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Sorry

Peter Eason Daniels

Song zum sonntag

Der Song zum Sonntag: Sorry - „There’s So Many People That Want To Be Loved“

Zuerst starstruck, dann in love, immer Sorry: Das Quintett aus dem Norden Londons denkt in seinem neuen Song über die Liebe nach.

Von Christoph Sepin

So haben Sorry 2018 geklungen: Grungig und verzerrt, schön gespielt gelangweilt, understated, trotzdem rough. Hat alles gerade gut ins 90er-Rock’n’Roll-Revival reingepasst, das seitdem von einer Umfokussierung zur 00er-Jahre-Nostalgie abgelöst wurde. Dezember 2018 der Release von Sorry „Starstruck“ und der Anfang von was Großem, dann dreieinhalb Jahre, die sich wie drei Jahrzehnte angefühlt haben.

Was ist in der Zwischenzeit passiert in der Welt von Sorry? Das Debütalbum „925“ aus dem Jahr 2020, ein Livealbum aus der legendären Brixtoner Venue Windmill, eine experimentellere EP namens „Twixtustwain“. Und was folgt? Endlich eine ausgiebige Tour durch UK und USA und wohl bald mehr Tourtermine, hoffentlich auch hierzulande. Passende Venues dafür kann man sich gut vorstellen hört man Sorry von früher an, passende Locations auch, wenn man Sorry jetzt hört.

Da hat sich nämlich doch einiges getan, soundtechnisch, zwischen „Starstruck“ und dem ausführlich betitelten „There’s So Many People That Want To Be Loved“. Kennt ihr noch das Genre Twee? Bands wie The Moldy Peaches oder The Lovely Eggs? „Whimsical“, das unübersetzbare englische Wort, das solche Musik ganz gut beschreibt. Verspielt-verschrobene, simple Skizzen aus dem Bedroom-Studio, wie sie heute von tausenden melancholischen Teens in die TikTok-Kamera gesungen werden. Hör mir zu, aber hör ganz genau hin. Denn zu laut wird das nicht werden.

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  • Auch die geschätzten Wissenschafts- und Popjournalist*innen Thomas Kramar und Heide Rampetzreiter machen sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song ihre Gedanken.

„Alle wollen sich küssen“, singt der Nino aus Wien im Jahrhundertsong „Bäume“, „There’s so many people that want to be loved“, singt Asha Lorenz jetzt am neuen Sorry-Song. Eine distanzierte Beobachtung der Menschen und ihrer Gefühlswelten? Nein, wir sind hier mittendrin im Heartbreak und in den individuellen Komplikationen der Storyteller*in. „There’s a conversation that I’d like to discuss, but you don’t wanna open your goddamn mouth“.

Hier ein Lied als Quasi-Gegenpol zum Sprichwort „there are plenty of fish in the sea“: Ja, klar, da draußen, da sind so viele Menschen, die geliebt werden wollen. Aber ich, ich denke nur an dich: „There’s so many people that just want to be loved, but you’re the only pair of hands that I’m thinking of“. Sie spazieren auf der Straße herum („See them walking around in odd socks“), sie gehen nachts in den Club und versuchen verzweifelt andere einsame Seelen kennenzulernen („I see them in the nightclubs barking up the walls“), aber im Endeffekt bleiben sie allein, wie Astronaut*innen im Weltall („lookin about as lonely as astronauts“).

Super, oder? Es ist schon was dran, dass man sich in komplizierten Zeiten nach simplen Messages sehnt. Im Idealfall sind das aber solche, wie von Sorry: Komplexe emotionale Challenges werden zusammengefasst und dann in ruhiger Stimme über einfache Instrumentierung rezitiert. Und man sieht, so verwirrend ist das vielleicht alles doch nicht. Und so allein bin ich auch nicht. Und da ist zumindest eine Band und all’ ihre Fans, die mich verstehen. „I’ve been workin’ things out, I’ve been takin’ my time“, singt Asha Lorenz in Retrospektive, als ob das alles gar nicht so arg gewesen ist, mit dem gebrochenen Herzen. Und blickt in die Zukunft: das nächste Album von Sorry sollte wohl doch noch heuer erscheinen. Passen würde es gut ins Jahr 2022.

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