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Die zwei Hauptfiguren liegen im Gras und schauen skeptisch

Dinner in America

film

Von der Vergiftung am Familienesstisch

Wenn du ein Fan des Films „Welcome to the Dollhouse“ von Todd Solondz oder der Comicverfilmung „Ghost World“ bist, dann ist „Dinner in America - A Punk Love Story“ eine Empfehlung für dich.  Ben Stiller ist einer der Produzenten der 2020 erschienenen sinistren Coming-of-Age-Komödie „Dinner in America“ von Regisseur und Drehbuchautor Adam Rehmeier.

Von Natalie Brunner

Es ist die Geschichte zweier jugendlicher Außenseiter, die sich auf eine Reise durch ihre schrullige, sich aber für die moralische Norm haltende Nachbarschaft im amerikanischen Mittelwesten begeben. „Dinner in America“ ist tatsächlich um einige gleichzeitig beklemmende und befremdliche Szenen am Familienesstisch konstruiert. Es ist ein Film, in dem Familie definitiv ein F-Word ist, ein Vehikel zur Unterdrückung und Reproduktion von Trauma.

Die zwei jungen Outsider sind keine sympathisch-schrullig comichaften Figuren, wie sie die Filme von Wes Anderson bevölkern, es geht vielmehr um eine Liebesgeschichte zwischen zwei Outlaws, möglicherweise auch Soziopathen.

Ist weird cool?
In deinem Fall: nein.

Dieser Dialog zwischen den zwei Protagonist*innen Patty und Simon fasst ganz gut zusammen, auf welch trockener Ebene „Dinner in America"  spielt. Es geht um das permanente Angefressen-Sein und doch nach menschlicher Nähe Dürsten,  von zwei unverstandenen Seelen, verloren irgendwo im Nirgendwo des Mittleren Westens der USA. 

Simon ist ein durch und durch zorniger junger Mann, Sänger der Punkband Psy Ops mit einer ausgeprägten Neigung zur Pyromanie. Wenn er nicht mit Sturmhaube bekleidet Gigs spielt, verdient er seine Kohle als Versuchsobjekt der Pharmaindustrie oder als Kleindealer.

Patty ist eine schrullige Streberin mit nicht näher definierten, aber heftig medikamentierten psychischen Problemen und der größte Fan von Psy Ops. Ihr großes Hobby zum Abbau von Frustration und Spannung ist es, zu der Musik der Psy Ops im Kinderzimmer zu masturbieren, davon verschwommene Polaroids zu machen und sie an die Postkastenadresse der Band zu schicken.  So weit, so Gaga.

Als Simon in ernsthafte Schwierigkeiten gerät, weil er wieder etwas angezündet hat, schützt Patty ihn vor den Behörden, nicht ahnend, dass er der Adressat ihrer Polaroids ist. Auch Simon hat anfänglich keinen Tau, dass zwischen seiner ihm schwer auf die Nerven gehenden Beschützerin und ihm bereits eine Verbindung besteht.

Es kommt, wie es kommen muss. Die völlig mit prescription drugs zugedröhnte Patty und der aus Nihilismus zu bestehen scheinende Simon geraten in kriminelle  Troubles und beginnen eine bonnie-und-clyde-artige Romanze, die sie aber nicht weiterbringt als zu den Parkplätzen der örtlichen Shoppingcenter.

Der befremdliche Charme und die unfreundliche Weirdness ziehen einen in die Welt der von Kyle Gallner und Emily Skeggs exzellent gespielten Misfits. Man versteht ihre Wut und ist auch ein bisschen stolz  auf Emily, wenn die Bully-Provinz-Beauty-Queens nach Jahren des verbalen Missbrauchs eine Retourkutsche auf die dann nicht mehr so hübsche Stupsnase bekommen. "Dinner in America“ ist ein Plädoyer dafür, Outsidertum nicht als gewählte Entscheidung, sondern als moralische Grundhaltung zu würdigen.

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