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Radium Girls

Esther Mateo/Kate Moore

Der Arbeiterinnenkampf der „Radium Girls“ als Graphic Novel

Die U.S. Radium Corporation war für viele junge Frauen in den 1920ern ein Traum-Arbeitgeber. Mit Leuchtfarbe bemalten sie die Ziffern von Uhren, dabei war die Radiumfarbe aber hochgiftig, und fast alle starben an den Folgen der Strahlenkrankheit. Vor ihrem Tod kämpften fünf Frauen für ihre Rechte. Ihre Geschichte wird jetzt in einer Graphic Novel erzählt.

Von Diana Köhler

Radium wurde 1898 von Marie Curie entdeckt. Owohl die Nobelpreisträgerin selbst an den Folgen der Strahlung gestorben ist, galt Radium ein paar Jahre als gesundes Wundermittel: Es gab Kosmetikcremes mit Radium für einen strahlenden Teint, Radium-Wasser als Kur, Radium in der Zahnpasta und sogar in Schokolade. Radium wurde bezeichnet als „alles durchdringende Urkraft“. Es würde verjüngen und von innen heilen.

Radium leuchtet im Dunkeln, deswegen wurden Ziffernblätter von Uhren lange Zeit mit Radiumfarbe bemalt. Diese Arbeit machten in den 1920er-Jahren meistens junge Frauen. Für viele war es ein gut bezahlter Traumjob: Sie konnten von Zuhause ausziehen, unabhängig sein und das Leben genießen. Die U.S. Radium Corporation mit Sitz in Orange, New Jersey war damals einer der größten Hersteller von leuchtenden Ziffernblättern.

Du strahlst ja!

„Lip – Dip – Paint“ war der Arbeitsauftrag der sogenannten dial painters. Die Arbeiterinnen mussten den Pinsel mit den Lippen anfeuchten und so spitz wie möglich machen, ihn dann in die Farbe tauchen und schließlich die winzig kleinen Ziffern auf den Uhren anmalen. Jede der dial painters musste ein Pensum von ungefähr 250 Ziffernblättern pro Tag schaffen. 250 Mal: Lip – Dip - Paint.

Radium Girls

Creative Commons

Die Arbeiterinnen wurden „Radium Girls“ oder auch „Ghost Girls“ genannt, denn sie leuchteten tatsächlich immer ein bisschen. Die Farbe hinterließ Spuren überall auf der Kleidung und im Gesicht. Manche Frauen malten sich heimlich sogar die Zähne und Nägel an, für einen ganz besonderen Auftritt im Club beim Tanzen.

Gefahr wurde lange verschwiegen

Was den Frauen aber niemand gesagt hatte: Die Radiumfarbe war hochgiftig, die Gefahr wurde verschwiegen und heruntergespielt. Während die männlichen Chemiker bei Experimenten mit dem Material Bleischürzen, Mundschutz und Handschuhe trugen, sagte man den Frauen sogar noch, dass die Farbe besonders gesund sei.

Die Folgen von Strahlenkrankheit werden umso schlimmer, je länger und intensiver man sich dem Material aussetzt. Bei den Frauen begann es mit Zahnschmerzen und führte bis zu eiternden Wunden im ganzen Mund. In ganz schlimmen Fällen zersetzen sich die Knochen und zerbröseln richtig, Krebs und Tumore treten auf. So auch bei den „Radium Girls“, fast alle von ihnen sind an den Folgen der Strahlenkrankheit gestorben.

Erster großer Sieg von Arbeiterinnen gegen die Industrie

Vor ihrem Tod haben aber fünf Frauen für eine Entschädigung gekämpft und sie auch bekommen. Es war einer der ersten großen Frauen-Arbeitskämpfe gegen die Industrie und Vorbild für viele weitere. Sie haben somit nicht nur den Weg geebnet für weitere Klagen von Arbeiter*innen gegen die Industrie, sondern auch die Menschen für die Gefahren von Radium sensibilisiert.

Zunächst glaubte ihnen aber niemand. Zwei Jahre leugnete die U.S. Radium Corporation die Folgen des Umgangs mit Radium und gab sogar eine Fake-Studie in Auftrag. Diese sollte beweisen, dass Radium der Gesundheit nicht schadet.

Cover

Carlsen/Cy.

Erschienen beim Carlsen-Verlag

Buntstiftzeichnungen in Lila und Grün

Die französische Cartoonistin Cy. hat auf Basis der Biografie über die „Radium Girls“ von Kate Moore eine Graphic Novel gestaltet. Die Buntstiftzeichnungen schauen sanft und träumerisch aus, stehen aber in krassem Kontrast zum harten Kampf der Frauen.

Cy. schafft im Buch eine gute Balance: Sie zeigt die grausamen Details, ohne zu voyeuristisch zu werden, und gleichzeitig gibt sie den Frauen Persönlichkeit, macht sie greif- und nahbar. Sie arbeitet die Gruppendynamiken der Frauenclique schön heraus, die Freundschaften, wie sie sich gegenseitig liebevoll piesacken, unterstützen, zusammen feiern, tanzen und Ausflüge an den Strand auf Coney Island in New York machen.

Die ganze Graphic Novel ist nur in Lila- und Grüntönen gehalten. Mehrere Schichten Farbe übereinander bringen spannende Nuancen und Effekte zum Vorschein. Und obwohl die Geschichte tragisch und teilweise unerträglich ist, sind manche Szenen auch wirklich lustig: Zum Beispiel werden die Frauen aus dem Kino geschmissen, weil sie so hell leuchten, dass die anderen Besucher*innen sich gestört fühlen. Die Gänsehaut beim Lesen bleibt aber.

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