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Buchcover: 12-jähriges Mädchen liegt auf ihrem Bett mit ihrem Handy

Leykam Verlag

„Selma, Küsse, Kuddelmuddel“ ist ein unpeinliches Aufklärungsbilderbuch

Die 12-jährige Ich-Erzählerin Selma muss sich allerlei Neuem stellen: Sie bekommt Brüste („Knubbel“) und die Periode, die beste Freundin hat plötzlich Geheimnisse, manche küssen schon, sie weiß noch nicht so richtig, ob sie das will, die Mutter ist häufig weg, die Eltern nerven.

Neben der Geschichte von Selma und ihrer Mädchengang enthält das Buch „Selma, Küsse, Kuddelmuddel“ sehr viel Erklärendes und vor allem Aufklärendes: Es geht um Körper, Pubertät, Verknallt-Sein, aber auch Mobbing, Sexismus, Rassismus und Homosexualität. Es ist ein schön gestaltetes, sehr anderes, aber umso dringenderes Aufklärungsbuch, in dem nichts zu „peinlich“ ist.

Die Buchautorin und Bloggerin Laura Melina Berling war in der FM4 Morningshow zu Gast und hat mit Hal Rock und Barbara Köppel über ihren Blog und die Entstehung von „Selma, Küsse, Kuddelmuddel“ gesprochen.

FM4: Die meisten Leute kennen dich von deinem Blog littlefeminist.blog, der wird als „Little lousyschmousy wannabe queer intersectional blog“ beschrieben. Darin schreibst du über Politik, Körper und Vagina, Empowerment, Feminismus, LBGTIQA+-Themen, aber auch über Filme und Bücher, Arbeit und Liebe und alltägliche Dinge. Warum hast du diesen Blog gestartet?

Laura Melina Berling: Ich habe mit dem Blog angefangen, einfach, um mich ein bisschen selber zu orientieren, in so vielen Themen, und wollte auch gerne über Erfahrung schreiben, von Dating oder Sexismus oder Körperunsicherheiten, weil ich es wichtig finde, auch über Unsicherheiten in unserer Gesellschaft zu sprechen und über Diskriminierung. Ich schreib halt einfach sehr gerne und deswegen wird es dann ein Blog, auch wenn der eigentlich schon ein bisschen „out of fashion“ ist.

FM4: Außerdem hast du jetzt auch ein Buch für Kinder und Jugendliche geschrieben mit dem schönen Titel „Selma, Küsse, Kuddelmuddel“. Was ist denn dieser Kuddelmuddel, mit dem die Selma umgehen muss?

Laura Melina Berling: Ja, Kuddelmuddel ist irgendwie ein süßeres Wort für all das Chaos und die Überforderung in der Pubertät, in der Zeit, in der man aufwächst und alles sich verändert und auch sehr dramatisch ist. Wenn man sich das Cover anguckt: das Kuddelmuddel im Zimmer, dieses Aufwachsen und Durcheinander-Sein.

FM4: Das ist ein echtes Aufklärungsbuch.

Laura Melina Berling: Wir wollten gerne ein Aufklärungsbuch machen, das Kinder und Jugendliche auch wirklich gerne lesen und das vielleicht nicht ganz so „peinlich“ ist. Aufklärungsbücher sind ja super wichtig, aber manchmal als Kind ist man eben so: „Neee!“ Deswegen haben wir es mit einem Roman verbunden, was mir viel Spaß gemacht hat, auch eine Geschichte drumrum zu schreiben, über Selma, die 12 ist, wie sie aufwächst und Freund:innen findet, und wie ihr Körper sich verändert. Hannah Rödel hat diese Zeichnungen, Illustrationen und auch so Infografiken hinzugefügt, die dann über Brustwachstum, die Periode oder Konsens aufklären. Das ergänzt sich sehr schön.

Hanna Rödel und Laura Melina Berling

Frederik Schuck

Hannah Rödel und Laura Melina Berling haben „Selma, Küsse, Kuddelmuddel“ gemeinsam gemacht.

FM4: Du arbeitest auch als Sozialpädagogin in der Medienarbeit, und das Buch hat sich auch aus deiner Arbeit dort heraus entwickelt, oder?

Laura Melina Berling: Also ich habe sehr lange im Mädchenzentrum gearbeitet, jetzt bin ich in der Online-Beratung für junge Erwachsene. Ich habe viel mit Hannah geredet: Wie sind wir aufgewachsen? Was hat uns gefehlt, welche Gespräche, welche Themen? Aber ich habe eben auch bei den Mädchen, mit denen ich gearbeitet habe, gesehen, dass viele Themen doch noch sehr groß sind und es dafür ganz wenig Raum gibt. Wir haben über Sexismus geredet, und plötzlich kamen ganz viele Fragen zum Körper, zur Periode, und ich dachte: Oh, es fehlt immer noch der Raum, über solche Themen zu reden. Das Buch hat sich natürlich auch viel aus der Arbeit mit den Mädchen gespeist.

FM4: Du schreibst über Selma und ihre Girl-Gang, über Vielfalt und Inklusion, über die Entwicklung ihres Körpers und ihrer Gefühle sowie über Rassismus, Diskriminierung, Mobbing und Sexismus, aber du klingst nie wie eine Erwachsene oder eine Lehrerin, schreibst immer ohne erhobenen Zeigefinger. Gab es Themen, die schwieriger waren?

Laura Melina Berling. Ich wollte vor allem ein möglichst diverses Buch machen, also auch Kinder berücksichtigen, die unterschiedlich aussehen, unterschiedliche Erfahrungen machen, unterschiedliche Körper haben. Meine Perspektive ist natürlich die einer weißen Cis-Frau, und es ist natürlich schwierig dann zu sagen: „Ich schreibe jetzt über Schwarze Jugendliche, über queere Jugendliche und ich nehme ihre Perspektive ein.“ Da habe ich auch Angst, Dinge nicht so gut zu machen. Ich habe sehr viele Interviews mit Menschen geführt. Ich schreibe ja auch aus einer, sage ich mal, männlich sozialisierten Perspektive - es geht auch um Jungs, auch im nächsten Buch soll es darum gehen, da habe ich auch ganz viele Interviews mit Menschen gemacht, die als Jungen aufgewachsen sind. Ich versuche da sehr vorsichtig zu sein, auch diese anderen Perspektiven sensibel zu beschreiben.

Laura Melina Berling zu Gast bei Radio FM4

Radio FM4 | Barbara Köppel

Laura Melina Berling im FM4 Studio

FM4: Hättest du dir selbst so ein Buch wie deines in jungen Jahren gewünscht?

Laura Melina Berling: Deswegen habe ich das Buch auch geschrieben, weil ich mir das wirklich gewünscht hätte. Deswegen habe ich auch Mädchenarbeit gemacht, weil ich dachte: Ich möchte einen Raum haben, wo ich als Mädchen oder als Person, die erst mal weiblich aufwächst, Raum habe zu sprechen, über Sexismus zu sprechen, über meine Erfahrungen zu sprechen und mich ein bisschen sicherer zu fühlen. Viele sagen zwar, die Jugendlichen seien doch heute so aufgeklärt, und das stimmt in mancher Hinsicht vielleicht auch. Aber wir hatten eine Lesung und die Mädchen haben gefragt: „Hey, können zwei Frauen überhaupt ein Kind kriegen?“ Es war super, dass sie das fragen konnten. Aber da sieht man halt auch immer wieder: So weit ist die Aufklärung irgendwie dann doch nicht, oder die offenen Räume, um zu fragen und zu sprechen.

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