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The Northman

Universal Pictures

„The Northman“ ist ein Blockbuster mit Blackmetal-Stimmung

Wie sieht ein teurer Hollywood-Actionfilm aus, wenn ihn ein düsterer Indie-Regisseur dreht? Das neue Werk von Robert Eggers zeigt ungeahnte Möglichkeiten.

Von Christian Fuchs

Irgendetwas ist anders an diesem Blockbuster. Die schnellen Schnitte fehlen, die zu so vielen actionlastigen Eventmovies gehören. Keine inflationären Computereffekte beleidigen das Auge. Die Landschaften, die Kostüme, die dreckverschmierten Gesichter der Figuren in diesem aufwändigen Historienepos, sie wirken rauh und echt.

Dazu spritzt das Kunstblut ähnlich heftig wie in harten Horrorschockern. Kehlen werden aufgebissen, Körper gepfählt, unbeschreibliche Dinge passieren im Kontext eines Multiplex-Films. „The Northman“ ist zwar eine teure Hollywood-Produktion, aber eben auch ein Film von Robert Eggers.

The Northman

Universal Pictures

Anstrengungen und Ambitionen

Mit zwei Low-Budget-Werken wurde der 38-jährige Regisseur aus New York zum Festivalstar. „The Witch“ und „The Lighthouse“, dass sind intime Kammerspiele in Sachen surrealer Schrecken. Aber auch äußerst präzise recherchierte Historiendramen. Umfangreichste Nachforschungen hat Robert Eggers auch für „The Northman“ betrieben. Auch wenn das 90-Millionen-Dollar-Budget nach Popcorn-Action schreit, stecken dahinter gewaltige Anstrengungen und Ambitionen, sagt Eggers im FM4 Interview.

„Ursprünglich haben mich Wikinger nicht interessiert, wegen der ganzen Macho-Stereotypen, die mein Film hoffentlich nicht bedient. Und da war auch die rechtsradikale Vereinnahmung der Wikinger-Kultur, gegen die ich wirklich allergisch bin. Aber dann habe ich entdeckt, dass das eine Kultur der Poesie, der Kunst, der Musik war – und all dieses andere unglaubliche Zeug. Aber sie waren auch grauenhaft patriarchisch und gewalttätig, entsprechend den Stereotypen. Und offensichtlich haben wir uns kulturell nicht weiterentwickelt."

The Northman

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Wenige Worte, martialische Bilder

Die Geschichte selbst ist archaisch einfach: Ein junger Wikingerprinz beobachtet die Ermordung seines königlichen Vaters durch dessen intriganten Halbbruder. Dem Augenzeugen gelingt die Flucht.

Wir begegnen Prinz Amleth Jahre später, als Teil einer brutalen Kriegerhorde, die Dörfer verwüstet und Familien lebendig verbrennt. Nach außen ein abgestumpfter Killer treibt den berserkerhaften Mann innerlich nur die Rache an. Der Onkel muss sterben, die Mutter aus seinen Armen befreit werden.

Die Grundidee für den Plot haben Robert Eggers und der isländische Coautor Sjón einer alten skandinavischen Legende entnommen, die auch schon „Hamlet“ inspirierte. Shakespeares kunstvolle Reime sucht man in „The Northman“ aber vergeblich. Es ist ein Film der wenigen Worte und der überwältigenden, strengen, martialischen Bilder. Ein Blockbuster mit Blackmetal-Stimmung, dafür muss man auch in der Laune sein.

The Northman

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Animalische Alphamänner

Das Casting könnte perfekter nicht sein. Nicole Kidman brilliert als herrische Königin, Willem Dafoe, der schon in „The Lighthouse“ faszinierte, gibt den verrückten Hofnarren, „The Witch“ Anya Taylor-Joy funkelt als mystische Hexe Olga, Björk hat einen gespenstischen Kurzauftritt.

Mittendrin im Kampfgetümmel steht aber Alexander Skarsgård, der schöne Schwede, der auf dysfunktionale Alphamänner abonniert scheint. Als Prinz Amleth vereinnahmt er die Leinwand mit purer Körperlichkeit. In bestimmten Momenten flackert eine animalische Seite auf, die durchaus fassungslos macht. Robert Eggers, so liest man, hat seine Akteure aber zu einem derart expressiven Spiel animiert.

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Unscharfe moralische Grenzen

Skarsgård hat sich jedenfalls kompromisslos drauf eingelassen, erzählt er. "Ich hatte den Traum eines Wikingerfilms von Kindheit an. In Schweden aufzuwachsen, hieß auch konstant an die Wikingerzeit erinnert zu werden.“ Der Sohn einer berühmten Schauspieler-Dynastie verwehrt sich, ebenso wie der von ihm auserwählte Regisseur, massiv gegen reaktionäre Stilisierungen seiner Figur.

„Es ist bei uns eben alles viel verschwommener als das klassische Held-Bösewicht-Schema. Wo es darum geht, die entführte Frau zu retten. Dieses Narrativ, das sich durch die Literatur zieht und definitiv in Hollywood wichtig ist, wo die moralischen Grenzen scharf gezogen sind. Es ist immer spannender, diese Linien verschwimmen zu lassen. Dann eröffnen sich völlig neue Fragen, ob eine Tat gerechtfertigt ist oder nicht. In diesem Sinne steckt viel mehr hinter meinem Charakter, wenn man die einzelnen Schichten abschält. Das ist eine Reise, die mich immer interessiert."

The Northman

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Am 2.5.2022 sprechen Pia Reiser und Christian Fuchs im 125. FM4 Film Podcast über „The Northman“, Robert Eggers blutiges und düsteres Wikinger-Epos, sowie über die romantische Actionkomödie „Lost City“ der Regiebrüder Adam und Aaron Nee. Abenteuerlich geht es in beiden Filmen zu, soviel ist sicher.

Wie Robert Eggers wehrt sich auch Alexander Skarsgård dagegen, den blutverschmierten Prinz Amleth als Posterboy für toxische Maskulinität abzutun - oder gar als Ikone für heutige Fans von Blut-und-Boden-Ideologien.

„The Northman“, betonen die beiden, will einfach ungefiltert die Wikingerära aufleben lassen. Mit rauschhaften Ritualen, einer Ästhetik zwischen Realismus und Fiebertraum - und auch Schlachtenszenen, die in ihrer Grausamkeit im Mainstream selten sind. „The Northman“ sprengt die Regeln des Blockbuster-Kinos.

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