FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Bürgerin in Kiew kümmert sich um ihre Wäsche, das Haus ist von Schüssen und Explosionen zertrümmert

APA/AFP/FADEL SENNA

FM4 Auf Laut

Gibt es eine pazifistische Reaktion auf den Ukraine-Krieg?

Der Krieg in der Ukraine hat uns in sehr kurzer Zeit in archaische Denkmuster zurückgeworfen. Von Angst bis zu einer regelrechten Kriegsbegeisterung reichen die Reaktionen vieler Menschen in den sozialen Medien – und auch die Reaktionen vieler klassischer Medien. Aber welche Alternativen gibt’s da? Wie können wir jetzt noch friedliche Lösungen finden?

Von Rainer Springenschmid

Ein Interview mit Lukas Wank, dem stellvertretenden Direktor des Österreichischen Studienzentrums für Frieden und Konfliktlösung.

Wenn wir uns als Beispiel das Cover der Wiener Stadtzeitung „Falter“ von letzter Woche anschauen: Da posiert ein junges Paar, das man eigentlich eher in einem Club vermuten würde, melancholisch lächelnd mit Kalaschnikows. Wie stehst du zu solchen Bildern?

Das Falter-Cover ist auf mehreren Ebenen interessant, weil es verklärt, was eigentlich vor Ort passiert. Da werden Leute in ihrer Wohnungsumgebung dargestellt und wenn nicht um den Hals dieser Personen Waffen hängen würden, würde man das gar nicht in den Kontext eines bewaffneten Konflikts bringen. Und das zeigt auch, warum das problematisch ist: weil durch die Darstellung von Gewalt, durch dieses Näherholen dieser Bilder, werden – meistens unreflektiert – Angst und Feindbilder aufgebaut, die dann schnell in der Forderung nach stärkeren Sicherheitsapparaten und Aufrüstung münden, einfach weil sie oft direkt ins Gefühlsleben oder in die Alltagsrealität von Menschen eingreifen.

Es ist erstaunlich, weil die Mehrheit der Bevölkerung noch vor wenigen Wochen dem Militärischen generell sehr reserviert gegenüber gestanden ist.

Aber wie reagiert man, wenn ein Land überfallen wird? Ich muss zugeben, mein erster Angstreflex war auch „so viele Waffen wie möglich in die Ukraine“…

Ich glaube, du sprichst da indirekt genau den wesentlichen Punkt an: „der erste Reflex“. Das Erstaunliche an der westlichen, vor allem der europäischen, Reaktion war vor allem die Geschwindigkeit. Was nicht geklärt ist, ist der langfristige Aspekt.

Wie sähe die langfristige, pazifistische Reaktion auf den Ukraine-Krieg aus?

Eine pazifistische Reaktion auf das, was in der Ukraine passiert, müsste sich von Anfang an anders mit der Problemgenese auseinandersetzen. Also: wo kommt das Problem eigentlich her? Und welche unterschiedlichen Wahrnehmungen, Gegensätze und Interessen der verschiedenen Akteure prallen hier aufeinander und haben zu dieser Situation geführt? Weil je tiefer und vielschichtiger die Analyse des Konflikts und der Ursache des Problems ist, und je mehr Reflexion sie erlaubt, umso eher wird man Lösungen finden, die eine Friedenslösung für die Zukunft unterstützen. Das widerspricht ein bisschen dieser schnellen Reaktion der Sanktionen von Anfang an, weil so interessant und so wertvoll es für die Europäische Union ist, dass man schnell reagiert hat, umso mehr schränkt es Einen nach hinten ein, um inklusive Lösungen zu bauen.

Pazifismus wird ja in der Vergangenheit immer wieder als naive oder utopische Grundhaltung kritisiert. Aber aus seiner analytischen Sicht könnten wir genauso die Gegenfrage stellen, ob denn diese „realistische“ Sicherheits- und Verteidigungspolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte denn eigentlich zu mehr Sicherheit geführt hat. Und neben dem, was in der Ukraine jetzt passiert ist, können wir genauso den Irak und den Afghanistankrieg anschauen. Ob der wirklich zu mehr Sicherheit führt?

Wie können wir als Einzelne pazifistisch auf diesen Krieg reagieren? Was wäre unsere Aufgabe?

Was man auf jeden Fall tun kann, ist, sich um Abrüstung der Rhetorik zu bemühen. Je mehr Feindbilder jetzt geschaffen werden, umso mehr Feindbilder müssen im Nachhinein wieder abgebaut werden. Und dann natürlich, sich noch einmal anders mit dem Konflikt zu beschäftigen, weil man sich dann schon anschauen muss: Wo kommen die unterschiedlichen Wahrnehmungen dieses Konflikts her und welche unterschiedlichen Bedürfnisse haben den Konflikt erst entstehen lassen?

Auf einer humanitären Ebene ist es natürlich wichtig, die Arbeit von unabhängigen und unbeteiligten Organisationen zu unterstützen, die in dem Konflikt nämlich genau jenen helfen, die vor Ort am wenigsten beeinflussen können – nämlich die Zivilisten und Zivilistinnen. Also die Arbeit von unbeteiligten Akteuren ist da sehr unterstützenswert.

FM4 Auf Laut: Ist Pazifismus noch zeitgemäß?

Gestern Techno, heute Kalaschnikow: in der Ukraine treten hunderttausende junge Menschen, die vor kurzem noch Zivilisten waren, zur Verteidigung ihrer Heimat gegen den russischen Angriffskrieg an. In westlichen Medien wird das gefeiert, auch in Österreich, vom Cover des Falter blickt uns ein junges ukrainisches Pärchen mit Kalaschnikow melancholisch entgegen. Und die EU-Regierungen investieren wieder enorme Summen in ihre Militärapparate. Ist Pazifismus ein Auslaufmodell? Oder können wir auch friedlich zur Freiheit der Ukraine beitragen?

Diskutiert mit, am Dienstag, den 15.3., ab 21 Uhr bei FM4 Auf Laut mit Ali Cem Deniz und im Anschluss im FM4 Player.
Die Nummer ins Studio: 0800 226 996

mehr Politik:

Aktuell: