FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Erotikszene

Pexels Anghelo Estrada Fú

FM4 Sex Education

Was machen eigentlich Intimacy-Koordinator*innen?

Seit ein paar Jahren gibt es eine Person auf Filmsets, die nur für Sex- und Nacktszenen verantwortlich ist: die Intimacy-Koordinator*in. Sie versucht angespannten Dreharbeiten entgegenzuwirken. Aber braucht es diese zusätzliche Person am Set? Das fragen sich vor allem Filmschaffende, die Jahrzehnte auch gut ohne Intimacy-Koordinator*innen ausgekommen sind.

Von Alina Schaller

Sexszenen sind beim Filmdreh gar nicht so heiß, wie man glauben könnte. Oft erzählen Schauspieler*innen, dass intime Szenen meist für alle Beteiligten - also auch Regie und Filmcrew - eine unangenehme Sache sein können. Früher wurden Schauspieler*innen manchmal tatsächlich einfach zusammen in ein Bett geworfen und die Kamera hat festgehalten, was passiert. Spätestens seit der #metoo-Bewegung ist so etwas nicht mehr möglich.

Eine Schlange und ein Herz

Radio FM4

Welche Rolle spielen Pornos in der Sex Education von jungen Menschen? Wie wurdest du aufgeklärt? Gibt es genug Aufklärung zu konsensueller Sexualität? Drei Tage alles rund um Liebe, Sex und Zärtlichkeit auf FM4.

FM4 Sex Education
23. bis 25. Mai 2022

Um Übergriffen und sexuellem Missbrauch an Schauspieler*innen, aber auch falschen Anschuldigungen gegen Produktionsfirmen vorzubeugen, gibt es inzwischen die Position der Intimacy Coordination. Ihre Aufgabe ist es, zwischen Regie, Schauspiel und Produktion zu vermitteln: Die Regie wird beim Erzählen einer Geschichte unterstützt, die Schauspielenden bei der Umsetzung dieser Geschichte, in dem Fall einer intimen Szene, und die Produktion wird dabei unterstützt, dass alles ohne Verzögerungen ablaufen kann.

Das Schicksal der Maria Schneider

Wer sich diesem Thema genauer widmet, stolpert schnell über die Geschichte vom Dreh zu „The Last Tango in Paris“, einem der größten Erfolge des Regisseurs Bernardo Bertolucci. Marlon Brando, damals 48 Jahre alt, verkörperte in der Hauptrolle einen alten Mann in der Midlife Crisis. Dieser trifft sich mit einer jungen Frau, gespielt von der 19-jährigen Maria Schneider, und die beiden verlieren sich in einem existentiellen Sexabenteuer. 1972 erteilte Bertolucci beim Dreh der Vergewaltigungsszene Marlon Brando die „Freiheit zum Improvisieren“: Das heißt, er sollte Maria Schneider spontan vor laufender Kamera überraschen. „Ich wollte, dass Maria es fühlt, statt zu schauspielern, ich wollte die Wut und die Entwürdigung.“, sagte Bertolucci später in einem Interview. Schneider wurde Opfer dieses Spiels und wandte sich viele Jahre später an die Öffentlichkeit, dass sie sich von den beiden Männern „hintergangen und vergewaltigt gefühlt“ hatte. Sie ist damit aber leider nicht die einzige.

How-to Sexszenen

Cornelia Dworak ist Österreichs erste und bisher einzige Intimacy-Koordinatorin. Wie geht sie solche intime Filmszenen an?

Communication is key! Bevor es ans Filmset geht, werden zahlreiche Gespräche geführt. „Ich kläre die Schauspielenden immer auf, dass sie Nein sagen dürfen“, so Cornelia Dworak. „Und der Regie biete ich mögliche Versionen an, ihre Geschichte zu erzählen.“

Wenn man vorab nicht abspricht, was man gerne machen möchte und was man auf gar keinen Fall machen möchte, dann sind eigentlich Grenzüberschreitungen vorprogrammiert

Grenzen werden festgelegt: Gibt es bestimmte Körperteile, die im Film nicht sichtbar sein sollen? Gibt es gewisse Zonen, die vom oder von der Spielpartner*in nicht berührt werden dürfen? Welche Aktionen sind wichtig, um die Geschichte voranzutreiben? In einer Probe wird, vollkommen bekleidet, eine Choreographie erarbeitet, also ein detaillierter Ablauf, wann und wo man sich küsst, zu Boden wirft oder aufeinander liegt. Intimacy Coordination wird deshalb auch oft mit Stunt Coordination verglichen. „Wenn sich zwei Schauspieler vor der Kamera prügeln, ist das auch ausgemacht“, so Cornelia Dworak, die ursprünglich selbst als Stunt-Koordinatorin zum Film gekommen ist.

Am Filmset versucht man, die Crew so klein wie möglich halten und einen safe space zu schaffen, ein sogenanntes Closed Set. Alles wird genauestens protokolliert, vor allem wenn beispielsweise die Choreographie verändert wird. Das Ziel ist es, einen sicheren Arbeitsplatz zu schaffen, bei dem sich alle Beteiligten wohl fühlen. Consent lautet die Überschrift.

Erotikszene

Pexels Cottenbro

Ein neuer Beruf stellt sich vor

Auch in Österreich ist Intimacy Coordination also inzwischen angekommen. Cornelia Dworak freut sich, dass sie nicht die einzige bleiben wird. Zurzeit werden drei weitere Intimacy-Koordinator*innen ausgebildet, Alev Irmak, Katharina Haudum und Tom Waldek. Das österreichische Filminstitut hat dieses neue Team Anfang Mai der Filmbranche vorgestellt.

Wir haben die „Vorreiterin“ Cornelia Dworak zum Interview getroffen:

Aktuell: