50 Euro und mehrere Dutzend Spielstunden wert ist, ist natürlich eine andere Frage. Für mich lautet die Antwort, bei aller Sympathie für Piranha Bytes und ihre immer wiederkehrende, technisch und spielerisch verwackelte Game-Formel eindeutig: nein. Denn obwohl „ELEX II“ sich unmittelbar und intuitiver als seine Vorgänger spielt (übrigens jetzt auch besser als je zuvor mit Gamecontroller), wirkt hier alles im Vergleich zur modernen Konkurrenz viel zu oberflächlich. Das führt früher oder später zu Langeweile und Gleichgültigkeit. Da können selbst Crafting, Jetpack und der gute, alte Feuerball nicht mehr viel daran ändern.

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