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Glide Breaker

DARPA

Erich Moechel

Hyperschall-Wettrüsten geht in die nächste Phase

Für 2022 sind vom Pentagon 3,8 Milliarden Dollar für die Entwicklung von Hyperschallwaffen vorgesehen. Die beiden US-Prototypen für superschnelle Cruise Missiles haben bereits die ersten Flüge absolviert.

Von Erich Moechel

Das Projekt „Glide Breaker“ der militärischen Forschungsagentur DARPA geht in seine zweite Phase, die Ausschreibung dafür läuft bis Anfang Juni. Die beiden in Phase eins entwickelten keilförmigen Flugkörper, die Geschwindigkeiten von Mach 10 erreichen können, werden nun im Windkanal getestet.

Davor schon hatte das Pentagon den erfolgreichen Test eines Hyperschall-Marschflugkörpers mit Scramjet-Antrieb bekannt gegeben. Das ist eine neuartige Waffe, während die von Russland im Ukraine-Krieg eingesetzte Kinzhal zwar hyperschallschnell, aber eine konventionelle aeroballistische Rakete ist.

Abschuss eines Tomahawk Marschflugkörpers

US Navy/Leah Stiles

Der Glider soll über das Aegis MK 41 Startsystem abgefeuert werden, über das „Tomahawk“-Marschflugkörper oder Luftabwehrraketen von Schiffen abgefeuert werden können. Die ebenfalls seegestützte russische Zirkon wird ebenso aus den Standard-Raketenschächten russischer Fregatten oder Zerstörer gestartet. Dabei handelt es sich um eine Anti-Schiffsrakete, die auch gegen Ziele am Land eingesetzt werden kann.

Ein „Kill Vehicle“ im Windkanal

Die Kinzhal wurde von einer MIG 31 noch von russischem Territorium aus in großer Höhe auf Ziele im Westen der Ukraine abgeschossen.

Ganz anders als das russische „Avangard“-System, das Ende 2018 seinen ersten offiziellen Flug absolviert hatte, ist der geplante US-Glider als Abwehrwaffe konzipiert. Die Avangard wurde von einer ballistischen Langstreckenrakete nahezu senkrecht Richtung All abgefeuert, Experten schätzten die Flughöhe dabei auf bis zu 100 Kilometer ein. Dieses System ist landgestützt, der US-Gleiter ist hingegen für den maritimen Einsatz konzipiert und offenbar wesentlich kleiner dimensioniert als die Avangard. Was in den USA gerade ausgeschrieben wurde, soll nämlich auf See zur Abwehr schneller Raketen eingesetzt werden.

Das Programm der DARPA sieht nun vor, die beiden Prototypen dieses „Kill Vehicle“ im Windkanal zu testen. Weil taugliche Windkanalsysteme, die Hyperschallgeschwindigkeiten simulieren können, wegen des großen Interesses an Hyperschallprojekten auf mindestens 18 Monate ausgebucht seien, habe die DARPA einen Windkanal reserviert, heißt es in der Ausschreibung. Der frühestmögliche freie Termin in den Windkanälen der Arnolds Air Force Base in Tennessee war im ersten Quartal 2024. In diesen Tunnels wird die Aerodynamik vielfach verkleinerter Modelle neuer Flugkörper getestet. Der von der DARPA gebuchte Windkanal B hat eine Testkapazität bis zu Mach 8, die Luft im Tunnel kann bis auf 900 Grad aufgeheizt werden.

Ausschreibung

DARPA

In diesem Zeitplan für die Entwicklung des Gliders sind die ersten Jahre ab 2018 nicht abgebildet. Nach dieser Zählung geht das Projekt derzeit in sein viertes Quartal, Designprozess und Windkanaltests laufen parallel(, da das Design ja an die Testergebnisse angepasst wird.

Extreme Ansprüche an die Steuerung

Der Flug des Avangard-Systems im Dezember 2018 hatte den aktuellen Rüstungswettlauf ausgelöst.

Die ersten drei Jahre seit dem Start des US-Hyperschallprogramms 2018 wurden damit verbracht, ein ѕogenanntes „Ausweich- und Neuausrichtungssystem“ („divert and attitude control system“) zu entwickeln. Ein solches Fluggefährt bei fünffacher und höherer Schallgeschwindigkeit auf dem Ritt durch die Atmosphäre auf Kurs zu halten, stellt extreme Ansprüche an die Steuerung und ganz besonders, wenn die Außentemperatur dabei 2.000 Grad und mehr erreicht. Der US-Gleiter, also der Gefechtskopf einer mehrstufigen Rakete, dürfte ebenso wie die russische Avangard ohne eigenen Antrieb konzipiert sein. Der freie Fall aus zig Kilometern Höhe hatte diesen Gleiter im Dezember 2018 nach russischen Angaben zuletzt auf die 27-fache (!) Schallgeschwindigkeit beschleunigt.

Ein solches Steuersystem wird auch von den „air breathing vehicles“ benötigt, das ist der zweite Typ, an dessen Entwicklung beide Großmächte arbeiten. Das große, bisher ungelöste Problem dabei war, diese mächtige Hyperschall-Turbine überhaupt zu starten, denn ein „Scramjet“-Antrieb springt - je nach Konstruktion - erst bei mehr als dreifacher Schallgeschwindigkeit an. Anfang April hatten DARPA und die Air Force den ersten erfolgreichen Flug eines solchen Flugvehikels bekannt gegeben. Nach dem Abwurf durch einen Jet habe ein Booster, also eine herkömmliche Raketenstufe, das Gerät so weit beschleunigt, dass die Scramjet-Turbine ansprang, hieß es in der Aussendung. Das Fluggerät habe dabei eine Höhe von mehr als 20 Kilometer erreicht und sei dann 600 Kilometer weit mit Mach 5 geflogen.

Raketenantriebsgrafik

Aerojet-Rocketdyne

Hier sieht man zwei Versionen des Antriebskonzepts von Aerojet Rocketdyne, dem Lieferanten von Hyperschallantrieben des Lockheed-Konsortiums. Das obere Bild zeigte eine kombinierte Ramjet/Scramjet-Turbine. Diese Ramjet/Scarmjet-Turbinen kommen ohne bewegliche Teile aus. Die Studie des Congressional Research Service zu Hyperschallwaffen wurde Mitte März vorgelegt (siehe unten)

Einsatzzweck, Treffsicherheit, Effizienz

Um den Rückstand der USA bei hyperschallschnellen Marschflugkörpern gegenüber China aufzuholen, wurden zwei konkurrierende Projekte an Lockheed und Raytheon vergeben.

3,8 Milliarden Dollar hat das Pentagon im Fiskaljahr 2022 für Hyperschallprojekte vorgesehen, diese Gelder werden unter Forschung verbucht, einen konkreten Auftrag zur Entwicklung einer bestimmten Waffe gibt es noch immer nicht. Ein Bericht des Forschungsdienstes „Congressional Research Service“ von Mitte März, der die Entscheidungsfindung der Abgeordneten beider Häuser im Kongress unterstützt, zählt die Gründe dafür auf: Es sind offene Fragen, die das Pentagon derzeit nicht beantworten kann. „Für welche Kampfaufträge sollen Hyperschallwaffen eingesetzt werden?“, fragen die Autoren des Berichts und vor allem, welchen Stellenwert und welche Funktion dieser Waffengattung in der US-Militärdoktrin einnehmen sollen.

Solange kein solches Pflichtenheft für mögliche Einsatzzwecke („Mission Requirements“) vorliege, könne der Kongress auch nicht beurteilen, ob Förderungsanträge tatsächlich notwendig, technisch machbar und die kosteneffizienteste Lösung für den jeweiligen Einsatzzweck sei, heißt es in dem Bericht. Der Hyperschallgleiter wird in den USA seit 2018 stets als Abwehrwaffe bezeichnet, die gegnerische Hyperschall-Vehikel abfangen soll. Der russische Avangard-Gleiter ist hingegen klar als Angriffswaffe definiert, beide Projekten haben aber eines gemeinsam: Über die mögliche Treffsicherheit all dieser hyperschallschnellen Flugvehikel gibt es von beiden Seiten gleichermaßen keine Informationen, die zumindest eine Plausibilitätseinschätzung ermöglichen würden. Alle bisher veröffentlichten Bilder und Videos der Tests beider Seiten zeigen jeweils nur die Starts, Bildmaterial von den Zieleinschlägen gibt es nicht.

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