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Szenenbild "Geschichten vom Franz"

NGF / Wild Bunch Germany

Die Geschichten vom Franz sind Seelenfutter, auch für erwachsene Kinder

Generationen von Leser*innen haben in Christine Nöstlingers Büchern eine Stimme gefunden, die zu ihnen spricht und dabei eine grundvernünftige, menschliche Haltung vermittelt. Die „Geschichten vom Franz“ haben Kinder seit 1984 begleitet; jetzt kommt der Franz – klein, blondgelockt und mit Piepsstimme, wie man ihn kennt – auch in die Kinos.

Von Jenny Blochberger

Der Franz Fröstl (Jossi Jantschitsch) hat diverse Probleme, wie man sie eben als Neunjähriger hat: Er ist klein für sein Alter, alle halten ihn für ein Mädchen, und wenn er sich aufregt, wird seine Stimme piepsig.

Die Gabi (Nora Reidinger) ist gscheit, goschert und lasst sich nix gefallen. Sie ist die beste Freundin vom Franz. Der Eberhard (Leo Wacha) ist stark und zuverlässig und ein bisschen ein Angsthase. Er ist der beste Freund vom Franz. Und weil der Franz so unglücklich mit seiner Piepsstimme und seiner Größe und seinem mädchenhaften Aussehen ist, schmieden die drei einen Plan, um ihm zu helfen, anders zu werden. Dabei spielt ein Youtuber mit dem herrlichen Namen Hank Haberer eine gewisse Rolle.

Die Geschichten vom Franz sind im gleichnamigen Film liebevoll im Geist Christine Nöstlingers umgesetzt und sehr behutsam modernisiert worden. Zwar schauen Franz und seine Freund*innen Youtube und haben Smartphones, abgesehen davon könnte der Film aber fast zu jeder Zeit spielen. Es geht eben um die zeitlosen Themen Freundschaft, Empathie und sich was trauen. Die Kinderdarsteller stehlen – wie es sich gehört - den erwachsenen Profischauspieler*innen wie Simon Schwarz, Ursula Strauss und Maria Bill fast die Show.

Ich habe mit Drehbuchautorin Sarah Wassermair („Janus“, „Soko Donau“) darüber gesprochen, wie das so ist, ein Werk einer der hochverehrtesten österreichischen Autorinnen für den Film zu adaptieren.

Du hast das Drehbuch geschrieben zu der Kinderbuch-Klassiker-Reihe von Christine Nöstlinger. Wie bist du da herangegangen, um diese vielen Bücher und Abenteuer vom Franz in einen Film zu verdichten?

Sarah Wassermair

Otto Saxinger

Sarah Wassermair hat an der Filmakademie Wien Buch und Dramaturgie studiert und ist Miterfinderin der Fernsehserie „Janus“. Sie hat auch (gemeinsam mit Jacob Groll) einige Drehbücher für „SOKO Donau“ geschrieben.

Sarah Wassermair: Mit schierer Panik. Ich habe das Projekt aus Versehen zugesagt. Ich habe diese vielen Geschichten mit dem Grundrespekt gelesen, den jeder gute österreichische Autor vor Christine Nöstlinger hat, und bin in die Besprechung gegangen mit dem Gedanken: „Okay, das muss ich absagen, das kann ich nicht.“ Und dann hat sich gezeigt, dass gute Zuhörer wirklich fatal sind, weil diese Produktionsfirma aus sehr, sehr netten Menschen besteht, die mir total aufmerksam zugehört haben. Ich habe denen gesagt: „Leute, wir haben folgende Probleme, das und das und das funktioniert nicht.“ Da haben sie mich wohlwollend angelächelt, und ich habe gesagt: „Das und das Problem könnte man so lösen, aber das bringt das nächste Problem...“ Wiederum alle wohlwollend gelächelt und genickt. Und nach zweieinhalb Stunden, in denen ich verzweifelt versucht habe, das Projekt abzusagen, hatten wir einen Grundriss, was man machen könnte. Und alle haben gesagt: „Cool, das machen wir so!“

Dann habe ich Interviews mit Kindern und Volksschullehrern geführt. Wir sind schnell auf diesen Kern gekommen, dass die Nöstlinger eben keine Riesendramen aufmacht, sondern dass sie sehr genau beobachtet, was bewegt ein Kind. Dass Dinge für Kinder Probleme sein können, wo Erwachsene sagen, „geh bitte, stell dich nicht so an“ - was dem Kind genau Nüsse hilft. Also da ist dieses Verständnis dafür, was das für Probleme sind, die man mit 7 hat oder mit 8 oder mit 9, und das dann eben nicht abzutun, sondern zu sagen, „okay, wie kannst du damit umgehen?“ Das ist die große Größe der Nöstlinger.

Was war für dich die Challenge darin, wie man die Nöstlinger aus den 1980er Jahren in die 2020er Jahre transportiert? Abgesehen davon, dass Handys vorkommen und Youtube-Videos und Videospiele, sieht man dem Film sonst gar nicht so an, dass der in der Jetztzeit spielt. Der hat etwas Zeitloses.

Sarah Wassermair: Das war beabsichtigt. Das Gute wiederum an der Frau Nöstlinger ist, dass sie zeitlose Probleme behandelt. Diese Probleme, mit denen sich der Franz auseinandersetzt, zum Beispiel Männlichkeit, wie werden die heute medial gesehen? Da kamen dann natürlich sehr schnell diese Influencer auf. Ich habe dann zwei eher unerfreuliche Wochen mit Recherche in den Tiefen des Internets mit den männlichen Männern von YouTube verbracht. Was faszinierend ist, weil es irre schnell von „Hier sind ein paar Ernährungstipps“ zu „Und darum sind Frauen das Böse“ wechselt.

Du hast diese Pickup Artists angesprochen, da hast du ja ein sehr schönes Exemplar kreiert für den Film, den Hank Haberer, der bei der Christine Nöstlinger zwar nicht vorgekommen ist, aber eins zu eins bei ihr vorkommen hätte können. Schon vom Namen her und auch vom ganzen Gehabe her, das einerseits dieses toxische Männlichkeitsbild darstellt und andererseits auch komplett lächerlich ist.

Sarah Wassermair: Das freut mich sehr. Für den Namen kann ich mir die Lorbeeren nicht anheften, der kommt von meinem besten Freund. Die Recherche war gleichzeitig gruselig und sehr lustig. Ich habe Hank Haberer wirklich nicht überzeichnet, in keiner Form und Farbe. Es ist tatsächlich eine relativ gefährliche Parallelwelt, im Film kratzen wir nur an der Oberfläche. Es ist ein fröhlicher, freundlicher Kinderfilm, aber wenn man sich diese Pickup Artists anschaut, da passiert sehr schnell Radikalisierung, die tatsächlich gefährlich ist. Es geht ja weiter zu den Incels. Das ist natürlich für Männer genauso toxisch. Die Probleme, die der Franz hat, mit denen haben Kinder und Jugendliche heute sogar verschärft zu kämpfen, und darum war es irgendwie naheliegend zu sagen: „Hey, ihr werdet dieses Bild präsentiert bekommen. Stresst euch nicht so.“

Szenenbild "Geschichten vom Franz"

NGF / Wild Bunch Germany

Es gibt ja zum Hank Haberer auch positive weibliche Gegenbeispiele, in der Gestalt zum Beispiel von der besten Freundin Gabi, die eine richtige Respektsperson ist. Die ist den beiden Buben, mit denen sie befreundet ist, ja nicht nur gleichgestellt, sondern hat eigentlich das Sagen in dieser Freundschaft. Was ihr oft als negativ ausgelegt wird, weil Buben lassen sich doch nicht von Mädchen herumkommandieren, aber es liegt halt einfach daran, dass sie die Gabi ist und nicht daran, dass sie das Mädel ist.

Sarah Wassermair: Ich liebe die Gabi als Figur heiß. Wir haben mit der Nora eine Darstellerin gefunden, die das unglaublich gut rüberbringt. Aber ja, auch das war etwas, worüber wir lang geredet haben. Es war uns wichtig zu sagen, es gibt total viele Arten, wie man ein Bub sein kann, es gibt total viele Arten, wie man ein Mädchen sein kann.

Die Nöstlinger ist auch bekannt für ihre Sprache, eine eigene Mischung aus Kunstsprache und total erdig. Wie übersetzt du das in ein Drehbuch, dass es so klingt, wie jemand wirklich sprechen würde, und man trotzdem die Nöstlinger raushört?

Sarah Wassermair: Wieder mit viel Panik. Ich habe mich unglaublich in die Sprache der Nöstlinger selbst eingelesen, in ihre Interviews, und versucht, die Melodie zu erarbeiten. Was zum Beispiel ganz typisch ist, worauf sie auch sehr bestanden hat, ist die Mama, der Papa, der Franz. Wir hatten noch dazu das große Glück, dass die Töchter der Nöstlinger drübergelesen haben, und die sind sehr gut mit dem Wienerischen und haben uns dann noch Tipps gegeben.

Was war denn deine erste Begegnung mit Christine Nöstlinger?

Sarah Wassermair: Ich habe großartige Erinnerungen an den Franz aus einem Alter, da konnte ich noch nicht einmal lesen. Die Bilder haben mich fasziniert. Ich habe dann eine Zeit lang wirklich alles von Nöstlinger gelesen. Es gibt einige Bücher, die ich verehre bis heute, etwa den „Gurkenkönig“ zum Thema „Warum man sich nicht willkürlich monarchistischer Gewalt beugen sollte“. Ich liebe auch Rosa Riedl Schutzgespenst. Man muss sagen, die Nöstlinger hat Österreich über Generationen hinweg ihren Stempel aufgedrückt. Der Franz sagt jedem von uns etwas, dem fünfjährigen Sohn eines Freundes, mir, meinen Eltern. Die Nöstlinger hat eine Stimme gefunden für Alltagsprobleme und Formulierungen, die so die Seele anspricht, dass sie völlig zeitlos ist. Das war halt wirklich eine der Großen.

Szenenbild "Geschichten vom Franz"

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Gibt es so was wie Lieblingsausdrücke?

Sarah Wassermair: Wenn die Kinder streiten, da gibt es großartige Schimpfwörter. Irgendwo in den Büchern beschimpft die Gabi den Franz als Rabenaas. Keiner kennt mehr das Wort, aber ich finde es so wundervoll.

Welche sind deine drei liebsten Nöstlinger-Figuren?

Sarah Wassermair: Natürlich die Rosa Riedl. Die ist eine so gütige Figur. Das gibt es zu selten. Wir haben gerade heute diese Tendenz, Figuren müssen edgy sein, Figuren müssen Kanten haben - was richtig ist. Aber hin und wieder jemanden zu haben, dessen Hauptfokus Güte ist und den trotzdem eine total spannende Geschichte treibt, das tut so in der Seele gut. Eine andere Lieblingsfigur ist die Mama vom Franz und zwar einfach aus dem Grund, weil sie so eine Art hat, Franz’ Probleme anzuhören. Diese Art, ihn gleichzeitig ernstzunehmen und eine Leichtigkeit reinzubringen. Und eine dritte Figur ist der Gurkenkönig, weil er so ein großartiges Karikaturding ist, ein Plastiksackerl gefüllt mit Hefeteig, vor dem alle niederknien, nur weil er behauptet, er hat Autorität.

Warum soll man sich den Franz-Film denn ansehen?

Sarah Wassermair: Die letzten paar Jahre waren für Kinder echt nicht schön. Ich habe hohen Respekt vor Kindern und wenn wir ihnen eine kleine Ecke von Leichtigkeit bringen können, das fände ich sehr schön. Es ist wichtig, wie es ihnen geht, auch wenn die Erwachsenen gerade mit irgendeinem Scheiß wie Seuche und Krieg und Klimaerwärmung beschäftigt sind. Ihre Probleme sind nicht klein und unwichtig, sondern sie sind die wichtigsten Personen, die es gibt. Wenn wir das rüberbringen könnten, und wenn es eben nur anderthalb Stunden sind, die leichter sind, dann bin ich voll dafür.

„Geschichten vom Franz“ (Regie: Johannes Schmid, Buch: Sarah Wassermair) läuft ab 14. April in den österreichischen Kinos.

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