„Moon Knight“ ist Marvels düsterste Serie bisher
Von Philipp Emberger
Die Hauptfigur sind in „Moon Knight“ gleich zwei und so könnte man die erste Folge der Serie ungefähr so zusammenfassen: Steven-Marc-Steven-Marc-Steven-Marc. Steven Grant und Marc Spector teilen sich den Körper von Schauspieler Oscar Isaac, der regelmäßig zwischen den beiden Figuren hin- und herwechseln muss. Der Grund: Steven Grant leidet an einer dissoziativen Identitätsstörung.
Unterschiedlicher könnten die beiden Figuren nicht sein. Steven hat sein Leben nur bedingt im Griff. Grant vergisst Termine, verliert sich in Tagträumen (in denen er von einem ägyptischen Höllenhund angegriffen wird), hat zahlreiche Filmrisse und verliert seinen Job als Geschenksshop-Verkäufer in einem Londoner Museum. Marc Spector auf der anderen Seite ist ein knallharter Ex-Söldner, bestens ausgebildet und in dubiose Vorgänge verwickelt.
März ist aus filmtechnischer Perspektive gesehen der Monat der dunklen Comichelden. Anfang des Monats ist mit dem Film „The Batman“ mit Robert Pattinson in der Hautrolle ein überzeugender Neo-Noir-Thriller in den Kinos erschienen. „Moon Knight“ wandelt nun zumindest teilweise auf diesen Spuren. Zu den eher bekannten Marvel-Serienzutaten Action und Comedy mixt Marvel nun aber Horrorelemente. Das kommt in den meisten Fällen auch ordentlich zusammen. Dazu wird mit der Identitätsstörung auch dem Thema Mental-Health Platz eingeräumt.
Mythologischer Überbau
Der Konflikt in „Moon Knight“ kommt mit einer fetten Portion ägyptischer Mythologie daher. Ägyptische Götter spielen ebenso eine Rolle wie ein goldener Skarabäus, der ein Geheimnis birgt. Marc und Steven können miteinander über versiegelte Oberflächen kommunizieren.
Das bedeutet in erster Linie eine Mammutaufgabe für Oscar Isaac. Isaac beweist mit „Moon Knight“ aber einmal mehr, wieso er derzeit einer der interessantesten Schauspieler ist. Den Seelenmix seiner Figuren bringt er überzeugend rüber. Neben Isaac ist mit Ethan Hawke noch ein anderer großer Name dabei. Er gibt als Arthur Harrow einen dubiosen Sektenführer, der im Dienst einer alten ägyptischen Göttin steht. Ergänzt werden die beiden Stars von der 35-jährigen May Calamawy, die die Freundin Marc Spector gibt und aus dem Duo ein Trio macht. Sie war in der Vergangenheit etwa im Film „Together Together“ oder der Comedyserie „Ramy“ zu sehen.
Marvel Studios 2022
Dass das Marvel Cinematic Universe in den letzten Jahren zunehmend in Richtung maximaler Überforderung abgebogen ist, ist kein Geheimnis. Das ändert sich auch mit „Moon Knight“ nur zum Teil. Allein in der ersten Folge gibt es mehrere abrupte Szenenwechsel und als Zuseher*in fühlt man sich zu Beginn genauso lost wie Steven Grant, der häufig keine Ahnung hat, was überhaupt vorgeht. Das bessert sich aber und die Geschichte hat ihre Highlights, die aber nicht über die gesamte Dauer die Serie tragen.
Authentische kulturelle Darstellungen
Als Hauptregisseur für die Serie wurde der aus Ägypten stammende Mohamed Diab verpflichtet. Er war auch in vier der sechs Episoden für die Regie verantwortlich. In seinem Film 2010 erschienen Film „Kairo 678“ hat er sexuelle Gewalt in Ägypten thematisiert. Mit seinem Film „Clash“, der 2016 bei den Filmfestspielen von Cannes als Eröffnungsfilm zu sehen war, hat er sich den ägyptischen Protesten von 2013 zugewendet.
Die Darstellung ägyptischer Kultur und Geschichte war in der Filmgeschichte, gelinde gesagt, nicht immer eine Erfolgsgeschichte und von oberflächlichen Klischees gekennzeichnet. Die Verpflichtung Diabs ist daher auch als Zeichen zu werten, die Kultur treffsicherer in Bilder zu packen, wie Diab auch selbst bestätigt: „It’s great to be able to present Egypt’s ancient heritage and modern culture in a fresh and authentic way“.
Marvel Studios 2022
„Moon Knight“ erscheint am 30. März auf dem Streamingdienst Disney+.
Im Vergleich zu anderen Marvel-Serien fühlt sich „Moon Knight“ tatsächlich anders an. Das liegt nicht nur daran, dass erstmals eine neue Figur im Zentrum einer Marvel-Serie steht. Die bisherigen Serien haben einen bereits aus dem Avengers-Kinouniversum bekannten Charakter in den Fokus gerückt (etwa „WandaVision“, „Hawkeye“ oder „Loki“). Der Cast steht definitiv auf der Pro-Seite, den mythologischen Überbau muss man hingegen mögen. Auf jeden Fall ist „Moon Knight“ trotz mancher weirder Momente aber eine der besseren Marvel-Produktionen der letzten Zeit.
Publiziert am 30.03.2022