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Porridge Radio

Matilda Hill Jenkins

Back to the radio: Porridge Radio und ihr 3. Album

„Waterslide, Diving Board, Ladder to the sky“ präsentiert die britischen Indie-Post-Punk-Aufsteiger Porridge Radio zwei Jahre nach ihrem Durchbruchs-Album „Every Bad“ zugänglicher und glitzernder als früher, aber gleichzeitig auch niederschmetternd traurig wie eh und je.

Von Katharina Seidler

„I hurt myself today, to see if I still feel”, sang einst Trent Reznor, „It hurts when I peel off my skin, I don’t believe in anything“, schlägt fast dreißig Jahre später Dana Margolin die Brücke zwischen körperlichem Schmerz und seelischer Pein. Im Laufe von „Waterslide, Diving Board, Ladder to the sky“, dem dritten Album ihrer schwer gehypten Bandsensation Porridge Radio, wird Margolins lyrisches Ich noch über das Abschneiden von Händen und Füßen sinnieren, sich die Stimme aus dem Leib schreien und jede Hoffnung auf Erlösung fahren lassen:

„I associate you with good things
And I sometimes can’t associate anything at all
I sometimes can’t imagine anything"
("I hope she’s ok 2“)

Porridge Radio

Secretly Canadian

„Waterslide, Diving Board, Ladder To The Sky“ von Porridge Radio ist am 20.5.2022 bei Secretly Canadian/Cargo erschienen.

Porridge Radio-Songs kommen aus dem Innersten und brechen sich im Verlauf der Songs ihren Weg durch die Schutzschicht des Körpers nach draußen. Gleichzeitig gehen sie im wahrsten Sinne des Wortes auch von außen nach innen, also „unter die Haut“. In „Splintered“ etwa zieht sich die Ich-Erzählerin einen Schiefer ein: „My body pushes it out“, singt sie erst, später dann wird sie selbst zum Holz-Splitter - „Don’t push me out“, um im großen Finale zu verkünden: „My body pushes you out“. Ein songwriterisches Meisterstück, das Margolin, die alleinige Front- und Schmerzensfrau von Porridge Radio, als schonungslose Lyrikerin bestätigt.

Kaum jemand in der aktuellen Indie-Pop-via-Post-Punk-Szene textet so unumwunden über Depression und andere psychische Probleme. Dass die öffentliche Diskussion dazu mehr und mehr Mainstream-tauglich wird, bezeichnet die Musikerin im FM4-Interview als erfreulich, setzt aber sofort nach: „Aber wenn ich auf Tour wegen meiner Depression einmal nicht auftreten können sollte, dann weiß ich nicht, ob außer meinem Team und meiner Band jemand dafür Verständnis hätte.“

Ganz zentral ist auch auf dem neuen Porridge Radio-Album wieder Dana Margolins Eigenheit, einzelne Sätze wieder und wieder zu wiederholen, bis zur Entäußerung, und bis sich entweder ein kathartischer Effekt einstellt oder aber sich eine zweite Bedeutungsebene offenbart. „I don’t wanna be loved“, heißt es in „Birthday Party“, einem zwingenden neuen Eintrag in die lange Liste von Songs über den psychischen Druck und Stress im Angesicht einer Party, und nach der zehnten Wiederholung verwandelt sich der Satz in sein Gegenteil, einen verzweifelten Schrei nach Liebe: „I don’t wanna be loved!“

Musikalisch präsentiert sich „Waterslide, Diving Board, Ladder to the sky” einen Tick glitzernder und breitenwirksamer als sein Album-Vorgänger. Wir hören Blechbläser und Synthesizer, die nach Drehorgeln klingen, und immer wieder stimmen Margolins Bandkolleg*innen im Chor mit ein und stehen dem lyrischen Ich zur Seite. Es sind Momente größter Zärtlichkeit. Liebe ist im Lauf dieses Albums zumeist als Nächstenliebe zu verstehen, mehr als Sehnsucht nach Verbindung und Zugehörigkeit denn als romantischer Reiz.

Waterslide, Diving board, Ladder to the sky, diese drei Gegenstände stehen sinnbildlich für das neue Album von Porridge Radio: Die Wasserrutsche als Symbol für Spiel und Spaß, das Sprungbrett als Ort einer angsteinflößenden Mutprobe, die es zu meistern gilt oder auch nicht, und schlussendlich die Himmelsleiter, eine Hoffnung auf Transzendenz und Erlösung, irgendwann.

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