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Screenshot aus dem Film "A Hero" von Asghar Farhadi

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„A Hero“ von Asghar Farhadi: Vom Aufstieg und Fall eines Helden

Asghar Farhadis neuer Film über eine gute Tat und ihre Folgen ist einer seiner besten. In Cannes gab es für „A Hero“ bereits den großen Preis der Jury. Am Freitag kommt der Film in die österreichischen Kinos.

Von Xaver Stockinger

Es ist eine eigenartige Szene, mit der der Großmeister des aktuellen iranischen Kinos, Asghar Farhadi, seinen neuen Film „A Hero“ eröffnet. Ein Mann steigt Treppen empor, schier endlose Treppen. Kaum an der obersten Stufe angekommen, macht er kehrt und geht zügig wieder hinunter. Erst der weitere Verlauf des Films macht einem die Allegorie bewusst, die in dieser Anfangsszene steckt. Denn von einem ähnlichen Auf und Ab erzählen die folgenden zwei Stunden, in denen ein Heldenbild errichtet und kurz darauf wieder niedergerissen wird.

Im Mittelpunkt von „A Hero“ steht der Mitdreißiger Rahim (Amir Jadidi). Er sitzt im Gefängnis, weil er Schulden nicht zurückzahlen kann. Doch es winkt Hoffnung: Rahims Freundin (Sahar Goldoust) findet auf der Straße eine Handtasche voller Goldmünzen. Mit dem Erlös des Fundes wollen sie Rahims Gläubiger so weit zufrieden stellen, dass dieser von seiner Klage ablässt und Rahim aus dem Gefängnis kann. Freiheit und Glück scheinen zum Greifen nah. Doch Rahim beißt das Gewissen und er entscheidet sich anders: Anstatt die Münzen zu verkaufen, sucht er während eines Freigangs aus der Haft die rechtmäßige Besitzerin der Tasche und veranlasst die Rückgabe. Als die Gefängnisleitung von Rahims nobler Tat erfährt, werden Fernsehteams und Zeitungen verständigt. Binnen kürzester Zeit wird er zur medialen Berühmtheit. Eine Wohltätigkeitsorganisation sammelt sogar Spenden, damit der ehrliche Häftling seine Schulden zurückzahlen kann und von seiner Haft befreit wird. Nachbarn, Bekannte, alle sind begeistert von der selbstlosen Tat. Ein Held ist geboren.

Doch es wäre kein Film von Asghar Farhadi, würde sich nicht bald ein engmaschiges Netz an zwischenmenschlichen Konflikten zwischen den Figuren des Films spannen. Zweifel an Rahims Geschichte werden laut. Bahram, Rahims Gläubiger, ist von dessen Selbstlosigkeit nicht überzeugt und hält die Rückgabe der Goldmünzen für eine eigennützige Show. Andere wiederum halten gar die ganze Geschichte für erfunden. Als Rahim nachweisen soll, dass sich tatsächlich alles so zugetragen habe, ist plötzlich die Besitzerin der Goldmünzen unauffindbar. Mit jedem Erklärungsversuch verheddert sich Rahim weiter in einem Dickicht aus Ungereimtheiten und kleinen Notlügen. Gequält sieht man dabei zu, wie die Glaubwürdigkeit des Helden Schicht für Schicht abblättert und Rahims Traum von der Freiheit in weite Ferne rückt. Zwar muss der gefallene Held am Ende des Films in Haft bleiben, jedoch wirkt seine Rückkehr in die Zelle wie eine Befreiung aus dem unerträglich komplizierten Meinungs-Getümmel außerhalb der vier Gefängniswände.

Screenshot aus dem Film "A Hero" von Asghar Farhadi

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Asghar Farhadi gelingt in dieser Dichte an Konflikten etwas Bemerkenswertes: Das Gute und das Schlechte werden im Verlauf von „A Hero“ immer schwieriger auszumachen. Steht man am Beginn des Films noch klar auf der Seite des sympathischen Rahim und dessen simplen Wunsch nach einem Leben in Freiheit, so muss man im Laufe des Films zur Kenntnis nehmen, dass jeder Zweifel an seiner edlen Tat, jede Abkehr vom Helden auf guten Gründen fußt. Ob es der skeptische Gläubiger Bahram ist, der schon einmal von Rahim enttäuscht wurde, oder die Leiterin der Wohltätigkeitsorganisation, die aus Angst davor, einem Betrüger aufgesessen zu sein, die gesammelten Spenden nicht an Rahim auszahlen will. „Everyone has a reason for what they`re doing“, bringt es Asghar Farhadi in einem Interview auf den Punkt.

A Hero“ von Asghar Farhadi startet am 1. April in den österreichischen Kinos.

Wie schon in seinen beiden oscargekrönten Filmen „A Separation“ (2011) und „The Salesman“ (2016) schafft es Asghar Farhadi in „A Hero“ erneut, die Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen präzise zu inszenieren. Die Dialoge sind messerscharf, die Streitereien von nahezu dokumentarischer Natürlichkeit. Mit diesem intensiven, vielschichtigen Drama über die Folgen einer guten Tat liefert Asghar Farhadi einmal mehr ein meisterhaftes Juwel sozialrealistischen Kinos.

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