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Szenenbilder aus "Doctor Strange and the Multiverse of Madness"

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Bumm im Multiversum

Benedict Cumberbatch kämpft sich in „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ als Doctor Strange durch einen Film, der dringend ein paar Skript-Doktoren benötigt hätte. Regisseur Sam Raimis Schriftzug ist in Spurenelementen vorhanden, der Rest macht einen uncomfortably numb.

Von Pia Reiser

FM4 Filmpodcast: Doctor Strange in the Multiverse of Madness & The Electrical Life of Louis Wain
Er sagt über sich selbst er habe „a face like an otter“ und bittet seine weibliche Fangemeinde, sich nicht mehr „cumberbitches“ zu nennen. Seit Benedict Cumberbatch als titelgebender Detektiv in der BBC Serie „Sherlock“ aufgetaucht ist, sieht man ihn meistens in Rollen von genialen, aber im sozialen Umgang eher schwierigen Männern.

Aktuell ist Cumberbatch im Kino als Magier/Superheld in „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ zu sehen, ein Film, der einen wünschen lässt, dass die Idee des Multiversums wieder aus den Marvel-Filmen verschwindet. Und vor ein paar Wochen ist „The Electrical Life of Louis Wain“ in den österreichischen Kinos gestartet, in dem Cumberbatch Wain spielt, einen Maler im viktorianischen Zeitalter, der die britische Gesellschaft mit Katzen-Zeichnungen begeistert.

Christian Fuchs und Pia Reiser widmen am 16.5.2022 den FM4 Filmpodcast diesen beiden Filmen. Ein Gespräch über Marvel-Makel, wieviel Horror im Multiverse Platz hat, Kätzchen und viktorianische Niedlichkeiten – und natürlich den Schauspieler mit der besten Stimme seit Alan Rickman.

Wenn in einem Film der Satz „The Illuminati will see you now“ fällt und man sich denkt ‚Mah, wie toll wäre es jetzt eine Dan-Brown-Verfilmung zu sehen‘, dann hat man schon über eine Stunde an der Seite von Dr Strange in „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ verbracht und alle Hoffnung auf filmische Überraschungen oder erzählerische Schlüssigkeit aufgegeben. Zombie-Dr-Strange, Steinmonster, Bücher der dunklen Magie, ein Kampf mit Musiknoten und zusätzliche Sinnesorgane? yeahsurewhatever.

Auf den Straßen New Yorks, da wo Regisseur Sam Raimi auch viele Szenen seiner Spider-Man-Trilogie Anfang der 00er Jahre angesiedelt hat, da findet eine der überzeugendsten - wohl auch, weil eine der simpelsten - Szenen in „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ statt. Dr Stephen Strange will eigentlich nur der Hochzeit seiner Ex-Freundin Christine (Rachel McAdams) beiwohnen, da tobt und schleimt plötzlich eine einäugige Riesenkrake auf einer Kreuzung herum. Strange wirft sich seinen roten Zauberumhang um und eilt zur Hilfe. Superheld versus Monsterum, es gibt sie noch die guten Dinge.

Strange rettet eine junge Frau namens America (Xochitl Gomez), die er glaubt in einem seiner Träume gesehen zu haben. Aber schon einen ganz guten, schlagfertigen Dialog später, stecken wir dann drin in der Multiversums-Misere. America kann sich zwischen verschiedenen Teilen des Multiversums bewegen, hat ihre Kraft aber nicht unter Kontrolle. Schnell ist Wanda Maximoff aka Scarlet Witch (Elizabeth Olsen) hinter America her, damit sie sich in die Ausgabe des Multiversums transportieren kann, wo ihre Kinder sind. Ab dann: Showdown bis der Arzt kommt.

Szenenbilder aus "Doctor Strange and the Multiverse of Madness"

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Elizabeth Olsen als Scarlet Witch

Wir landen in einem Paralleluniversums-New York, vorgeblich um Scarlet Witch aufzuhalten, aber eigentlich nur, um viel zu viele Cameos unterzu- und damit später reddit zum Wackeln zu bringen. Würden hier auch noch Dr Best oder Radioactive Man vorbeischauen, man würde auch nicht mehr mit der Wimper zucken. Eventuell taugt die Weltenschmelze, diese SuperheldInnen-Polonaise für eine Parodie, alle anderen Genres gehen sich aber nicht aus. Dabei probiert Raimi etwas, was man bisher in den Marvel-Filmen nicht gesehen hat. Er bedient sich nämlich bei dem Genre, das er beherrscht: Horror. Nicht nur hat Bruce Campbell, der Held seiner „Evil Dead“- Filme, einen kleinen Auftritt, Raimi lässt auch Scarlet Witch wie das Mädchen aus „The Ring“ und einmal - blutverschmiert - wie „Carrie“ auftreten. Die schönsten Momente in „Dr Strange and the Multiverse of Madness“ sind eigentlich ganz klein: Die klassische Glockenspielmelodie, die das Horrorgenre so liebt, unheimliche Spiegelung, ein Foto, auf dem sich die abgebildete Person plötzlich bewegt, eine Lampe, die schaukelt. Eine untote Hand, die wie in „Evil Dead“ aus der Erde fährt - und die fast absichtlich trashig aussehende Zombie-Latex-Maske von Dr Strange.

Aber all diese organischen Momente sind eingewickelt in recht generisches CGI, das alles in allem so aussieht wie eine recht teure Episode von „Charmed“. Nur dass es in „Charmed“ recht klare Regeln gab, die schon hilfreich sind, wenn man in einer Welt versinken will.

Die Geister, die man mit der Einführung des Marvel Multiversums gerufen hat, die wird man jetzt nicht nur nicht mehr los, die fressen auch so ziemlich alles auf, was mal für Charme, Spannung und auch Faszination in diesem Franchise gesorgt hat.

Szenenbilder aus "Doctor Strange and the Multiverse of Madness"

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Die Kreissäge der Zukunft

Das Interessante an einer SuperheldInnen-Figur ist ja auch ihre Einsamkeit, ihre Außenseiter-Position. Wenn es aber in Filmen von SuperheldInnen wimmelt - denen ja auch allen eine andere Tonalität anhaftet, worauf man dann in den Mischmaschfilmen einfach pfeift - dann hebeln sie sich alles gegenseitig aus. Und wo anfänglich noch zarte Gedankenexperimente möglich waren und man aus den Unterschieden in Bezug auf Charakter und ihre Ideologie wie z.B. zwischen Captain America und Iron Man noch interessante Geschichtenentwicklungen spinnen konnte, herrscht seit das Multiversum geöffnet worden ist, große Leere.

Die Möglichkeit, verschiedene SuperheldInnen-Welten zu vereinen, die Existenz von Parallelwelten und das Wandeln zwischen verschiedenen Welten sind in der Theorie vielleicht reizvoll, in der Praxis eine Reizüberflutung- Auch weil es bis jetzt kein Drehbuchautor geschafft hat, aus den unendlichen Möglichkeiten einen Geschichtenfaden rauszuziehen, der mehr war als eine Aneinanderreihung von Showdown an Referenz, immer nur unterbrochen von Monologen, in denen jemand etwas erklärt für all die, die vielleicht die letzte „Loki“-Staffel oder das „Wandavision“-Finale nicht mehr ganz präzise im Kopf haben. Benedict Cumberbatch und Elizabeth Olsen werden in diesem Brimborium der Leere ebenso zerrieben, wie der halbherzige Versuch, den Figuren menschliche Regungen umzuhängen. Das einzig überraschende Element dieses Films kommt dann im Abspann, da hat man nämlich Michael Stuhlbarg Ü-Stricherl verpasst.

Das Multiverse ist ein Multi-Worse.

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