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Anna Gasser bei den Olympischen Spielen in Peking

APA/AFP/MANAN VATSYAYANA

Interview

Anna Gasser will das Snowboarden weiter pushen

Doppelolympiasiegerin Anna Gasser hat schon angedeutet, dass sie sich nach diesen Olympischen Spielen mit Contests in Zukunft zurücknehmen wird. Von Snowboard-Pension will die 30-jährigen aber noch nichts wissen. Im ausführlichen FM4 Draußen-Interview spricht sie über ihre Zukunft, in der sie Snowboarden weiter pushen will.

Von Simon Welebil

Wie viele andere Top-Snowboarder*innen hat Anna Gasser die Snowboard Weltcups nach den Olympischen Spielen allesamt ausgelassen. Nach zwei sehr anstrengenden Saisonen, die ganz im Zeichen der fünf Ringe waren, hat sie die stressfreie Contest-Alternative Spring Battle dem Weltcup-Zirkus vorgezogen und dafür dort voll abgeräumt. In keiner der vier Kategorien Best 540, Best Turbo Knuckle, Best Rail oder Best Big Air war ihr der Sieg zu nehmen. Im Big Air hat sie sogar ihren Premierentrick der Olympischen Spiele, den Cab Double Cork 12 perfektioniert.

Im ausführlichen Interview mit Anna Gasser lässt sie die Olympischen Spiele 2022 noch einmal Revue passieren und gibt uns einen Einblick in ihre Zukunftspläne:

Simon Welebil: Anna, in unserem letzten Interview im November hast du gesagt, du würdest mit weniger Druck zu den Olympischen Spielen in Peking fahren. Hast du das nur zu den Medien gesagt, oder hast du wirklich weniger Druck verspürt?

Anna Gasser: Nein, ich habe wirklich ein bisschen weniger Druck verspürt, weil ich eben schon eine Goldmedaille daheim und dieses große Ziel schon erreicht habe. Und natürlich macht man sich trotzdem selber Druck, denn man will sein bestes Snowboarden zeigen, aber dieses Ich-muss-gewinnen-Gefühl, das ich vor vier Jahren gehabt habe, habe ich dieses Mal nicht gehabt.

Und trotzdem hast du das genau gleiche Ergebnis abgeliefert wie vor vier Jahren. Wie ist es dann für dich gewesen, wieder die Goldmedaille zu gewinnen, wenn du eigentlich mit weniger Erwartungen reingehst?

Es war wieder sehr schön, wieder ein einzigartiges Erlebnis. Ich könnte mich gar nicht entscheiden, welche Goldmedaille jetzt einen höheren Stellenwert hat. Vier Jahre vorne dran zu bleiben, in einem Sport, der sich so schnell weiterentwickelt, ist hart und natürlich habe ich den Druck von den Jüngeren gespürt. Natürlich habe ich gehofft, dass es wieder aufgeht.

Vor vier Jahren habe ich mir gedacht, wenn ich nur lande, dann müsste es reichen. Dieses Mal war es wirklich, dass ich mein Bestes zeigen musste, ich musste ans Limit gehen und dann war es so schön, dass es am Ende wieder für Gold gereicht hat.

Würdest du sagen, dass es gefühlsmäßig anders war, als beim ersten Mal?

Man kann das nicht ganz vergleichen, weil einfach die Olympischen Spiele so anders waren. Beim ersten Mal war meine Familie dabei. Ich habe so viel Druck gehabt und es war eben das große Ziel. Das danach mit den ganz Engen zu teilen, das war etwas ganz Besonderes. Aber dieses Mal habe ich mit den anderen Mädels den Moment geteilt und das war so cool mit den ganzen Jungen, die mich über die letzten Jahre ja auch gepusht haben. Dass ich da noch vorne dabei bin und dass sich die alle so für mich gefreut haben, das war auch richtig cool.

Snowboarderinnen freuen sich mit Anna Gasser nach ihrer Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Peking

APA/AFP/Kirill KUDRYAVTSEV

Viele Gratulationen nach Anna Gassers zweitem Olympiasieg.

Was beide olympische Goldmedaillen gemeinsam haben, ist, dass du für beide Trickpremieren im Contest gezeigt hast. Du hast dieses Jahr einen Cab Double Cork 12 gemacht im Finale, wieder das Tricklevel gepusht. Wie wichtig ist dir das gewesen, dass du da wieder etwas drauflegen kannst?

Was mir beim Snowboarden soviel Spaß macht, ist das Weiterentwickeln. Also ich glaube, wenn ich das nicht mehr tun würde, dann würde ich wahrscheinlich auch aufhören. Aber solange ich noch neue Sachen lerne, solange ich sehe, dass ich mich verbessere, macht es mir so viel Spaß. Und es war mein großes Ziel, den Trick heuer im Contest zu machen und wer weiß, vielleicht war es gut, dass es davor nie aufgegangen ist, oder dass nie alles 100 Prozent gepasst hat. Ich wollte ihn ja schon in Laax und bei den X Games machen und irgendwie hat immer irgendeine Kleinigkeit nicht zusammengepasst. Bei Olympia war es dann wirklich ein ‚wenn nicht jetzt wann dann‘. Ich habe ja schon zwei sichere Sprünge unten gehabt und habe mich dann beim letzten getraut, den zu zeigen. Der hat gottseidank geklappt und das auf so einer großen Bühne, das war dann halt der Superwahnsinn.

Im Big Air Finale bist du ja mit einigem Abstand die Älteste gewesen. Hat dich das selber überrascht, dass dieser Generationenwechsel im Snowboarden dann doch so deutlich und plötzlich sichtbar wird?

Ja, es war schon schnell, aber man muss auch dazusagen, dass es leider ein paar Mitfavoritinnen wie Jamie Anderson, die ein bisschen älter ist als ich, oder Enni Rukajärvi, die immer im Finale sind, das auf einmal bei Olympia verhaut haben.

Und ja, dann war ich selber überrascht, dass auf einmal ich die Älteste im Finale war.

Aber ich glaube, dass das auch gut und gesund ist, wenn ein Sport sich in diese Richtung weiterentwickelt. Dann sieht man, dass der Sport lebt und es wäre nicht normal, wenn immer dieselben Leute vorne mit dabei wären. Es ist ganz natürlich, dass da die Jungen kommen.

Du hast vor den Spielen schon gesagt, es werden deine letzten Olympischen Spiele sein, weil noch einmal vier Jahre Contests sehr lange sind. Wie oft wird man dich denn überhaupt noch bei Contests sehen?

Ich glaube, ich werde das ziemlich spontan entscheiden. Es wäre schade, wenn ich jetzt gar keinen mehr fahren werde, also X Games werde ich sicher noch fahren, wenn ich weiter eingeladen werde und ich mich gut fühle. Und zu den Weltcups - es gibt schon ein paar Highlights, die man gerne fährt, so wie Laax, wo der Kurs und die Veranstaltung immer gut ist. Und ich glaube, man hat nach diesen zwei Medaillen die Freiheit, dass man sich ein bisschen die Kirschen raussucht, dass man wirklich nur noch das fährt, was man wirklich will und wo man mit Herzen dabei ist und vielleicht dann aber die ein oder anderen Contests auslassen kann.

Anna Gasser springt am Snowboard

Sam Strauss / Red Bull Content Pool

Anna Gasser hat in der Doku „The Spark Within“ einer breiten Öffentlichkeit neue Facetten offenbart.

In unseren letzten Interviews, aber auch in der Doku „The Spark Within“ hast du ja auch schon erzählt, dass du deine Zukunft vermehrt im Backcountry siehst. Wie schauen denn deine Pläne dahingehend aus?

Heuer war ich wenig im Backcountry unterwegs, weil heuer war der Fokus einfach auf Olympia. Aber ich finde Snowboarden ist so vielseitig und es ist so viel mehr als nur Contestfahren. Deshalb freue ich mich auf neue Herausforderungen und natürlich gehören Tiefschnee und Filmprojekte beim Snowboarden einfach dazu. Also langweilig wird mir nicht in den nächsten Jahren, sagen wir so, auch wenn ich ein bisschen weniger Contests fahre.

Aber was bedeutet das jetzt genau für den Alltag als Snowboarderin?

Ich weiß gar nicht, ob sich so viel ändern wird, weil auch wenn man jetzt mehr im Tiefschnee unterwegs ist, man reist ja eigentlich trotzdem viel. Wenn man viele Bewerbe fährt, ist man allerdings oft an den selben Orten und hat dort einen genauen Ablauf und Plan. Beim Tiefschnee muss man ein bisschen mehr nach Gefühl gehen: Wo es jetzt schneit, wo die Verhältnisse gut sind, wann man sich gut fühlt. Ich glaube das wird ein bisschen ein Mindset-Change.

Glaubst du wird das Training gleichbleiben, mit Mattentraining etc., auch wenn es eher in Richtung Tiefschnee geht?

Ich glaube, dass ich trotzdem ein bisschen weiter auch im Sommer trainiere, einfach weil es dir im Generellen was bringt, auch wenn du jetzt im Tiefschnee Kicker baust und dort springst. Aber wahrscheinlich werde ich ein bisschen weniger trainieren als vor der Olympiasaison.

Du hast ja auch noch eine Rechnung offen mit Travis Rice „Natural Selection Tour“, dem Freestyle Contest im Tiefschnee. Hast du vor, dort noch einmal anzutreten?

Ja, da habe ich noch eine offene Rechnung mit dem Bewerb. Ich würde schon gerne noch einmal die Chance haben, dort mitzufahren und zu zeigen, dass ich auch im Tiefschnee nicht schlecht bin. Aber davor will ich wirklich einmal eine ganze Saison mehr im Tiefschnee fahren, das Gefühl dafür kriegen und vielleicht nicht direkt von den X Games zur Natural Selection Tour fahren, sondern das Ganze wirklich besser vorbereitet angehen.

Sage Kotsenburg, Anna Gasser, Pat Moore und Travis Rice inspizieren den Kurs für die Natural Selection Tour in Jackson Hole 2021

Dean Blotto Gray / Natural Selection Tour / Red Bull Content Pool

Sage Kotsenburg, Anna Gasser, Pat Moore und Travis Rice inspizieren den Kurs für die Natural Selection Tour in Jackson Hole 2021

Progression, also Weiterentwicklung, ist immer sehr zentral für deine Karriere gewesen. Wirst du dem auch treu bleiben, auch wenn sich dann vielleicht der Untergrund ändert?

Ich glaube schon. Ich bin eigentlich schon ein Mensch, der immer was Neues und immer eine neue Challenge sucht. Und es macht mir halt so viel Spaß, mich weiterzuentwickeln.

Auch im Powder habe ich noch einige Ziele im Kopf, die ich gerne erreichen würde. Und ich hoffe schon, dass ich weiterhin den Sport weiterentwickeln kann, auch wenn es vielleicht ein bisschen anders ist in Zukunft.

Aber an eine Art Snowboard-Pension braucht man bei dir jetzt nicht denken?

Derweil ich so fit bin und so viel Spaß an dem Ganzen habe, kann ich noch nicht aufhören. Also ich glaube die nächsten paar Jahre bin ich schon noch sehr viel am Brett unterwegs.

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