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Forschungsstation Insel Samoilow

Alfred-Wegener-Institut | Thomas Opel

Der Schatten des Krieges fällt auch auf die Klimapolitik

Der russische Angriffskrieg könnte langfristige Folgen für die globale Klimapolitik haben.

Von Albert Farkas

„Ich möchte mich im Namen aller Russen für die Unfähigkeit, diesen Konflikt zu verhindern, um Entschuldigung bitten. Diejenigen, die sehen, was passiert, können keine Rechtfertigung für diesen Angriff auf die Ukraine finden.“

Das waren die Worte von Oleg Anisimow, dem Leiter der russischen Delegation beim Weltklimarat IPCC, bei einer Sitzung am 27. Februar 2022. Nachdem nichts Anderslautendes an die Öffentlichkeit gedrungen ist, ist davon auszugehen, dass er noch in seinem Amt ist.

Oleg Anissimow

Vkokorev

Oleg Anisimow (Bild: CC BY-SA 4.0)

Der russische Überfall auf die Ukraine wirft seinen Schatten auf alles, und da ist die Klimapolitik keine Ausnahme. Das beginnt schon mal ganz einfach damit, dass der Fortsetzung des aktuellen Weltklimaberichts, die Anfang März veröffentlicht worden ist, nicht ansatzweise so viel Aufmerksamkeit entgegengebracht worden ist wie den vorhergehenden Teilberichten. Und das, obwohl die Erkenntnisse darin einmal mehr dramatisch sind, und der Klimaumbruch sich in einer kritischen Phase befindet, die das Leben und Überleben der Menschen für die nächsten tausende Jahre bestimmen wird. Das ist die langfristige Perspektive. Die kurzfristige Frage ist, wie man in Sachen Klimapolitik mit einem Staat wie Russland umgehen soll, der die Regeln des internationalen Zusammenlebens so demonstrativ missachtet.

Laut Professor Reinhard Steurer, Experte für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur in Wien, muss man sich zumindest keine Sorgen darüber machen, ob Russland Teil des Pariser Klimaabkommens bleibt, weil der Unterzeichnerstatus Russlands auch bisher schon keine, oder wenn, dann eher negative Auswirkungen auf den Klimaschutz gehabt hat. „Russland hat sich zwar formal zu Paris bekannt, und de facto jede Gelegenheit genutzt, um möglichst Klimaschutz zu verhindern, um möglichst Klimapolitik zu verhindern. Also insofern ist der formale Stellenwert von Russland im Paris-Abkommen nicht viel wert.“

Bild oben: russisch-deutsche Forschungsstation Insel Samoilow (CC BY-SA 3.0 DE)

Russland ist der Staat mit den vierthöchsten Emissionen der Welt. Fast noch wichtiger als das, Russland fördert das zweitmeiste Öl und verfolgt mit ungebrochenem Eifer die Erschließung neuer Quellen. Es war aber nicht immer so, dass das Land strikt der fossilen Marktlogik gehorcht und Klimaschutzbemühungen hintertrieben hat. In den 1990ern haben russische Wissenschaftler*innen und Ökonom*innen erkannt, dass das Land mit seinen gigantischen Waldvorkommen und zusammengeschrumpfter Industrie das Potential hätte, zu einem Musterschüler in Sachen CO2-Einsparung aufzusteigen.

Russland hat eine entscheidende Rolle für das Zustandekommen des Kyoto-Protokolls gespielt und ist aus denselben Gründen dann auch dem Paris-Abkommen beigetreten. Reinhard Steurer: „Russland hat sich davon erhofft, von Investitionen und von Klimaschutzprojekten zu profitieren. Zudem hat Russland gehofft, durch die sinkenden Emissionen, die aufgrund des Falls des Sowjetreichs zustandegekommen sind, zu profitieren, indem sie Zertifikate verkaufen können.“

Aber mit der zunehmenden Entfremdung zwischen der russischen Regierung und dem Westen ist auch im russischen Klimagebaren Zynismus eingekehrt. Und dieser Tage scheint sowieso alles auf dem Prüfstand zu stehen. Eine Reihe von überstaatlichen Institutionen, wie zum Beispiel der Europarat, haben Russland suspendiert - oder Russland ist von sich aus ausgetreten.

Auch vor der Wissenschaft machen die Risse nicht halt. Vertreter der russischen Regierung haben gedroht, die Kooperation beim Betrieb der Internationalen Raumstation ISS einzustellen. Europäische Staaten haben ihrerseits die Zusammenarbeit mit Russland in einzelnen Forschungsprojekten ausgesetzt. Schritte, die vielerorts als kurzsichtig kritisiert worden sind und die laut dem Klimapolitikexperten Reinhard Steuer besonders in der Klimaforschung fatale Folgen haben könnten:

Wenn die Zusammenarbeit in der Klimaforschung zusammenbricht, dann hätte das schon ernste Konsequenzen, aus dem einfachen Grund, dass große Teile Russlands Hotspots der Klimakrise sind. In etwa die Hälfte des Landes ist auf Permafrost gebaut. Das nicht genau im Auge zu behalten, ist eine Bedrohung.

Die Klimadiplomatie scheint mit der gegenwärtigen Verhärtung der politischen Fronten erst recht festgefahren zu sein. Professor Reinhard Steurer empfiehlt den Staaten, die es mit dem Paris-Prozess ernst meinen, daher generell andere Ansätze, wie zum Beispiel Klimaschutzzölle auf Importe aus Ländern, die besonders hohe Emissionen verursachen. Wobei in Bezug auf Russland zumindest im Moment ohnehin laufend an noch radikalere Handelseinschränkungen gedacht wird.

So oder so läuft langfristig, aber natürlich auch unmittelbar, etwas schief, wenn im Jahr 2022 ein Land ein anderes mit Waffengewalt angreift. „Eine kriegerische Welt ist genau das, was wir im Moment nicht brauchen. Wir würden weniger Konsum brauchen, weniger Ressourcenverbrauch, auf jeden Fall auch weniger Aufrüstung. Somit ist auch das eine der negativen Entwicklungen, die durch den Krieg ausgelöst worden sind.“

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