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Kurt Vile Album "(watch my moves)"

Adam Wallacavage

Chillen mit Kurt Vile

In den USA gilt er als der „Slacker King“ der Rockmusik. Kurt Vile pflegt das Image des gemütlichen Abhängens in Wort, Ton und Bild. Doch sein neues Album ist alles andere als faul.

Von Christian Lehner

Der Mann mit der Gitarre klimpert sich mit einem Klavier in sein neues Album „(watch my moves)“. Kurt Vile singt im Eröffnungsstück „Going On a Plane Today“ über eine Reise, die ihn an einen Ort brachte, wo er sich endlich wohlfühlt. Er singt darüber, wie er seine Flugangst überwand, wie er dem Alkohol abschwor und wie ein Kindheitstraum wahr wurde, als ihn sein Idol Neil Young als Opening Act engagierte.

Er tut das, indem er all die Dämonen, die ihn bisher plagten, noch einmal durch den Song spazieren lässt. Man muss sie nur ansingen, dann gehen sie schon weg. Ein Modus Operandi für das gesamte Album.

Die Einführung erinnert von der spärlichen Begleitung und der Erzählweise her an den Andy Warhol-Nachruf „Songs For Drella“ von John Cale und Lou Reed. Kurt Vile hatte zuletzt eine Coverversion von „Run Run Run“ zum Album „I’ll Be Your Mirror. A Tribute To The Velvet Underground & Nico“ beigesteuert.

Busy Slacker King

Der Mann mit dem langen Haar genießt innerhalb der US-Rockszene den Ruf, der König des gepflegten Abhängertums, des gebremsten Antriebs und des eher gemütlichen Rock’n’Rolls zu sein. Dabei war Vile als Musiker schon sehr fleißig. Immerhin ist soeben sein siebtes Soloalbum erschienen, das den Titel „(watch my moves)“ trägt. Davor hat der Sänger und Gitarrist in der mittlerweile sehr erfolgreichen Band The War On Drugs gespielt. Seiner Backing-Band The Violators entstammt der als Solomusiker ebenfalls erfolgreiche Gitarrist und Sänger Steve Gunn. Mit der australischen Singer-Songwriterin Courtney Barnett verbindet Kurt Vile eine professionelle Soul-Mate-Partnerschaft, die das Album „Lotta Sea Lice“ hervorbrachte.

Kurz vor dessen Tod vor zwei Jahren erfüllte sich der Philadelphia-Kurti noch einen Bubentraum und nahm Songs mit der Country- und FolklegendeJohn Prine auf. Beim letzten Album von Dinosaur Jr. saß er teilweise an der Gitarre, teilweise am Mischpult. Ganz schön viel Arbeit für einen, der am liebsten in einem Stuhl in seinem Wintergarten fläzt, Musik von Sun Ra hört und dabei im Gedanken auf Reisen geht.

Kurt Vile Album "(watch my moves)"

Christian Lehner

Kurt Vile mit ET-Button und Neil Young T-Shirt beim FM4-Interview in Berlin, April 2022

Ein weiterer Song über das “Ankommen“ auf dem neuen Album ist „Mount Airy Hill“. So heißt die kleine Erhöhung im Nordwesten von Philadelphia, wo das Haus von Kurt Vile steht, wo er mit seiner Familie lebt, wo er seine Songs schreibt und wo er sie in seinem Home-Studio aufnimmt. Die Pandemie hat ihm, wie so vielen anderen Musiker*innen auch, das Touren genommen, die Pandemie hat ihm aber auch ein neues Leben gegeben. Kurt Vile ist endlich dort angekommen, wo er schon lange gelebt hat: Zuhause bei seiner Frau und den Kindern. „Meine Tochter ist am Album-Cover“, erzählt Kurt Vile im FM4-Interview, “That says a lot.”

Kurt Vile Album "(watch my moves)"

Verve Records

Hier geht es zum Interview-Podcast mit Kurt Vile

Aufgrund seiner gechillten Art und der gechillten Art seiner Songs hat Kurt Vile den Spitznamen „Slacker King“ verliehen bekommen. Doch seine Musik ist alles andere als faul. „(watch my moves)“ ist ein versponnenes, detailverliebtes Album, dem man das Komplizierte und Verschachtelte nicht anhört. Und es hat Ambition. Schon Viles Debüt trug den Titel „Constant Hit Maker“. „Ich versuche immer, ein Hit-Album zu schreiben,“ sagt Kurt Vile, „aber dann kommt mir stets die Psychedelic dazwischen. Ich glaube, auf diesem Album habe ich eine gute Balance gefunden.“

„(watch my moves)“ ist eines dieser Alben, in die man sich wie in eine Hängematte fallen lassen kann. Man döst ein wenig, denkt sich aber auch etwas, sieht der Welt beim Weltsein zu, entwickelt einen Sinn für den Augenblick und für Traumreisen.

Oft erzählt Vile in seinen Texten über sich in der Art eines Rappers und lässt seine Gedanken frei assoziativ fließen. Das an manchen Stellen überhöhte Dylan-Naserln und Lou Reed-Brummen fügt sich mit den Soundwolken der Gitarre, der von Vile selbst getröteten Trompete und dem von James Stewart (Sun Ra Arkestra) geblasenen Tenorsaxophon zu einem Suburban Groove zusammen. Vile feiert so seine leicht verschrobene Außenseiterexistenz, die trotzdem nicht auf Familienglück und Zufriedenheit verzichten möchte. Wer will es ihm verdenken.

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