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Todor Ovtcharov überlegt, eine Partei zu gründen

Todor und sein Freund Thomas leben seit 20 Jahren in Österreich. Wählen dürfen sie hier beide nicht.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Mein Freund Thomas lebt seit mehr als 20 Jahren in Österreich und nimmt es als „sein Heimatland“ wahr. In sein Geburtsland, die Schweiz, fährt er nur manchmal, um seine Verwandten zu besuchen. Er arbeitet hier, zahlt hier seine Steuern und macht meistens Urlaub in Österreich. Auch seine zwei Kinder sind hier geboren. Trotzdem fühlt er sich manchmal ausgestoßen.

Wir sprechen darüber, da derzeit wieder die Diskussion darüber ausgebrochen ist, dass ein Drittel der in Wien lebenden Menschen nicht wählen darf und vom demokratischen Prozess ausgeschlossen ist. Österreichweit sind es 1,1 Millionen Menschen. Thomas glaubt an die Demokratie und möchte seine politischen Ansichten im Parlament vertreten sehen. Er hatte geglaubt, dass die Schweiz das konservativste Land in Europa sei, was Staatsbürgerschaften angeht, aber Österreich hat sie wohl schon überholt.

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Thomas will nicht zurück in die Schweiz, obwohl ihn der österreichische Staat so behandelt wie die Stiefmutter Aschenputtel. „Und ich bin nicht Aschenputtel", meint Thomas, "ich bin ein normaler Mensch der Mittelklasse, trotzdem will der Staat, dass ich ihm wie einem Prinzen die Hände küsse, damit ich ein Staatsbürger werden kann. Ich will aber den Staat nicht heiraten, sondern nur ein Bürger sein!“

Warum hat der österreichische Staat so viel Angst? Haben konservative Politiker Angst, dass neue Staatsbürger sie nicht wählen würden? Vielleicht haben sie recht. Denn mit so einem Verhalten stoßen sie alle von sich weg.

Politiker*innen der regierenden Volkspartei verkünden, dass die „Staatsbürgerschaft das höchste Gut“ sei. Man müsse sie „sich verdienen“. Ich hingegen glaube, dass das höchste Gut im Leben die Liebe ist, und bin bereit, darüber zu streiten. Genau wie Thomas lebe ich seit mehr als 16 Jahren hier. Ich kenne die österreichische Geschichte, Politik, Kultur und Wirtschaft besser als einige Staatsbürger. Was muss ich wohl tun, um das „höchste Gut“ zu erreichen? Thomas schlägt mir vor, eine Partei der Nicht-Staatsbürger zu gründen. Ein Drittel der in der Hauptstadt Lebenden würde wohl hinter uns stehen. Leider werden sie uns aber nicht wählen dürfen.

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