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Bilderbuch sitzen und liegen vor einem Baum.

Lucas Christiansen

Die neue Zärtlichkeit von Bilderbuch: „Gelb ist das Feld“

Bilderbuch waren immer eine Gitarrenband und werden es auch bleiben. Auf ihrem siebten Album „Gelb ist das Feld“ konzentrieren sich Bilderbuch auf Gefühle. Das mag für eine Band der großen Gesten nicht neu erscheinen, aber überraschend ist es allemal.

Von Susi Ondrušová

Alle Bands wollen einzigartig sein, neu klingen, sich nicht hinter ihren Einflüssen verstecken, sondern ganz vorne dabei sein: anders und innovativ. Zeitlos. Relevant. Ein Gesprächsthema, ein Ereignis. In aller Munde und in allen Ohren.

Bilderbuch kennen das Spiel, das sich im Idealfall auch in Erfolgszahlen übersetzt: Streaming-Klicks und Kartenverkäufe. Man kann es sich als Band wünschen und zum Teil auch planen, aber konnte man voraussehen, dass es der in Kremsmünster 2005 während der Schulzeit gegründeten Band auch gelingen würde, sich als Festival-Headliner zu etablieren? Dass ihnen eines Tages zehntausende Fans den Satz „Als wir uns zum ersten Mal begegnet sind“ auf Knopfdruck entgegenschreien würden? Hätte sich das Maurice Ernst damals gedacht? Wahrscheinlich ja, warum hätten sie sonst wohl den Namen Bilderbuch gewählt?

Die Band, die alles richtig macht

An ihrer Bilderbuch-Karriere hat die Band sehr hart gearbeitet. Nach zwei Alben, die musikalisch dem Indie-Rock der 00er Jahre verschrieben waren, haben sich Bilderbuch mit „Maschin“ 2013 neu erfunden, ein Song, der ihnen Tür und Tor geöffnet hat. 2014 gewinnen Bilderbuch den FM4 Award, mittlerweile sind noch 7 weitere Amadeus-Award-Trophäen dazugekommen. Auszeichnungen sind bei Bilderbuch kein Karriereschritt-Auslöser sondern Bestätigungen dafür, dass sie in ihren Überlegungen richtig lagen. „Bilderbuch ist die Band, die alles richtig macht, indem sie alles anders macht“, schreibt dazu Pop-Kritiker Gerhard Stöger im aktuellen Falter.

"Gelb ist das Feld" -  Album Cover von Bilderbuch. Darauf zu sehen ist eine rosa Rose

Bilderbuch

„Gelb ist das Feld“ von Bilderbuch erscheint digital am 8.4. 2022, als CD und LP erst Ende April.

Anders ist der stilistische Genre-Mix, die deutsch-englische collagenhafte Lyrik oder die visuelle Umsetzung, die 2020 zu einer eigenen Bilderbuch-Ausstellung geführt hat. Anders ist ihr Wunsch, neue Orte zu erobern. 2017 haben sie ihre dreitägigen-Magic-Life-Festspiele in der Open Air Arena Wien gespielt, waren Headliner am FM4 Frequency Festival. Was könnte die Steigerung dazu sein? Ein Stadthallen-Konzert? Nein, ein Konzert vor den Toren von Schloss Schönbrunn natürlich.

Bilderbuch halten das Format Album hoch

Auch „anders“ werten kann man ihre im Streaming-Zeitalter gar nicht so zeitgemäße Liebe zum Albumformat an sich. Die Band veröffentlicht im klassischen Sinne zwar Singles, die in immer kleiner werdenden Abständen zum tatsächlichen Albumrelease Lust auf das neue Werk machen sollen, aber bei Songstruktur und Länge bedienen sie sich für Popmusik unkonventionellen Formaten. Singles sind Kapitel eines Albums. Alle Songs in seiner dramaturgischen Reihenfolge hören? So viel Zeit muss sein.

Bilderbuch sind Stimmungsaufheller und Geschichtenerzähler. Eine ihrer besten Album-Aktionen war der digitale Europa-Pass anlässlich ihres Songs „Europa 22“. Ein Bekenntnis zur Gemeinschaft: „Ein Leben ohne Grenzen. Eine freedom zu verschenken.“ Ein Song, der auf Livekonzerten schon mal die 10-Minuten-Marke sprengt. Ein Song, der auch beim „We Stand With Ukraine“-Benefiz nicht fehlen durfte. Es war der erste Auftritt der Band mit neuem Songmaterial, der erste Ernst-Happel-Stadion-Gig für Bilderbuch und durch die Anfang März gelockerten Corona-Richtlinien (öffnungsschritte) auch fürs Publikum.

Pandemie, Krieg und Krisen verschieben Prioritäten

Corona, Krieg, Korruption, Klimakrise. Was ist das für ein Alltag? Zukunftsängste bei der Generation Fridays for Future auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ist der Krieg in der Ukraine für Menschen, die mit ihrer Familie selbst Flucht oder Kriegserfahrung durchgemacht haben, retraumatisierend. Man muss die Palette der Gute-Laune-Themen des Jahres 2022 wohl nicht in allen Details aufzählen. Welche Antworten gibt es, welche Fragen gilt es zu stellen, wenn die Lebensrealität in den letzten Jahren so auf den Kopf gestellt wurde? Und welcher Soundtrack trägt uns durch den Tag?

Interviews zum aktuellen Album „Gelb ist das Feld“ möchten Bilderbuch diesmal nicht geben. Sie möchten die Musik für sich sprechen lassen.

Früher gab es Text-Zeilen wie „Du bist nur hinter meinem Hintern her“ oder „Bello, Bello, komm mit mir!“ Auf „Gelb ist das Feld“ wird nun von einer Zweisamkeit gesungen, die in ihrer liebevollen Zärtlichkeit neu ist. Hier geht es um Sehnsucht. Um „Liebe Overdose“. Es ist „kalt ohne dich“ singt Maurice im Song „Klima“, bei „I’m Not Gonna Lie“ werden Vibrationen besungen („schuscha schuscha diese Welt ist in a shake“) und in „Nahuel Huapi“ existiert überhaupt „Nur du und ich. Und der Rest der Welt“. Es werden zwar Distanzen besungen, die aber diesmal nicht in unerreichter Weite liegen. Die Sonne scheint auf Bilderbuch und die Charaktere der Songs. „Wir sind zwei“ singt Maurice, bevor er den Titel des Albums singt. „Sonne in dich rein. Gelb ist das Feld. Leg dich hinein.“

Bilderbuch treibt es in die Romantik

Mit „Nahuel Huapi“ hat die Band letztes Jahr den ersten Einblick in ihr neues Sound-Universum gewährt. Statt Autotune und HipHop-Beats gibt es jetzt Akustikgitarre und Mundharmonika. Maurice Ernst meinte im Interview zum Song letztes Jahr: „Hip-Hop ist für uns attitüdenmäßig am Sterben, und durch Corona macht der inhaltsleere Exzess-Hip-Hop gar keinen Sinn mehr. Uns hat es wieder mehr in die Romantik getrieben und auch in das Bandleben. Wir haben uns auch wieder an unsere Ursprünge erinnert, und klar hört man dann Fleetwood Mac und Tom Petty. Man denkt sich: ‚Hey, das ist wieder erlaubt! Man kann es wieder machen, es fühlt sich gut an!‘, und dann macht man so etwas.“

Mit 14 Songs und 58 Minuten Spiellänge ist „Gelb ist das Feld“ das längste Bilderbuch-Album bisher. Produziert hat die Band diesmal gemeinsam mit dem Produzenten Markus Ganter, der seine Sound-Hände auch schon bei Casper, AnnenMayKantereit oder Leoniden angelegt hat. Es ist ein Gitarren-Album geworden, ohne ein Lagerfeuer-Album zu sein. (Gott sei Dank!) Fans der oben genannten Größen der amerikanischen Rock-Geschichte werden hier, wenn nicht 14, dann mindestens 10 oder 4 neue Lieblingssongs finden. Die aktuelle Single „Dates“ verströmt so ein Nähe zu War On Drugs, dass man es sich gar nicht traut, laut aussprechen. Man hört es zur Sicherheit gleich 20-mal hintereinander, um nicht zu vergessen, dass die Zeile „and all she wanted was the man of her dreams“ tatsächlich vom Bilderbuch-Sänger Maurice Ernst gesungen wird.

Bilderbuch Live

Am Freitag 8. April beginnt der Bilderbuch-Tour-Auftakt in der Elbphilharmonie in Hamburg. Wer die Band in Österreich live sehen will, muss sich beeilen. Bis auf den Gig am 21. April im Großen Festspielhaus Salzburg und am 2.Juli auf der Kasemattenbühne in Graz ist die Tour schon ausverkauft. Am 20. August werden Bilderbuch auf dem FM4 Frequency Festival auftreten.

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