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Symbolbild Klimakrise - trockenes Feld bei Tulln im März 2022, dahinter Strommasten

APA/HELMUT FOHRINGER

IPCC-Bericht: Nur mit radikaler Wende schaffen wir das 1,5°-Ziel

Gestern ist der dritte Teil des 6. Sachstandsbericht des IPCC, auch bekannt als Weltklimarat, erschienen. Der Zeitraum, eine Klimakatastrophe zu verhindern, wird immer kürzer, aber es ist noch immer möglich, mit großen und raschen Anstrengungen.

Von Simon Welebil

Immer gibt es Probleme, die drängender erscheinen als die Klimakrise, sei es Corona, wirtschaftliche Probleme, Migration oder gerade eben der Krieg in der Ukraine. Darüber allerdings die Klimakrise zu vernachlässigen ist ein großer Fehler, wie die Berichte des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), hierzulande besser bekannt als Weltklimarat belegen. Aktuell erarbeitet das IPCC seinen sechsten Sachstandsbericht zur Klimakrise, der in die Berichte von drei Arbeitsgruppen aufgeteilt ist. Die erste Arbeitsgruppe fasst die wissenschaftlichen/physikalischen Grundlagen des Klimasystems und des Klimawandels zusammen. Die zweite befasst sich mit den Auswirkungen des Klimawandels, wie verwundbar unsere Gesellschaften durch den Klimawandel sind und wir uns daran anpassen könnten. Und die dritte Arbeitsgruppe beschäftigt sich damit, wie wir die Auswirkungen der Klimakrise abmildern können, bzw. wie wir die Klimakrise noch vermeiden können. Twitter-Userin Solitaire Townsend hat das etwas markanter zusammengefasst:

„We can halve emissions by 2030“

Gestern Nachmittag wurde jedenfalls der Bericht der dritten Arbeitsgruppe präsentiert und er wird gleich zu Beginn recht deutlich. „The evidence is clear: the time for action is now“, heißt es bereits in der Überschrift der Präsentation. Um das im Pariser Klimavertrag vereinbarte Ziel einer maximalen durchschnittlichen Temperaturzunahme auf der Erde um 1,5° einhalten zu können, müssen die globalen Emissionen von Treibhausgasen spätestens 2025 ihren Höhepunkt erreicht haben. Bis 2030 muss der Ausstoß von Treibhausgasen um 43% sinken.

Der Pfad für dieses Ziel stimmt bis jetzt allerdings überhaupt nicht. Die durchschnittlichen jährlichen Treibhausgasemissionen der letzten 10 Jahre waren die höchsten in der Geschichte der Menschheit - und dabei weiß man schon lange, dass wir die Emissionen von Treibhausgasen beenden müssen.

Alle Sektoren in allen Ländern müssen schnell tiefgehende Schritte unternehmen, um ihre Emissionen zu reduzieren, um die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise zu reduzieren. Die gute Nachricht: Die Möglichkeiten dazu sind vorhanden. Die Kosten für erneuerbare Energien und Batterien, die für einen Umbau der Wirtschaft notwendig sind, sind in den letzten zehn Jahren etwa um 85% gesunken. Sie müssen jetzt möglichst schnell die besonders klimaschädliche Kohle aus der Strom- und Wärmeerzeugung verdrängen.

Doch um die Klimakatastrophe abzuwenden, reicht das noch nicht aus. Die Finanzströme müssten noch mehr in grüne Investitionen umgeleitet werden. Edward Byers, der am International Institute of Applied System Analysis forscht und einer von tausenden Forscher*innen ist, der an diesem Bericht mitgearbeitet hat, ist gegenüber FM4 zuversichtlich, dass im Bereich der Stromproduktion die Umstellung gelingen wird, Sektoren wie die Industrie, wo es um effizienteren Materialeinsatz, Produktrecycling, Reparierbarkeit und Müllvermeidung geht, oder der Transportbereich und auch die Landwirtschaft stünden noch vor einer größeren Herausforderung.

Infrastruktur ist der Schlüssel

Die Frage, welche Auswirkungen das persönliche Handeln auf die Bewältigung der Klimakrise haben kann, wird im Bericht auch thematisiert: „Personal lifestyle-choices can contribute somewhat to the emissions reductions needed and it also came out strongly in the report, that in general lower demands for energy and ressources makes the mitigation challenges easier. That said, massive infrastructural transformations are required and we’ll need action across all levels of society and government - from local all the way to the international level“, sagt Edward Byers. Darauf geht auch Co-Autorin Elina Brutschin im FM4-Interview ein. Die ganze Verantwortung könne nicht nur auf den Konsument*innen liegen, sagt sie. Für gute Entscheidungen müsse eben auch eine gute Infrastruktur vorhanden sein. „Da ist es auch wichtig, dass man die Politiker, die diese Maßnahmen unterstützen und die Rahmenbedingungen schaffen, auch unterstützt.“

Aber all die Anstrengungen, den Treibhausgasausstoß zu reduzieren, würden nicht ausreichen. Man müsse vor allem das langlebige CO2 vor 2050 auch wieder aus der Atmosphäre holen. Die technischen Lösungen dafür sind im Moment aber noch nicht besonders vielversprechend. Das sogenannte Carbon Capture and Storage, das seit über einer Dekade propagiert wird, ist von den Kosten her nicht wettbewerbsfähig und kann auch die benötigten Mengen noch nicht bewältigen, so Edward Byers. Aufforstung könnte ein Weg sein, C02 aus der Atmosphäre zu holen, aber im Moment müsse man eher noch gegen massive Abholzung kämpfen.

Bis jetzt sind viele Bekenntnisse zur Bewältigung der Klimakrise nur leere Versprechen gewesen, fasst UN-Generalsekretär António Guterres den aktuellen IPCC-Bericht harsch zusammen. Die nächsten Jahre sind für die Einhaltung der Klimaziele und die Abwendung der Klimakatastrophe kritisch. Wollen wir hoffen, dass er seine Kritik am Handeln von Politik und Wirtschaft nicht mehr wiederholen muss.

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