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Zerstörte Häuser in der Nähe von Charkiw

APA/AFP/Dimitar DILKOFF

Zurück in der Ukraine

Drei Jahre hat Daniela Prugger in Kiew gelebt und dort bis zum russischen Überfall auf die Ukraine als Korrespondentin für deutschsprachige Medien gearbeitet. Nach Ausbruch des Krieges ging sie nach Moldawien und Polen. Jetzt ist sie in die Ukraine zurückgekehrt. Wir haben sie nach ihren ersten Eindrücken gefragt.

FM4: Heute in FM4 Auf Laut geht es um die Situation von Flüchtlingen in Österreich und Flüchtlinge aus der Ukraine und auch anderswoher. Wir blicken jetzt in die Ukraine. Dort bin ich verbunden mit Daniela Prugger, FM4 Korrespondentin in der Ukraine. Hallo Daniela.

Daniela Prugger: Hallo, vielen Dank für den Anruf.

FM4: Du hast drei Jahre lang in Kiew gelebt und als Korrespondentin dort für deutschsprachige Medien gearbeitet und bist dann, kurz nachdem der Krieg ausgebrochen ist, nach Moldawien gegangen und danach nach Polen. Jetzt bist du wieder zurückgekehrt in die Ukraine. Wie war denn dein erster Eindruck nach deiner Rückkehr in dieses Land im Krieg?

Daniela Prugger: Bis zum 24. Februar war es sehr einfach, in die Ukraine zu reisen. Kiew befindet sich zwei Flugstunden von Wien oder Berlin entfernt. Seit dem Krieg dauert die Reise nach Kiew ein bis zwei Tage. Das war der erste Eindruck: Es ist wirklich schwierig geworden zurückzureisen und kompliziert. Es gibt im ganzen Land Ausgangssperren am Abend. Das heißt, man muss auch immer so planen, dass man nicht zu spät abends ankommt in einer Stadt. Und wenn man die Grenze überquert in Polen und sich dann in der Westukraine befindet, begegnen einem sofort Plakate neben den Straßen, auf denen steht, „Tod den Feinden“ und allerlei Slogans, die einem wirklich nochmal verdeutlichen, dass sich dieses ganze Land im Krieg befindet, dass alle an der Verteidigung der Ukraine beteiligt sind und dass es hier einfach unfassbar viel Widerstand gibt, immer noch.

Daniela Prugger

Daniela Prugger

Daniela Prugger

FM4: Du warst auch einige Tage in Charkiw, einer Stadt eher im Osten des Landes, nahe am Frontverlauf, wie das in der Kriegssprache heißt, also in der Nähe der Gebiete, die von Russland kontrolliert werden. Viele Menschen sind aus Charkiw mittlerweile geflüchtet. Viele dort bleibenden Menschen leben seit Wochen versteckt, um nicht Opfer von Angriffen zu werden. Kannst du beschreiben, wie das Leben dort derzeit aussieht?

Daniela Prugger: Charkiw wurde in den ersten Tagen des Krieges so heftig beschossen wie kaum eine andere Stadt in der Ukraine und befindet sich nur 40 Kilometer von der Grenze zu Russland entfernt. Wir haben Menschen getroffen, die seit Beginn des Krieges in den U-Bahn-Stationen ausharren. Man muss sich vor Augen halten, dass diese U-Bahn-Stationen in der Sowjetunion gebaut wurden und damals schon das Ziel hatten, im Falle eines Angriffs, als Bombenschutzräume zu dienen. Und jetzt war es ausgerechnet Russland, das die Bewohner der Stadt in den Untergrund getrieben hat.

Wenn man mit den Menschen dort spricht, dann sprechen die immer noch auf Russisch. Sie erzählen einem, dass sie Verwandte und Freunde in Russland haben. Man merkt, wie groß das Unverständnis nach wie vor ist, dass Russland diesen Angriffskrieg gestartet hat. Die Menschen trauen sich teilweise nicht in ihre Wohnungen zurück, weil sie einfach so große Angst haben, dass sie im Schlaf ums Leben kommen. Manche haben sich regelrecht eingerichtet. Man sieht da Möbel, man sieht teilweise Betten. Die Menschen haben ihre Haustiere mitgebracht, Katzen, Hunde, Kanarienvögel.

Kinder leben mit den Eltern in diesen U-Bahn-Stationen, die sehr feucht und kalt sind. Die Menschen erzählen, dass ihnen natürlich das Sonnenlicht fehlt. Andere gehen wiederum arbeiten und kommen dann am Abend zurück. Die Menschen sind einfach müde und erzählen einem, dass sie erschöpft sind und dass sie in den ersten Tagen des Krieges dachten, dass das alles nicht so lange dauern wird. Als diese große Panik geherrscht hat, haben sie nur das Notwendigste mitgebracht. Mittlerweile haben sich viele damit abgefunden, dass sie noch länger dort sein werden, die Kinder werden teilweise unterrichtet, die Menschen haben begonnen, sich zu organisieren. Viele Freiwillige bringen Lebensmittel und, was mich am meisten überrascht hat, war, dass das Zentrum von Charkiw sehr aufgeräumt ist und dass die Straßen unfassbar sauber sind. Man hat uns dann erzählt, dass viele dieser Menschen, die in den U-Bahn-Stationen leben, tagsüber dabei helfen, die Stadt aufzuräumen. Weil sie einfach einen Beitrag leisten möchten, aber auch, weil sie möchten, dass die Welt nicht dieses Bild von Charkiw hat, nämlich das Bild einer total zerstörten Geisterstadt. Weil die Menschen sehr stolz sind auf ihre Stadt und auch immer wieder sagen und betonen, dass sie nicht Teil Russlands sein möchten. Alle erzählen, dass sie diese Stadt wieder aufbauen werden, die Frage ist nur, wie viel Zerstörung sie bis dahin noch erleben müssen.

FM4: Viele Teile der Stadt sind zerstört, und massiv zerbombt ist zum Beispiel auch ein Wohngebiet, das du besucht hast. Wie hast du das dort erlebt?

Daniela Prugger: Etwa 15 bis 20 Autominuten vom Zentrum entfernt, im Nordosten von Charkiw befindet sich dieser Stadtteil, der vor dem Krieg vor allem ein Wohngebiet war. Wir waren dort mit Soldaten, weil dieses Gebiet am schwersten zerstört worden ist in diesem Krieg. Und wir sind durch eine Gegend gelaufen, in der im Grunde genommen nur noch Häuserruinen stehen. Wir waren wirklich schockiert. Wenn man diese Wucht, diese Zerstörung wirklich mit eigenen Augen sieht, man kann das eigentlich gar nicht begreifen. Wir sind durch diese Häuserblocks gelaufen. Man darf auch nicht zu lange stehen bleiben, weil es immer noch die Gefahr gibt, dass es Einschläge gibt. Wir haben auch da noch Menschen getroffen, die immer noch dort leben, unter anderem eine ältere Frau, die vor einem wirklich halbzerstörten Haus den Boden gefegt hat und sich um ihre Tulpen gekümmert hat. Wir waren einfach nur verwundert, dass sie noch da ist, und sie meinte, ja, wo soll sie denn auch sonst hingehen? Das ist ihre Stadt und ihre Wohnung, sie hat hier Pflanzen und sie muss sich um diese Dinge kümmern. Einige Häuser weiter stand ein Mann, der ganz verloren auf dieses Haus geblickt hat, und den haben wir gefragt, was er hier macht. Er sei gekommen, um sich seine Wohnung anzuschauen und weil er versuchen wollte, einige Gegenstände noch zu retten. Man merkt, dass die Menschen wirklich verloren sind, dass sie nicht wissen, wie es weitergeht, und dass sie sehr viel verloren haben. Die ukrainische Armee schafft es ja dieser Tage, die Russen immer weiter zurück zu treiben und befreit immer mehr Dörfer, aber der Krieg ist immer noch sehr präsent in dieser Stadt.

FM4 Auf Laut: Wie fair ist die Asylpolitik?

Bis zum Ukraine-Krieg hat die österreichische Regierung eine strenge Asylpolitik verfolgt. In den letzten Jahren wurden immer weniger Geflüchtete aufgenommen und immer öfter Abschiebungen durchgeführt, auch in Konfliktregionen. Jetzt verspricht die Politik eine schnelle Integration von ukrainischen Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, das Bildungssystem und in die Gesellschaft. Hat sich der Umgang von Österreich mit Geflüchteten geändert? Welche Rolle spielt die Herkunft von Geflüchteten? Wie kann eine diskriminierungsfreie Asylpolitik aussehen?

Diskutier mit unter 0800 226 996!

FM4 Auf Laut am 10. Mai, 21 bis 22 Uhr

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