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Portrait Elyas Jamalzadeh

(c)Mira Rumpel

„Freitag ist ein guter Tag zum Flüchten“

Es ist eine unglaubliche Fluchtgeschichte, die Elyas Jamalzadeh in seinem Buch erzählt. Trotz aller lebensbedrohlichen Gefahren und Rückschläge schildert der aus dem Iran Geflohene die Situationen auch mit viel Humor. Ein Buch, dass kein Mitleid will, sondern Aufmerksamkeit und mehr Toleranz für Flüchtende.

Von Andreas Gstettner-Brugger

Eigentlich flüchtet jeder Mensch vor etwas. Seien es kleinere Dingen wie die Rundfunkgebühren, allgemeine Dinge wie Verantwortung zu übernehmen oder seien es äußere Umständen wie Krieg und Terror.

Elyas Jamalzadeh ist als Flüchtender geboren worden. Grundnervosität und Alarmbereitschaft haben sich tief in seinen Alltag und sein Nervensystem eingegraben.

Stell dir mal vor, du bist dein ganzes Leben lang nervös, merkst alles, bist ständig auf der Hut. Ich war schon nervös geboren. Ich war illegal.

Schon seine afghanischen Eltern mussten wegen der Taliban in den Iran fliehen. Dort sind er und seine Familie Menschen zweiter Klasse. Elyas darf nicht in die Schule gehen und muss schon mit acht Jahren auf der Straße arbeiten.

Das ist der Zeitpunkt, an dem Elyas seine Kindheit verliert. Das nackte Überleben und die schwere Last, seine Familie zu ernähren, nehmen ihm jegliche Leichtigkeit, die er an iranischen Schulkindern täglich beobachtet. Seine Erfahrungen sind ganz andere. Zwar entwickeln sich unter den Straßenkindern Freundschaften, doch Elyas weiß nie, ob er seine neu gewonnenen Mitstreiter*innen am nächsten Tag gesund wiedersehen wird. Ein Mädchen, das Elyas die meiste Zeit zu beschützen versucht, ist von einem Tag auf den anderen verschwunden. Noch heute erschaudert der Erwachsene Elyas Jamalzadeh bei dem Gedanken an sie.

Als die Situation im Iran sich für die Familie von Elyas zuspitzt, beschließen sie, nach Europa zu fliehen. Es beginnt eine qualvolle, unsichere und lebensgefährliche Reise mit vielen Rückschlägen und demütigender Abhängigkeit von Schleppern und Grenzpolizisten.

Mit offenem Herzen durch die Welt

Die Route führt Elyas und seine Familie von Teheran über die Türkei, von Griechenland durch Mazedonien, Serbien, Ungarn und die Slowakei bis nach Österreich, wo Elyas - unterwegs von seinen Eltern getrennt - aus einem Kofferraum in die Freiheit steigt. Was dann passiert, ist ein Schlüsselerlebnis für Elyas.

Buchcover "Freitag ist ein guter Tag zum Flüchten" Elyas Jamalzadeh

Zsolnay Verlag

Elyas Jamalzadeh „Freitag ist ein guter Tag zum Flüchten“ ist im Zsolnay Verlag erschienen. Der Großteil der Einnahmen wird an Geflüchtete in der Türkei und Griechenland gespendet.

Elyas Jamalzadeh: „Als ich in Wien angekommen bin, war ich einerseits dankbar, es geschafft zu haben, andererseits hatte ich große Angst in meinem Herzen, weil ich meine Eltern auf der Reise verloren hatte. Ich wollte irgendjemanden telefonisch erreichen und dann kam dieser liebe Mann auf mich zu. Er hat mir Kleingeld gebracht, mit mir telefoniert und ein Taxi zu meiner Schwester organisiert. Ich konnte ja kein Deutsch. Mein gutes Ankommen in Österreich verdanke ich auch diesem Menschen. Bei jeder Lesung erzähle ich auch diese Geschichte in der Hoffnung, dass dieser Mann sich bei mir meldet und ich mich bedanken kann.“

Diese Geschichte ist ein schönes Beispiel dafür, dass kleine Gesten der Hilfsbereitschaft einen großen Effekt auf das Leben anderer Menschen haben können. Es zeigt auch, dass es sich bei allen Problemen lohnt, mit offenem Herzen durch die Welt zu gehen. Denn das ist auch Elyas Jamalzadehs Lebensphilosophie - selbst in der harten Zeit als Straßenjunge und auf der Flucht. Aber wie hat er sich sein offenes Herz bewahren können?

Elyas Jamalzadeh: „Das ist eine gute Frage. Im Persischen gibt es eine Redewendung: Von wem hast du deinen guten Charakter? Die Antwort ist, von den schlechten Menschen. Warum? Weil alles, was du siehst, was andere Menschen nicht gut machen, kannst du lernen, es selbst anders und besser zu machen.“

Mit Witz und Mut dem Leben begegnen

Elyas Jamalzadehs Mut, sich seiner Vergangenheit zu stellen und sie im Gespräch mit dem Linzer Lehrer Andreas Hepp, der alles verschriftlichte, nochmal zu durchleben, hat sich ausgezahlt. Nicht nur ist die erste Auflage des Buches schnell verkauft, das Teilen der eigenen Fluchtgeschichte, um damit für Toleranz und Mitgefühl für andere Menschen zu sorgen, hat ihm Sinn gegeben und die Möglichkeit, besser mit seiner Vergangenheit zurecht zu kommen.

Autor Elyas Jamalzadeh und SChreiber und Deutschlehrer Andreas Hepp

(c)Mira Rumpel

Das Buch „Freitag ist ein guter Tag zum Flüchten“ von Elyas Jamalzadeh ist gemeinsam mit seinem Freund und Deutschlehrer Andreas Hepp entstanden, der die Erzählungen aufgeschrieben und in Form gebracht hat.

Elyas Jamalzadeh hat schon früh lernen müssen, schwierige Umstände ins Positive zu wenden und das Beste aus Situationen zu machen. So beginnt er, im Flüchtlingsheim in Bad Goisern angekommen, mit unglaublichem Eifer Deutsch zu lernen. Die Sprache ist für ihn das Tor zur Integration. Sie eröffnet ihm die Möglichkeit, in die Schule zu gehen, sich weiterzubilden und schließlich auch eine Lehre anzufangen.

Aber auch sich seinen Ängsten zu stellen war seit jeher eine gute Bewältigungsstrategie für den heute frisch gebackenen Ehemann. Das Meer, das für viele Menschen ein Sehnsuchtsort ist, ist für Elyas zu dem entsetzlichsten Albtraum geworden. Eingepfercht in ein Schlauchboot auf dem Mittelmeer sah er nicht nur seinem Tod, sondern auch dem seiner Eltern ins Auge. Die Furcht vor dem Wasser ist seit damals geblieben. Allerdings hat der mittlerweile gelernte Friseur seinen Heiratsantrag in einem kleinen Boot auf einem See gemacht. Und auch bei seiner Hochzeit hat Elyas ein Schiff gebucht, um mit seiner Familie und Freunden zu feiern. Das sollte schöne Erinnerungen auf dem Wasser kreieren, als Gegengewicht zu den schlechten Erinnerungen an die Flucht über das Meer.

Es liegt im Elyas Jamalzadehs Charakter, sich auch mit Humor und Witz zu wehren und sich das Leben damit erträglicher zu machen. So fällt bei dem Buch „Freitag ist ein guter Tag zum Flüchten“ sofort der saloppe Ton auf, der humorvolle Erzählstil, der eine große Verbundenheit und Vertrautheit entstehen lässt. Wir können Elyas die ganze Zeit hindurch fast sehen und spüren, wie er im Wohnzimmer gegenüber von uns sitzt und uns seine unglaublichen Geschichten erzählt. Jede Zeile sprudelt nur so voller Energie. Einprägsam und in knappem Stil entsteht ein Sog, der uns selten nach Luft schnappen lässt.

Dankbarkeit als Schlüssel des Glücks

„Freitag ist ein guter Tag zum Flüchten“ ist ein berührendes Buch, wobei Elyas Jamalzadeh es schafft, durch seinen Witz uns nicht in Betroffenheit oder gar Mitleid versinken zu lassen. Immer wieder reißt er uns mit seinem Lebenswillen aus den bedrückenden Bildern der Kindheit im Iran und der schrecklichen Erlebnisse der Flucht heraus. Diese feine Balance ermöglicht es uns, an dem Erzähler und seiner Geschichte dranzubleiben.

Auch seine Ehrlichkeit spielt dabei eine große Rolle. Schließlich ist Elyas Jamalzadeh auch nur ein Mensch und kein Heiliger.

Ich erzähle hier keine „Oh ich bin so arm, hab doch Mitleid“-Geschichte. Ich war nicht nur Opfer, ich war auch böse, ich war auch Täter. So wie jeder Flüchtling, so wie jeder Österreicher, so wie jeder Mensch. Ich erzähle ehrlich mein Leben, meine Prägung, meine Sozialisierung, meine Flucht, Gutes wie Schlechtes.

All das macht „Freitag ist ein guter Tag zum Flüchten“ zu so einem spannenden und wertvollen Buch. Elyas Jamalzadeh betreibt keine Schwarzweißmalerei. Klar wehrt er sich gegen ausbeuterische Schlepper, aber es spricht aus ihm kein pauschales Verurteilen, kein Hass oder Neid. Vielmehr ist es die Dankbarkeit, die er trotz aller widrigen Umstände kultiviert, die ihm zu seinem großen Glück verhilft. Und genau das ist es, was Elyas uns gerne mit seinem Buch mit in unseren Alltag geben möchte.

Elyas Jamalzadeh: „Mein großer Wunsch ist, dass die Menschen Stück für Stück dankbarer werden. Egal, wie viel man besitzt, ein großes Auto oder ein kleines, in einer Villa lebt oder in einer kleinen Wohnung, es ist schon genug, wenn man in einem Land lebt, in dem man Sicherheit und Rechte hat, wo Frauen und Männer gleichgestellt sind. Wo du bei Schmerzen ohne Nachdenken zum Arzt gehen kannst und auch in der Nacht ohne Gefahr draußen sein kannst. Viele Menschen auf der Welt erleben so etwas nie. Das ist alles nicht so selbstverständlich. Ich versuche daher auch, anderen Menschen in Not zu helfen.“

So geht ein Großteil der Einnahmen des Buches als Spende an Flüchtlinge in der Türkei und in Griechenland. Vielen Dank an Elyas Jamalzadeh für dieses großartige Leseerlebnis für einen guten Zweck.

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