Frankophones Bulgarien

In Bulgarien war Frankophonie einmal sehr modern. Sogar der Staatspräsident war ein stolzer Französisch-Sprecher. Diese Mode ist vergangen. Es kamen andere „phone“ und „file“: Deutsche, Englische und Russische. Die Frankophonie hat aber immer noch ihre wahren Fans.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Die Oma von M. ist 92 Jahre alt. Sie hat ihr ganzes Leben am Bahnhof in Gorna Orjahovitza verbracht, einem wichtigen Eisenbahnknoten in Nordbulgarien. Sie begann ihre Karriere als Weichenstellerin, dann wurde sie Chefweichenstellerin und schließlich Fahrdienstleiterin. Ihr kennt sicherlich diese Menschen, die stolz mit ihren roten Mützen an Bahnhöfen stehen – so eine war die Oma von M.

Seit Beginn der Eisenbahn in Bulgarien werden Bahnhöfe auch auf Französisch beschriftet. Das Leben von M.s Oma verlief zwischen den Aufschriften „Сhef de gare“ und „Salle d’attente“.

Mit diesen Bahnhofsaufschriften waren ihre Französischkenntnisse aber auch schon ausgeschöpft. Sie ist aber trotzdem eine stolzer Frankophone und glaubt, dass Frankreich das schönste und mächtigste Land der Welt sei. Nur einmal war sie auf Frankreich böse, als ein französischer Botschafter die Bulgaren tadelte, dass sie sich nicht genug freuten, als Frankreich Fußballweltmeister geworden war. Aber auch irgend ein blöder Beamter kann nicht die Aufschrift „mouvement“, die auf der Tür ihres Büros stand, einfach so verblassen lassen.

Neulich schickte sie uns eine Nachricht (sie kennt sich super mit Technologie aus, sie hat einen Computer und ein Smartphone) „Drücken wir Macron die Daumen, sonst war es das mit unseren schönen EU!“

Eine arme pensionierte Eisenbahnerin in Bulgarien drückt die Daumen für den als „Kandidat der Reichen“ bekannten Macron! Vor ihren Augen sind tausende Züge abgefahren, die die Menschen in Europa miteinander verbinden. Das soll immer so weitergehen. Alles auf dieser Welt ist „mouvement“ und es ist ganz wichtig, wer „Сhef de gare“ ist!