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Who's Lila?

Garage Heathen

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Was machst du für ein Gesicht?

Im seltsamen Point&Click-Adventure steuern wir Gespräche nur über die Mimik unserer Hauptfigur - eine originelle zentrale Spielmechanik in einem auch sonst bemerkenswerten Spiel.

Von Rainer Sigl

Es gibt Menschen, die haben Probleme, zum richtigen Moment das richtige Gesicht zu machen. Traurig dreinzusehen, wenn jemand vom Tod erzählt, oder zu lächeln, wenn man ein Kompliment bekommt. Genau so jemanden spiele ich im Point&Click-Abenteuer „Who’s Lila?“.

Als Highschool-Schüler William habe ich ein Handicap: Ich habe Probleme, Emotionen adäquat zu zeigen. In Gesprächssituationen macht mein Gesicht, was es will, und das sind meist die unpassendsten Grimassen. Genau deshalb ist es als Spieler*in meine Aufgabe, Williams Mimik der jeweiligen Situation anzupassen: Augenbrauen rauf und Unterlippe runter ergibt ein überraschtes Gesicht, gehobene Mundwinkel signalisieren Freundlichkeit und weit aufgerissene Augen Überraschung. Statt Antworten auszuwählen, fummle ich mir in Gesprächen mit der Maus unter Zeitdruck das richtige Gesicht zusammen - eine Spielmechanik, die man so in Videospielen noch nie zuvor gesehen hat.

David Lynch lässt grüßen

Abgesehen von der Gesichtsmechanik ist „Who’s Lila?“ ein recht klassisches Point&Click-Abenteuer mit düsterer und verstörender Handlung. Weil ich der Letzte war, der eine verschwundene Mitschülerin gesehen hat, steht auch wegen meiner Neurodivergenz bald der Verdacht im Raum, dass ich etwas damit zu tun haben könnte - und diesen Verdacht haben nicht nur die Figuren im Spiel, sondern auch ich vor dem Monitor. Fake ich hier etwa nicht nur wegen meiner seltsamen Beeinträchtigung die Emotionen eines „normalen“ Menschen?

„Who’s Lila?“, entwickelt von Garage Heathen, ist für Windows erschienen.

Was geschehen ist und wie meine Figur in die geheimnisvollen Vorgänge verwickelt ist, zeigt sich aber erst bei mehrmaligen Spieldurchläufen, die dafür relativ kurz ausfallen. 15 Enden hat dieses Spiel, und mit jedem wird die Sache unheimlicher. Der surreale Horror von David Lynch ist hier eindeutig das Vorbild.

Who's Lila?

Garage Heathen

„Ditherpunk“ als Hipster-Style der Stunde

„Who’s Lila?“ ist ein ungewöhnliches Spiel und das auch optisch. Der pixelige Schwarzweiß-Look, von seinem Macher trendig „Ditherpunk“ getauft, ist gewöhnungsbedürftig und verströmt eine ganz eigene Atmosphäre. Mit ähnlich verstörendem Effekt hat das letztes Jahr auch das punkige „Critters for Sale“ vorgemacht.

„Who’s Lila?“ ist sich mancher seiner Schwächen bewusst. Die langen Laufwege lassen sich in den Optionen abkürzen, ebenso lässt sich die zentrale Spielmechanik entschärfen: Die Gesichtsmanipulation unter Zeitdruck ist nämlich etwas fitzelig geraten, auch sie darf man zum Glück etwas weniger mühsam machen. Die Interpretation der verrätselten Handlung und nicht zuletzt die Antwort auf die Frage, wer denn nun tatsächlich die mysteriöse Lila ist, beschäftigen einen auch, wenn man die Vereinfachungen dankend annimmt. Wer ungewöhnliche Spielideen zu schätzen weiß, bekommt mit „Who’s Lila?“ ein schräges, aber faszinierendes Einzelstück.

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