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Yes We Care Benefizkonzert

Marvin Strauss

Yes, we care!

Der Wiener Heldenplatz hat sich am Sonntag zu einer gewaltigen Freiluftbühne transformiert. Wanda, Conchita Wurst, Cari Cari, Buntspecht, Verifiziert, Sharktank und viele mehr spielten auf, um einmal mehr Spenden für die Ukraine zu sammeln.

Von Melissa Erhardt

Soll man oder soll man nicht – feiern, während andere flüchten? Tanzen, während andere trauern? Ob Benefizkonzerte moralisch überhaupt vertretbar seien, fragten viele Stimmen in den Tagen nach dem großen #WeStandWithUkraine Benefizkonzert in den Sozialen Medien. „Ich versteh nicht genau, warum man sich darüber aufregt“, setzt Lou Asril zum Versuch einer Antwort an. „Es gibt genügend andere Situationen, in denen es problematisch ist, dass so viele Menschen aufeinandertreffen. Ich glaube, wir sollten einfach das zelebrieren, was wir hier vorhaben – und viele Spenden sammeln.“

Yes We Care Benefizkonzert

Marvin Strauss

Genau das macht Lou Asril wenig später auch: Mit Unterstützung an den Keys und den Vocals spielt der Niederösterreicher ein kleines, aber smoothes Set in der wohltuenden Mittagssonne: Fast schon Kult gewordene Klassiker wie „Divine Goldmine“ oder „Heaven“ finden sich darunter, aber auch ein ganz neuer, noch unveröffentlichter Track. „I‘m a bit nervous“, lacht er ins Mikrofon, bevor er mit bouncigem Bass und viel Struktur zu „Same Planet“ ansetzt – einen Song, der uns ein bisschen ins Jahr 2009 zu Keri Wilsons „I Like“ zurückversetzt. Natürlich nur im guten Sinne.

Yes We Care Benefizkonzert

Marvin Strauss

Lou Asril wird aber nicht der Einzige bleiben, der uns am großen #YesWeCare Benefizkonzert am Wiener Heldenplatz mit neuer Musik beglücken wird. Auch Tom Neuwirth aka Conchita Wurst aka WURST, der bis vor dem Wochenende noch gar nichts von seinem Auftritt wusste (da spontan eingesprungen für Kurt Ostbahn wegen ihr wisst schon was), performte eine ganz eigens zusammengestellte Akustikversion seiner neuesten Single „All I Wanna Do“, einer Nummer, „die den Moment in einer Beziehung beschreibt, wo man merkt: Ich glaub es geht nicht mehr weiter, aber es ist zu bequem und es passt irgendwie zu gut - und dann denkt man sich: Ahhhhhh lass uns doch einfach tanzen gehen.“ Und auch Kerosin95 feierte mit „Bullshitbingo 1.0“ eine kleine, aber feine Premiere - einem Track zum - ich zitiere - „Cis-Macker verarschen“.

Eine Haltung, die mehrheitsfähig ist

Insgesamt 17 Acts werden an diesem warmen Frühlingssonntag am Heldenplatz auftreten. Den Anfang macht die Wiener Band Strandhase, es folgen Größen wie Sharktank, Oska, Buntspecht, Cari Cari, Wanda und viele mehr. „Voll stressig, jede Viertelstunde eine andere Band“, jammert mir eine Freundin beim Vorbeigehen ins Ohr – und meint es wohl nur positiv. Daniel Landau, neben dem Musiker C. Freude einer der beiden Hauptorganisatoren des Events, ist sichtlich überwältigt von den Menschenmassen, die sich über den Tag verteilt am Heldenplatz zusammenfinden. 100.000 sollen es bis 20 Uhr gewesen sein. „Ich glaube, Sie ahnen, was das bedeutet: #YesWeCare steht für einen Gedanken, eine Idee, eine Haltung – und ich bin überzeugt, dass diese auch mehrheitsfähig ist.“

Yes We Care Benefizkonzert

Marvin Strauss

Landau ist der Hauptinitiator der #YesWeCare-Bewegung, die sich im vergangenen Winter zusammengeschlossen hatte, um den Held*innen der Pandemie zumindest auf symbolischem Weg den Dank und Respekt entgegenzubringen, den sie sich Tag für Tag verdient hatten. Wohl auch deswegen war es den Veranstalter*innen wichtig, gewisse Hygienestandards zu bewahren („Yes we wear“). Das klappte anfangs überraschend gut - beim Schluss-Act Wanda blieben die zum Alltag gewordenen Accessoires dann aber nur noch bei den besonders Willensstarken über Mund und Nase.

Zehn Stunden Musik

Die musikalischen Darbietungen am Heldenplatz erstrecken sich am Sonntag von reduziertem Indie-Folk bis hin zu sexy Soul, von alternativem Rap mit viel Ellbogen-Attitüde zu verträumten Cloudpop; alteingesessene Bands wie Garish sind ebenso am Start wie neuere Vertreter*innen der heimischen Szene. Oska performt im dunkelgrünen Samtkleid gemeinsam mit Gitarrist Clemens Bäre (doppelfinger) Bob Dylans „With God on our Side“, Buntspecht besingen in alter Straßenmusik-Manier die funkelnden Zähne, die sich irgendwo unter unseren Masken versteckten, Marco Wanda erteilt dem Kreml mit einem kecken „Krieg ist so fucking old-fashioned, Baby“ eine ordentliche Abfuhr und Sharktank tanzen sich auf der Bühne im Tyler-the-Creator-Style in Rage.

Yes We Care Benefizkonzert

Marvin Strauss

Die politischen Messages kommen nicht zu kurz: Kerosin95 etwa wirft kurz vor der letzten Nummer die Frage auf, wem in Österreich Hilfe zukomme - und wem sie verwehrt würde: „Ich möchte Empörung zeigen, über die weiterhin rassistische Grenzpolitik Europas, die ihr Gesicht zum Beispiel im Umgang mit Schwarzen Studierenden aus der Ukraine zeigt, die auf der Flucht Gewalt und Diskriminierung erfahren müssen.“

Yes We Care Benefizkonzert

Marvin Strauss

Neben den Künstler*innen wird aber auch eine Vielzahl von Redner*innen am Heldenplatz auf die Bühne gebeten. Neben Bundespräsident Van der Bellen und dem ukrainischen Botschafter Wassyl Chymynez sind das etwa Juliana Matusova von dem Global-2000-Projekt „Tschernobyl-Kinder“, das ukrainische Kinder vor Ort mit Medikamenten und Lebensmittel unterstützt sowie Anna Proskurina, eine jener Personen, die zu Beginn des Krieges von Alarmsirenen geweckt wurde und sich wenige Tage später mit ihrer Familie auf den Weg nach Österreich machte.

Und um wieder auf die Sinnhaftigkeit solcher Veranstaltungen zurückzukommen: „Jede Tätigkeit hat einen Sinn”, erzählt uns eine junge Ukrainerin aus dem Publikum, die mit ihrem Freund zum Heldenplatz gekommen ist. „Wenn man denkt: Das ist ja nur eine Flagge oder eine kleine Spende, das muss ich nicht machen – das stimmt nicht. Die Menschen müssen etwas machen, und einfach nicht indifferent sein, nicht gleichgültig sein“.

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