ImPulsTanz reloaded

Europas größtes Festival für zeitgenössischen Tanz und Performancekunst ist zurück. Erstmals wieder in vollem Umfang lockt das ImPulsTanz-Festival mit Stars und Neuentdeckungen nach Wien. Eine Auswahl an Highlights für den Sommer.

Von Claudia Unterweger

Die Vorfreude ist deutlich spürbar: Diesen Sommer lässt es sich wieder uneingeschränkt tanzen. 2020 musste das ImPulsTanz-Festival ja komplett gecancelt werden, 2021 ächzte das Orga-Team weiterhin unter strengen Covid-Auflagen und Einreisebeschränkungen für internationale Artists. Doch das Schwierigste scheint überwunden. Ab 7. Juli schillert die fast 40-jährige Institution ImPulsTanz wieder in bewährter Form. 200 Workshops, Partys und mehr als 50 Produktionen internationaler und österreichischer Künstler:innen und Compagnien, darunter nicht wenige Uraufführungen und Österreichpremieren, sollen Tanzbegeisterte in die Wiener Theater und Spielstätten locken.

Fix ist ein Wiedersehen mit Publikumsliebling Florentina Holzinger - allerdings nur für Personen über 18. Die österreichische Extremperformerin wird in ihrem Stück „Tanz“ auf der Bühne des altehrwürdigen Volkstheaters gewagte Stunts zeigen und bei diversen Selbstverletzungen Blut fließen lassen. Alle Beteiligten hart fordern könnte auch der bulgarische Show-Allrounder Ivo Dimchev, bekannt für schrille Mitmach-Bühnenshows. Er siedelt sein Stück „In Hell With Jesus“ in einer Schwulenbar an, in der die Charaktere einem Attentat zum Opfer fallen.

Nach Wien anreisen werden allerdings auch traditionellere Namen des zeitgenössischen Tanzes wie Anne Teresa de Keersmaeker oder Wim Vandekeybus. Letzterer wird das 35-Jahr-Jubiläum seiner Compagnie Ultima Vez feiern und einen Gedenkabend für ImPulsTanz-Mitgründer Ismael Ivo geben, der 2021 an Covid-19 verstorben ist.

Mowgli als Heldin in der Klimakrise

Fulminant wird die Show des britischen Choreografiestars Akram Khan im Burgtheater: In „Jungle Book reimagined“ erzählen Khan & seine Company mit riesigen Projektionen den Dschungelbuch-Klassiker von Rudyard Kipling neu - aus Mowglis Perspektive als Geflüchteter. Mowgli ist hier eine junge Frau, sie lebt in einer Zukunft, die von den Folgen der Klimakrise gebeutelt wird. Wie aus weit zurückliegender Vergangenheit ist dazu die Stimme von Greta Thunberg zu hören: „How dare you?!“

Auf einen Platzregen im Burgtheater kann man sich bei „Vollmond“, der neuen Österreichpremiere von Pina Bausch und dem Tanztheater Wuppertal freuen. Für das außergewöhnliche Bühnenbild sorgt eine Regenanlage in 10 Metern Höhe über der Bühne. Zusätzlich „schwimmen“ und verausgaben sich die Performer:innen in einem Fluss, der direkt auf der Burgtheaterbühne von links nach rechts fließt, Strömungsanlage inklusive. Eine Batterie an Durchlauferhitzern sorgt für erträgliche Temperaturen beim Wassertanz der Tänzer:innen. Dazu ertönt Herzerwärmendes von Tom Waits.

Die nächste Generation, bitte!

Wer die kommende junge Generation von Choreograf:innen entdecken will, ist bei der [8:tension]-Performancereihe am richtigen Ort. Einst haben in diesem Format ja auch Stars wie Akram Khan und Florentina Holzinger ihre ersten Produktionen gezeigt.

Diesmal sind 10 aufregende, junge Produktionen aus Europa, Afrika, Nord- und Südamerika bei [8:tension] zu sehen, mit Musik von Mozart bis Frank Ocean. Die spannendste Arbeit wird wieder mit dem 5.000 Euro schweren ImPulsTanz Young Choreographers’ Award ausgezeichnet.

Party Party Party!

Alle, die sich danach gesehnt haben, wieder die Nächte durchzutanzen, sind in der ImPulsTanz Festival Lounge am richtigen Ort. Jede Nacht wird bei ImPulsTanz Soçial zur Clubnacht mit Livekonzerten, DJ Sets und Partys, vieles davon bei freiem Eintritt. Liebgewonnene Tradition ist mittlerweile der FM4 Friday: FM4 DJs aus dem Hause Tribe Vibes, Dalia’s Late Night Lemonade, Davidecks oder La Boum de Luxe legen immer freitags ihre Lieblingstracks in der ImPulsTanz Lounge auf und sorgen für einen knallvollen Dancefloor.

Für das Grand Opening der Festival Lounge am 7. Juli sorgt die Rapperin und Performerin W1ZE, auch bekannt als die „Queen von Wien“. Die aus Simbabwe stammende Musikerin hat eine Debüt-EP „Down Low“ veröffentlicht und gerade erst ihre neue Single „Ghosted“ rausgebracht. Ganz nebenbei war W1ZE auch schon für den Amadeus Award 2022 in der Kategorie "Best Sound“ nominiert.

Workshops für alle

Wer tanzen lernen möchte, ist bei den mehr als 200 ImPulsTanz-Workshops in den lichtdurchfluteten Studios im Wiener Arsenal an der richtigen Stelle. Egal, ob es Afrofusion oder Skid Technique, das Spiel mit der Schwerkraft auf einer schiefen Ebene sein soll, Aerial Silk hoch oben über dem Boden schwebend oder HipHop, klassisches Ballett oder zeitgenössischer Tanz: Sowohl Kurse für Anfänger:innen als auch Fortgeschrittene sind bereits online buchbar.

Neu im Angebot ist heuer Let The Fat Bitch Slay, ein Voguing-Workshop für mehrgewichtige, queere und mehrfach marginalisierte Personen. Voguing begann in den 1970er und 80er Jahren als politischer Tanzstil der Black und Latinx New Yorker queeren Szene. Bei ImPulsTanz laden 2 Voguerinnen - Fatpositivity-Aktivistin Ina Holub und Antirassismus-Trainerin Anna Gaberscik - nun zu einer politischen Auseinandersetzung mit den Themen Rassismus und Fettphobie. Anschließend erlernen die Teilnehmenden verschiedene Stile des Voguing aus einer fettpositiven Perspektive. Gefeiert werden sollen diejenigen, die die Mehrheitsgesellschaft ablehnt.

Kostenlose Tanzstunden

Wer gerade kein Taschengeld für einen Tanzkurs übrig, aber trotzdem Lust hat, den eigenen Körper neu kennenzulernen: ImPulsTanz lädt wieder zu den Public Moves Workshops, bei denen alle im öffentlichen Raum unterschiedlichste Formen von Tanz lernen können. Vom Hof im Museumsquartier bis an die Ufer des Badeteichs Hirschstetten: Auch ohne tänzerische Vorkenntnisse lässt sich dort allerhand ausprobieren – bei freiem Eintritt!