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"Der schlimmste Mensch der Welt", Renate Reinsve, Joachim Trier, Worst Person In The World

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„Der schlimmste Mensch der Welt“ = der beste Film der Welt?!

Diese Woche startet der vielfach ausgezeichnete norwegische Film „Der schlimmste Mensch der Welt“ von Regisseur Joachim Trier in den österreichischen Kinos. Schauspielerin Renate Reinsve irrt in zwölf Filmkapiteln durch das Leben und brilliert dabei. Bei den Filmfestspielen in Cannes 2021 wurde sie dafür als beste Darstellerin geehrt.

Von Philipp Emberger

Es sind zwölf Kapitel plus Prolog und Epilog, in denen Regisseur Joachim Trier nicht viel und doch vom Größten überhaupt erzählt: dem Leben. Rund um Hauptfigur Julie (Renate Reinsve) bastelt er gemeinsam mit Co-Drehbuchautor Eskil Vogt („The Innocents“) eine wundervolle Geschichte über die Irrungen und Wirrungen, die das Leben immer wieder nimmt, und darüber, wie wir jeden Tag aufs Neue versuchen damit umzugehen und das Chaos in den Griff zu bekommen.

Julie ist Ende 20 und streift in der romantischen Tragikomödie ziel- und planlos durchs Leben. Das Medizinstudium bricht sie ebenso wie das Studium der Psychologie ab. Die junge Frau verliebt sich in den 44-jährigen Comiczeichner Aksel (Anders Danielsen Lie), der mit seiner schwarzhumorigen Figur „Bobcat“ erfolgreich ist. Ihr unterschiedlicher Standort im Leben erweist sich als Stolperstein und abermals weiß Julie nicht so recht, wohin mit ihrem Leben.

Origineller Film mit Witz und Einfallsreichtum

Das Drehbuch ist eine der großen Stärken des Films. Voller Witz und Raffiniertheit kommen die unterschiedlichen Filmkapitel und -szenen daher. An einer Stelle läuft Julie durch das wunderschöne Oslo, während um sie herum die Welt (und alle Menschen) stillstehen und eingefroren sind. Während Julie durch die Stadt läuft, trifft sie eine weitere folgenreiche Entscheidung in ihrem Leben. Eine andere Stelle ist eine der besten Kennenlernszenen der jüngeren Filmgeschichte. Mit Eivind (Herbert Nordrum) lotet Julie aus, wo denn die Grenzen von Betrügen liegen. Für das Drehbuch haben Trier und Vogt bei der diesjährigen Oscarverleihung eine Nominierung in der Kategorie Best Screenplay erhalten, eine Nominierung als bester internationaler Film gab es obendrauf.

"Der schlimmste Mensch der Welt", Renate Reinsve, Joachim Trier, Worst Person In The World

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Ist das schon Betrügen? Eivind (Herbert Nordrum) und Julie (Renate Reinsve)

Der Film selbst steht Julies Sprunghaftigkeit in nichts nach. In den zwölf Kapiteln hüpft der Film zwischen Genres und Stilen, mal ist eine Animationsszene zu sehen, mal ein bunter psychedelischer Drogentrip. Trier mixt weiters Komik mit Tragik, die romantischen Momente mit herzzerreißenden, nachdenkliche Szenen mit überdrehten. Nichts davon wirkt aber überfordernd oder zu viel. Im Gegenteil: Der Film kommt mit einer Ruhe daher und weiß genau, was er erzählen will. Dazu zählen auch aktuelle Themen wie die #MeToo-Bewegung. Das dritte Kapitel trägt dann auch den Namen „Oralsex in den Zeiten von #MeToo“.

Einigen mag das zu gewollt sein, dass da jedes zeitgeistige Thema verarbeitet wird. In einem Kapitel geht es beispielsweise überdeutlich um die Klimakrise und wie diese, neben den Planeten, auch Beziehungen zerstört. Am Ende ist das Leben von (jungen) Menschen aber nun mal vielschichtig, komplex und besteht aus multiplen Krisenherden. Das Leben in all seiner Komplexität packen die beiden Drehbuchautoren Trier und Vogt in nahezu perfekte 127 Filmminuten, die direkt in das (Millennial-)Herz gehen.

Der beste Film der Welt?!

Der große Regisseur Paul Thomas Anderson adelt den Film gar als „besten Film der Welt“. Das ergibt schon irgendwie Sinn, denn mit seinem letzten Film „Licorice Pizza“ schlug Anderson in eine ähnliche Kerbe. Beide Filme wollen weniger eine konkrete Geschichte erzählen, sondern mehr eine Stimmung, ein Gefühl vermitteln. In Triers Film geht es auch darum, das Leben, wie es kommt, zu akzeptieren. Das ist auch für Schauspielerin Reinsve der Blick auf den Film, wie sie im Interview mit FM4 verrät: „For me it’s about accepting the chaos of life“.

"Der schlimmste Mensch der Welt", Renate Reinsve, Joachim Trier, Worst Person In The World

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Renate Reinsve und Anders Danielsen Lie in „Der schlimmste Mensch der Welt“

Nach „Auf Anfang“ und „Oslo, 31. August“ ist „Der schlimmste Mensch der Welt“ der dritte und letzte Teil der losen Oslo-Trilogie Triers. „Oslo, 31. August“ hat Trier und Reinsve überhaupt erst zusammengebracht. Dort hatte sie mit „Let’s go to the party!” eine Zeile Text. Im Interview mit FM4 erzählt Reinsve, dass sie sich bei den Dreharbeiten viel mit Trier über das Leben unterhalten hat (die eine Zeile Text hat neun Drehtage in Anspruch genommen) und er ihr versprochen hat, eine Hauptrolle für sie zu schreiben. Versprechen gehalten. Reinsve, die schon kurz davor war die Schauspielerei aufzugeben, hat mit ihrer Rolle bei den letztjährigen Filmfestspielen von Cannes dann den Preis als beste Darstellerin abgeräumt. Wer auch nur wenige Minuten von „Der schlimmste Mensch der Welt“ sieht, weiß, warum. Reinsve liefert eine überragend charismatische Performance zwischen Tragik und Komik und macht Julie zur Identifikationsfigur für viele Menschen. Vor allem Millennials dürften sich in einigen Szenen wiederfinden. Wobei sie im Interview erzählt, dass sogar ihre eigene Oma sich wieder in Julie erkannt hat. Man könnte das als Beweis dafür auslegen, wie universell und vielfältig die Figur der Julie geschrieben worden ist.

Vielleicht ist „Der schlimmste Mensch der Welt", wie Paul Thomas Anderson sagt, der beste Film auf der Welt. Vielleicht aber auch nicht. Auf jeden Fall ist die romantische Komödie aber einer der besten Filme des Jahres über das Lost-Sein und was es eigentlich heißt, zu lieben, zu hassen, zu weinen und sich zu freuen. Kurz: Was es heißt, ein Mensch zu sein. Und alleine dafür kann man den Film lieben.

„Der schlimmste Mensch der Welt“ startet am 2.06.2022 in den österreichischen Kinos

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